Samstag, 26. März 2016

Fahrtenbuchauflage: Unbekannter Fahrer und ein möglicher Punkt

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Das OVG Münster  stimmte, wie die Vorinstanz, der Verwaltung zu, die gegen den Kläger eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von einem Jahr verhängte. Hintergrund der Fahrtenbuchauflage war gewesen, dass mit dem Fahrzeug des Klägers ein verkehrsverstoß begangen wurde, der nach dem neuen Punktesystem zum 1.5.2015 nach Anlage 13 zur FeV mit jedenfalls einem Punkt zu bewerten sei. Da der Fahrer nicht ermittelt werden konnte, erging gegen den Halter die Fahrtenbuchauflage.


Das OVG Münster ließ die Berufung gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht zu. Es verwies darauf, dass der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung habe, wobei es nicht darauf ankommen würde, ob eventuell andere Verwaltungsträger als der hier zuständige anders entscheiden würde. Darüber hinaus sei die Entscheidung auch nicht fehlerhaft.

Die Fahrtenbuchauflage ist nach der Auffassung des OVG eine probate Maßnahme, wenn ein erheblicher Verkehrsverstoß vorläge und der Fahrer nicht ermittelt werden könne. Mit der Fahrtenbuchauflage wird sichergestellt, das im Wiederholungsfall der Fahrer durch Einsicht in das Fahrtenbuch ermittelt werden kann. Die  - für die Fahrtenbuchauflage notwendige -  Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes ließe sich aus dem Punktesystem ableiten. Nach der Reform des Punktesystems zum 1.5.2015 decke ein Punkt eine große Spanne von Verkehrsverstößen ab, wobei nah diesem neuen System Punkte nur noch vorgesehen wären für Verkehrsverstöße, die die Verkehrssicherheit tatsächlich beeinträchtigen würden.


OVG Münster, Beschluss vom 13.01.2016 – 8 A 1030/15 -

Mittwoch, 23. März 2016

Architekt: Mehrforderung nach Schlussrechnung bei Unterschreitung des Mindesthonorars

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Der Architekt hat mit dem Bauherrn eine Pauschale von € 60.000,00 zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart und Abschlagsrechnungen erstellt. Die letzte Abschlagsrechnung zahlte der beklagte Bauherr zunächst nicht, da er Einwendungen (so eine Nichteinhaltung einer Fertigstellungsfrist) erhob. Als er schließlich den Rest zahlte, quittierte ihm dies der Architekt mit der Angabe „Restbetrag von der Abschlussrechnung für Architekt-Honorar“.

Im Nachgang erstellte der klagende Architekt eine Teilschlussrechnung unter Anrechnung der erfolgten Zahlungen und erhöhte diese im Laufe des Rechtsstreits auf Grund geänderter Kostenrechnung.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die von beiden Parteien eingelegte Berufung wies das OLG die Klage ab. Der BGH  hob auf die Berufung des Klägers das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Nach Auffassung des OLG, der sich der BGH anschloss, wäre der Architekt grundsätzlich nicht an seine ursprüngliche Rechnung gebunden und könne von daher auch trotz erteilter Schlussrechnung weitergehende Forderungen geltend machen. Da allerdings zwischen der Zahlung auf die Schlussrechnung und der neuen Rechnung ein Jahr vergangen sei, wäre er nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an einer weitergehenden Berechnung gehindert. Dieser Auffassung folgte der BGH nicht.

Voraussetzung für den auf § 242 BGB begründeten Ausschluss der Nachberechnung wäre, dass sich der beklagte Bauherr auf den abschließenden Charakter der Schlussrechnung eingerichtet habe. Es gäbe keine allgemeine Lebenserfahrung, dass sich ein Auftraggeber nach Ablauf einer gewissen Zeit darauf eingerichtet hat, nichts mehr zahlen zu müssen. Hierzu müsse der beklagte Bauherr vortragen. Gleiches gelte für eine sodann vorzunehmende Prüfung der Unzumutbarkeit weiterer Zahlungen durch den Bauherrn; auch diese sei nicht alleine durch Zeitablauf anzunehmen, sondern müsse sich gerade durch eine durch die Nachforderung bedingte zusätzliche Belastung als besondere Härte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergeben. Der Umstand als solcher, dass der Architekt eine weitergehende Honorarforderung auf der Grundlage der Mindestsätze der Honorarordnung (HOAI) geltend mache, führe nicht zur Unzumutbarkeit; entscheidend sei, welche Maßnahmen der Auftraggeber im Hinblick auf ein schützenswertes Interesse unternommen bzw. unterlassen habe (so bereits BGH, Urteil vom 23.10.2008 – VII ZR 105/07 -).


BGH, Urteil vom 19.11.2015 – VII ZR 151/13 -

Freitag, 18. März 2016

Versicherungsrecht: Kein Anspruch auf von Versicherung eingeholte Gutachten, es sei denn, § 242 BGB greife im Einzelfall (hier verneint)

Der Kläger verlangte Herausgabe von einem oder Einsichtnahme in ein vom Versicherer der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeholtes Gutachten. Unabhängig davon, ob der Kläger als Miteigentümer der WEG überhaupt ein eigenes Recht hat, hat das Landgericht diesen Anspruch in der Sache verneint. Es musste, da sich zwischenzeitlich die Hauptsache erledigte (§ 91a ZPO) nur noch im Rahmen eines Kostenbeschlusses entscheiden.

Für den geltend gemachten Anspruch fehlte es nach Auffassung des Landgerichts an einer Rechtsgrundlage.

§ 3 Abs. 4 VVG sei nur für die dort konkret benannten Umstände anwendbar und träfe auf Gutachten nicht zu.

§ 202 VVG betrifft lediglich Gutachten im Krankenversicherungsbereich, nicht in den sonstigen Versicherungszweigen (die hier betroffen waren).

Auch § 810 Alt. 1 BGB kommt nach Auffassung des Landgerichts nicht in Betracht. Voraussetzung wäre, dass das Gutachten zumindest auch im Interesse desjenigen erstellt wurde, der die Herausgabe/Einsicht fordert. Wird das Gutachten vom Versicherer eingeholt, um eine eigene Leistungspflicht festzustellen, kommt diese Annahme nach Der Entscheidung des Landgerichts nicht in Betracht. Der Versicherer handele lediglich im eigenen Interesse und nicht auch um eine Aufgabe des Versicherungsnehmers bzw. Versicherten wahrzunehmen.

Auch ein auf § 242 BGB (Treu und Glauben) gestützter Anspruch scheide aus. Dies wurde vorliegend deshalb verneint, da der Kläger zunächst versucht habe im Rahmen der Leitungswasserversicherung resultierende Schäden über diese Versicherung abzurechnen. Dies sei unredlich gewesen; § 242 BGB greife aber nur, wenn sich derjenige, der sich auf § 242 BGB beruft, selbst redlich verhält.


LG München I, Beschluss vom 14.10.2015 – 26 O 8341/15 -

Donnerstag, 17. März 2016

Anwaltsregress: Umfassender Sachvortrag und rechtliche Würdigung zu allen Anspruchsgrundlagen ist erforderlich

„Fasse Dich kurz“ – ein Aufkleber aus alten Zeiten in Telefonzellen. Dieser Grundsatz soll jedenfalls aber nicht in anwaltlichen Schriftsätzen gelten, folgt man hier dem BGH. Danach hat der Anwalt „die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen“. In diesem Zusammenhang weist der BGH auch darauf hin, dass aus dem Grundsatz „iura novit curia“ („Das Recht kennt der Gerichtshof“) keine Einschränkung der Verpflichtung des Anwalts hergeleitet werden könne.

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Der BGH musste sich (wieder einmal) mit einem Anwaltsregress befassen. In dem Vorprozess hatte der beklagte Anwalt die Klägerin im Zusammenhang mit einem Schadensfall aus einem Speditionsgeschäft vertreten. In dem Verfahren war streitig, welches Versicherungsrisiko von dem Spediteur eingedeckt werden sollte. Der Klage wurde lediglich im geringen Umfang stattgegeben. Im Rahmen des Regresses machte nun die ehemalige Mandantin geltend, der Beklagte habe im Ausgangsverfahren nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Spedition zur Eindeckung einer Allgefahrenversicherung verpflichtet gewesen sei. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab; der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Zutreffend verweist der BGH in seiner Entscheidung darauf, dass im Zivilrechtsstreit grundsätzlich die Beibringung des Tatsachenstoffs Sache der Parteien ist. Allerdings, so der BGH, ist der Anwalt verpflichtet, über den Tatsachenvortrag hinaus „das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist“. Kommen verschiedene Rechtsgründe in Betracht, muss der Anwalt alle Rechtsgründe ins Feld führen und den Sachvortrag so gestalten, dass alle Gründe auch konkret dem Gericht dargelegt werden.

Im konkreten Fall hielt der BGH dem verklagten Anwalt allerdings vor, dass er den Terminus der All-Risk-Versicherung nicht erläutert habe. Hier würde es sich nicht um einen einfachen Rechtsbegriff (wie z.B. Eigentum) handeln, weshalb zum substantiierten Vortrag die Erläuterung des damit versicherten Risikos gehört.

Anmerkung: Bekanntlich wird ein Rechtsstreit nicht von den Anwälten sondern vom Gericht entschieden. Von daher ist an sich bereits unverständlich, weshalb der Anwalt nach Auffassung des BGH letztlich das Gericht belehren soll, gegebenenfalls sogar penetrant belehren soll, damit es die von ihm vertretene (eventuelle sogar zutreffende) Auffassung teilt. Der Verfasser muss sich häufig den Hinweis des Gerichts anhören, man würde auch die Rechtsnorm, die Rechtsprechung pp. kennen; lapidar wird daher dann immer darauf hingewiesen, dass dies sein möge, der BGH aber in seinen Haftungsprozessen gegen Anwälte offenbar andere Auffassung sei.

Richtig ist im vorliegenden Verfahren des BGH, dass natürlich nicht nur der Name der konkret abgeschlossenen Versicherung zu benennen war, sondern auch der dahinter stehende Versicherungsumfang zu benennen war, da es gerade um den Versicherungsumfang in dem Rechtsstreit ging. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Richter in der Materie der Bezeichnung bestimmter Versicherungen firm ist, unabhängig davon, dass es sich nicht um gesetzliche Einordnungen handelt sondern um versicherungsvertragliche Bestimmungen und damit notwendig Gegenstand eines Sachvortrages sein muss, unabhängig davon, dass eine Definition des Inhalts in den Fachkommentaren zu finden wäre. Allerdings: Hätte nicht der Richter auf die fehlende Darlegung nach § 139 ZPO hinweisen müssen ?


BGH, Urteil vom .12.2015 – IX ZR 272/14 -

Mittwoch, 16. März 2016

Nachbarschaftsrecht: Laubbefall durch herüberhängende Äste

Nur selten wird man in der glücklichen Lage sein, sich seinen Nachbarn aussuchen zu können. Und so gehören Nachbarstreitigkeiten zu den gerichtlichen Verfahren, die immer wieder anzutreffen sind, und bei denen letztlich nicht „die Sache“ selbst ursächlich ist, sondern  der Streit zwischen den Nachbarn. Fälle, in denen ein Richter selten eine Chance hat, eine gütliche Einigung zu bewirken (die regelmäßig auch vorher schon vor dem Schiedsmann ausblieb).


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Zu einen der Gründe für häufige nachbarschaftliche Auseinandersetzungen gehört der Bewuchs im Nachbargarten. So musste sich das OLG Brandenburg mit der Frage auseinandersetzen, ob Äste. Die mehrere Meter herüberragen, geduldet werden müssen. Neben den Regelungen des BGB sind die einschlägigen Nachbarschaftsgesetze der Länder zu berücksichtigen.

Klar wird vom OLG Brandenburg ausgeführt, dass der beeinträchtigte Nachbar vorliegend einen Anspruch auf Beseitigung des Überhangs nach §§ 1004 Abs. 1, 910 BGB habe, wenn sich ein Duldungsanspruch nicht ergibt. Insbesondere müsse er hier auch die von dem Überhang ausgehende Beeinträchtigung nicht nach § 910 Abs. 2 BGB dulden. Zwar wäre eine Beschattung vorliegend kein Grund, auch nicht ein gelegentliches Herabfallen von Eicheln; allerdings würde sich das Herabfallen des Laubs und der Kiefernadeln der Bäume als nicht unerhebliche Beeinträchtigung darstellen, da nach einem Sachverständigen 3 Kubikmeter im Jahr anfallen sollen.

Auch wenn die Frist für die Geltendmachung des Grenzabstandes nach dem Nachbarschaftsgesetz abgelaufen ist, hindere dies nicht die Ansprüche aus §§ 1004, 910 BGB. Allerdings käme ein Rückschnitt nicht in Betracht, wenn dieser genehmigungsfrei ist oder eine Genehmigung erteilt wird; wird eine erforderliche Genehmigung nicht erteilt, würde dem Kläger ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehen (dessen Höhe in dieser Entscheidung nicht gegenständlich war).


OLG Brandenburg, Urteil vom 17.08.2015 – 5 U 109/13 -

Dienstag, 15. März 2016

AGB: Zur Anwendbarkeit der Unklarheitenregel des § 305c BGB

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In § 305c Abs. 2 BGB ist geregelt, dass Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) zu Lasten des Anwenders gehen. Der BGH hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann diese Reglung eingreift.


Nach der Entscheidung des BGH sind zunächst alle in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Damit stellt er auf §§ 133, 157 BGB ab und führt aus, AGB sind „nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden“. Dabei darf sich nicht am Willen der konkreten Vertragspartner orientiert werden, sondern ist vom Wortlaut auszugehen. Wenn nach dieser Auslegung zumindest zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind, kommt die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zum tragen. Allerdings bleiben bei dieser Prüfung Verständnismöglichkeiten außer Betracht, die zwar rein theoretisch möglich sind, die aber praktisch fern liegen und für Geschäfte der behandelten Art typischerweise nicht in Betracht kommen.

Vor diesem Hintergrund hat der BGH eine Klausel in einem Wohnraummietvertrag, wonach „spätestens am 30. Juni jeden Jahres über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen“ ist, nicht dahingehend verstanden werden kann, dass dies zur einer Ausschlusswirkung führt, wenn später die Abrechnung erfolgt.


BGH, Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 152/15 -

Donnerstag, 10. März 2016

Internet: Verantwortung für Links

Der BGH hatte sich damit auseinanderzusetzen, ob der Betreiber einer Internetseite für den Inhalt von verlinkten Seiten verantwortlich ist und welche Maßnahmen er ergreifen muss, wenn ihm mitgeteilt wird, der Inhalt der verlinkten Seite enthalte Rechtsverletzungen.

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Grundlage der Entscheidung war die Internetseite (Homepage) eines Orthopäden (Beklagter), der für eine Implantat-Akupunktur auf seiner Seite warb, bei der dem Patienten im Bereich der Ohrmuschel winzige Nadeln subkutan implantiert werden. Für „weitere Informationen auch über die Studienlage“ fügte er am Ende seines Textes einen elektronischen Verweis (Link) auf die Seite eines Forschungsverbandes Implantat-Akupunktur e.V. ein. Die Unterseiten der über diesen Link erreichbaren Startseiten beinhalten nach Auffassung des Verbandes Sozialer Wettbewerb e.V. irreführende Inhalte.  Der Kläger mahnte den Beklagten ab, der daraufhin den Link entfernte, aber weder die Abmahnerklärung abgab noch die Abmahnkosten entrichtete. Das Landgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß; das OLG Köln wies auf die Berufung des Beklagten die Klage ab. Die vom Kläger eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

Im Rahmen seiner Entscheidung wies der BGH darauf hin, dass alleine der Umstand, dass das Setzen des Links eine geschäftliche Handlung darstelle, noch keine Haftung begründet würde. Zu unterscheiden wäre, ob sich derjenige, der den Link setzt, den Inhalt der verlinkten Seite zu eigen macht oder nicht.

Macht sich der Betreiber einer Internetseite mit dem Setzen des Links den Inhalt der verlinkten Seite zu eigen, haftet er selbst als Störer wie bei eigenen Informationen. Dies wurde vorliegend verneint. Alleine der elektronische Verweis wäre nicht wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells des Beklagten; über den Verweis wären auch nicht Inhalte zugänglich, in denen offen oder verdeckt für Produkte des  Beklagten geworben würde. Der Verweis hätte auch nicht zur Vervollständigung des eigenen Behandlungsangebotes des Beklagten gedient, noch konnte dies aus der Einbettung des Links im Text so verstanden werden. Es hätte sich hier nicht um einen sogen. Deeplink gehandelt, der direkt zu den beanstandeten Aussagen führt, sondern lediglich zu der unbedenklichen Startseite des Forschungsverbandes. Vielmehr handelt es sich um einen Verweis am Ende eines Textes, mittels dem dem Leser die Möglichkeit eröffnet wird, sich selbständig weitere Informationen zu einem bestimmten Thema zu beschaffen.

Auch wenn damit der Beklagte nicht als Störer haftet, käme noch eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht. Diese kann sich auch aus dem Setzen eines Hyperlinks auf die Seite eines Dritten ergeben, da die Gefahr der Verbreitung rechtswidriger Inhalte dadurch vergrößert wird. Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht konkretisiert sich als Prüfungspflicht, wobei es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen eine Prüfung nach den Umständen zumutbar ist. Dies orientiert sich, so der BGH, an dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwandt wird und danach, welche Kenntnis der den Link Setzende davon hat, dass auf rechtwidrige Inhalte verwiesen wird. Ist die Rechtswidrigkeit nicht ohne weiteres erkennbar, wie es hier angenommen wurde, kann eine Haftung nur noch dann begründet sein, wenn der Setzende den Hyperlink aufrechterhält, obwohl er eine Abmahnung erhält und von daher eine gesteigerte Prüfungspflicht hat. Zu berücksichtigen sei aber immer, dass nach dem GEBOT DER Meinungs- und Pressefreiheit Hyperlinks in Ansehung der Fülle von Informationen im Internet nicht als solche eingeschränkt werden dürfen. Das bedeutet, dass derjenige, der den Hyperlink setzt, nicht schon alleine deshalb eine Prüfung des Inhalts vornehmen muss.

Da hier der Beklagte nach Zugang der Abmahnung den Hyperlink gelöscht hat, spräche nichts dafür, dass er bereits vor der Abmahnung Kenntnis von möglichen Täuschungen auf der verwiesenen Seite hatte. Damit kommt eine Haftung nicht in Betracht und war er weder gehalten, die Abmahnerklärung abzugeben noch die Abmahnkosten zu zahlen.


BGH, Urteil vom18.06.2015 – I ZR 74/14 -

Dienstag, 8. März 2016

Steuerliche Wertbemessung: Satt Geld als Gegenleistung Sachgüter

Der Sachverhalt ist einfach und könnte sich nicht nur in dem hier fraglichen  Finanzbereich wiederholen, sondern bei Abschaffung von Bargeld in etlichen  Bereichen (mit anderen Produkten): Der Kläger veräußerte und übertrug ihre Beteiligung an der N-AG  von 47.992 Stückaktien an die U-AG, die dafür der Klägerin 174.194 Stückaktien  von ihr zu einem vereinbarten Ausgabekurs von € 24,00/Aktie. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung wurde am 13.12.2002 im Handelsregister eingetragen; der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.02.2002 € 18,69, am 13.12.2002 € 2,20.

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Der Kläger hat den Veräußerungsgewinn seiner Aktien an der N-AG mit € 2,20/Aktie bewertet, was das Finanzamt (FA) zunächst auch zugrunde legte. Nach einer Kontrollmitteilung in 2007 ändert das FA dies und bewertete nunmehr die Aktien mit € 18,69/Stück. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg; auf die Revision gab der BFH der Klage statt.

Der BFH stellt auf den tatsächlich erzielten Veräußerungserlös ab, § 16 Abs. 2 EStG. Das würde bedeuten, dass später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen sind, als der Erwerber noch nicht erfüllt hat (also nicht gezahlt hat). Der Grund für die dadurch bedingte Minderung oder Erhöhung ist dabei unbeachtlich. Diese Grundsätze gelten auch bei der Ermittlung des Veräußerungspreises, § 17 Abs. 2 EStG.

Die Grundsätze wären auch bei der Bewertung von Sachgütern beachtlich (und insbesondere würde nicht die Entscheidung des Großen Senats (BFHE 172,66) dagegen sprechen). Nach diesen Begründung und unter Berücksichtigung des Willens des historischen Gesetzgebers wären Wertveränderungen zwischen der Begründung der Forderung und ihrer Erfüllung zu berücksichtigen; insbesondere die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und dessen Abgrenzung vom laufenden Gewinn würden es gebieten im Sinne einer sachgerechten und an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen.


BFH, Urteil vom 13.10.2015 – IX ZR 43/14 -