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Freitag, 28. April 2023

Fehlerhafte Übermittlung per beA an unzuständiges Gericht und Wiedereinsetzung

Nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2021 verlängert worden war, leitete der Klägervertreter die Berufungsbegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) versehentlich an das Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Landgerichts, welches diese erst am 11.10.2021 an das Berufungsgericht weiterleitete. Unter Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) verwarf das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig. Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH).

Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde zwar nach §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 238 Abs. 1 S. 1 ZPO für statthaft, aber wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO für unzulässig. So sei hier weder das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) verletzt noch der Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG).

Die Berufungsbegründung hätte bis zum 30.09.2021 bei dem Berufungsgericht eingehen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Übersendung an das EGVP des Landgerichts könne die Frist nicht wahren. § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO bestimme, dass das elektronische Dokument, dessen sich der Rechtsanwalt bedienen muss, erst wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen sei, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das EGVP gespeichert worden sei, was mit der Übermittlung an das EGVP des Landgerichts nicht erfüllt würde. Das EGVP des Landgerichts sei nicht für den Empfang von Dokumenten für das Berufungsgericht bestimmt. Der Umstand, dass sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht als Intermediär die Dienste des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen in Anspruch nähme könne daran nichts ändern, da beide Gerichte kein gemeinsames EGVP unterhalten, vielmehr durch entsprechende separate Posteingangsschnittstellen gesichert sei, dass der „Client“ eines Gerichts jeweils nur auf die an dieses Gericht adressierten Nachrichten zugreifen könne.

Der Kläger sei auch nicht ohne Verschulden iSv. § 233 S. 1 ZPO verhindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, weshalb keine Wiedereinsetzung erfolgen könne; der Kläger habe sich das Verschulden seines Rechtsanwalts zurechnen zu lassen. Der Rechtsanwalt habe sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten würden denjenigen bei (wie früher noch möglicher) Übersendung per Telefax entsprechen, weshalb es auch bei Nutzung des beA notwendig sei, den Versandvorgang zu überprüfen. Die nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO übermittelte automatisierte Bestätigung müsse kontrolliert werden und so geprüft werden, ob nach dem Sendeprotokoll die Übersendung an den richtigen Empfänger erfolgte. Diese Kontrolle habe der Rechtsanwalt selbst vorzunehmen, wenn er die Versendung des fristwahrenden Schriftsatzes übernehme. Vorliegend habe aber der Klägervertreter lediglich geprüft, ob die Übermittlung „erfolgreich“ gewesen sei (was im Sendprotokoll auch ausgewiesen wird), nicht aber, ob die Versendung an das richtige Gericht vorgenommen wurde.

Eine Wiedereinsetzung käme schon dann nicht in Betracht, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die Versäumung der Frist auf dem festgestellten Verschulden beruht. Im fall der irrtümlichen Übermittlung der Berufungsbegründung an das erstinstanzliche Gericht wirke sich das Verschulden einer Partei bzw. ihres Verfahrensvertreters nicht aus, wenn der Schriftsatz so zeitig bei dem falschen Gericht eingehen würde, dass eine fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden könne. Hier sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, der Kläger (Klägervertreter) habe nicht erwarten könne, dass bei einer nur einen Tag vor Fristablauf eingehenden Berufungsbegründung im EGVP eines unzuständigen Gerichts der Schriftsatz rechtzeitig an das Berufungsgericht weitergeleitet würde; diese Erwägung würde keinen Rechtsfehler erkennen lassen.

BGH, Beschluss vom 30.11.2022 - IV ZB 17/22 -

Dienstag, 21. Januar 2014

Ein Kommentar: Internet, Automatismus und die Halbheiten im Rechtswesen


Es wurde das automatisierte Mahnverfahren eingeführt. Diejenigen, die (wie z.B. Rechtsanwälte) ständig im Mahnwesen tätig sind, können Mahnbescheide nur noch per Internet über EGVP beantragen, ebenso wie den Vollstreckungsbescheid. So weit, so gut. Doch problematisch wird es, wenn der Schuldner gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegt und dann auf Antrag des Gläubigers (resp. seines anwaltlichen Vertreters) die Abgabe zur Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt wird. Damit ist formal das Mahnverfahren beendet. Entscheidet sich jetzt der Schuldner anders, z.B. da er einen Hinweis des Gerichts erhält, seine Rechtsverteidigung sei nicht erfolgversprechend, und nimmt nunmehr seinen Widerspruch zurück, ist im ursprünglichen Mahnverfahren der Vollstreckungsbescheid zu beantragen. Allerdings nicht mehr bei dem Mahngericht, sondern nunmehr bei dem für das streitige Verfahren zuständigen Gericht. Hier aber kann der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides nicht mehr über das automatisierte Mahnverfahren mittels EGVP beantragt werden. Verlangt wird regelmäßig, dass der alte Durchschlagbogen manuell ausgefüllt und eingereicht wird.

Auch hier hat die Justiz versagt, da sie bei Einführung des automatisierten Mahnverfahrens und bis heute nicht die Praxistauglichkeit gerade in Bezug auf den nicht seltenen Fall berücksichtigt, dass ein Widerspruch später (bei Anhängigkeit vor dem Streitgericht) zurückgenommen wird. Antiquiert muss nun mühevoll wieder das alte Formular (so nicht vorsorglich bereits vorhanden) beschafft und bearbeitet werden. Es wäre zu hoffen gewesen, dass die Justiz in den letzten Jahren gelernt hätte und dieses Manke beseitigt hätte. Aber offenbar hat sich das Problem bisher noch nicht zu den Verantwortlichen durchgesprochen, die ihre Entscheidungen wohl am grünen Tisch und ohne Bewusstsein der Realität treffen.