Es ist vom Ausgangspunkt einer der
alltäglichen Fälle in der zivilrechtlichen Praxis: Die beklagten Anwälte erwirkten
zugunsten des Klägers ein Urteil gegen die S. AG. Das OLG Stuttgart verurteilte
am 30.08.2015 die S. AG antragsgemäß auf Zahlung von € 23.576,90 zuzügl.
Zinsen. Am 23./27.12.2015 schlossen die Beklagten sowohl namens des Klägers als
auch anderer Vertretener gegenüber der S. AG mit der S. AG eine
Verpfändungsvereinbarung, derzufolge Aktien der S. AG an einer anderen Gesellschaft
am 30.10.2006 verkauft wurden und der auf Notaranderkonto eingehende Erlös vom
Notar aufgrund Treuhandvertrages vom gleichen Tag an den Kläger und weitere von
den Beklagten vertretene Gläubiger ausgezahlt wurde. Damit war an sich der Kläger
mit € 31.578,36 befriedigt. Allerdings beantragte am 07.04.2007 ein Gläubiger
der S. AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S. AG;
die Eröffnung erfolgte am 14.06.2007. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung
an den Kläger an und der zwischenzeitlich anwaltlich anderweitig vertretene
Kläger zahlte an diesen € 18.921,87 zu Masse zurück. Im folgenden Verfahren
begehrte der Kläger Schadensersatz von den beklagten Anwälten. Das Landgericht
gab der Klage mit € 23.736,61 statt; das OLG wies die Klage ab. Auf die
Berufung des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit
an das OLG zurück.
Für das
Revisionsverfahren ging der BGH mangels Eingehens des OLG auf eine
Pflichtverletzung der Beklagten vom Vortrag des Klägers aus, die Beklagten mit
der Durchsetzung seiner Forderung gegen die S. AG beauftragt zu haben und trotz
absehbarer Insolvenz und einem daraus drohenden Anfechtungsrisiko die
titulierte Forderung nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu
haben. Dies sei ein schlüssiger Vortrag zu einer anwaltlichen
Pflichtverletzung.
Der
Anwalt habe einen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten
möglichst vermieden würden. Das beinhalte, dass der Anwalt aus dem Titel
möglichst zügig die Zwangsvollstreckung betreibe. Bestünden Anhaltspunkte für
eine bevorstehende Insolvenz, müsse der Anwalt den Mandanten auf die fehlende
Insolvenzfestigkeit auf die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens oder danach durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit
nach § 88 InsO ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener
Sicherheiten und Zahlungen gem. §§ 130, 131 InsO. Er müsse jede Kosten
verursachende Maßnahme unterlassen und den Mandanten auf Anmeldung seiner
Forderung zur Tabelle im Insolvenzverfahren hinweisen. Der Anwalt trage zwar
nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit und für nicht vorhersehbare Risiken
würde er auch nicht haften. Die Beratung müsse sich an die Kenntnis der
absehbaren Chancen und Risiken orientieren, damit der Mandant eine
eigenverantwortliche Entscheidung treffen könne.
Nach dem
Vortrag des Klägers, der revisionsrechtlich zugrunde gelegt wurde, hielten die
Beklagten die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für möglich. Vor diesem
Hintergrund hätten sie den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine erfolgreiche
Zwangsvollstreckung außerhalb des kritischen Zeitraums von drei Monaten vor dem
Eröffnungsantrag bestand haben würde. Zur vollständigen Unterrichtung des Mandanten
gehöre auch der Hinweis auf die besonderen Risiken, die mit einem Vergleichsschluss
und einer freiwilligen Zahlung des Schuldners verbunden seien. Daran hätte es
vorliegend nach dem Vortrag des Klägers ermangelt.
Die
unterlassene Zwangsvollstreckung sei nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares
Vermögen vorhanden war. Welches bekannt war oder mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung
hätte in Erfahrung gebracht werden können. Da kein Fall der Verjährung oder
Ablauf einer Ausschlussfrist vorläge greife nicht die Erleichterung des § 287
ZPO. Allerdings habe der Kläger hinreichend zu Forderungen der S. AG (so zum
Käfer der Aktien der anderen Gesellschafter) hingewiesen. Nach seinem Vortrag wären die Pfändung der
Forderung wie auch Kontenpfändungen erfolgreich gewesen. Dies reiche zur
Schlüssigkeit aus.
Die
Beklagten hatten geltend gemacht, sie hätten 200 Anleger vertreten und eine
Zwangsvollstreckung für alle hätte unweigerlich einen Insolvenzantrag nach sich
gezogen. Sie wären allen Mandanten gegenüber in gleicher Weise verpflichtet,
weshalb sie nicht eine Maßnahme für den Kläger hätten durchführen können, die
diesem zwar nütze, den anderen aber schade. Insoweit wies der BGH darauf hin,
dass der Anwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter des Mandanten
sei und nur den Interessen des eigenen Mandanten gegenüber verpflichtet sei. Ein
Mandant dürfe bei Abschluss des Anwaltsvertrages von diesem Leitbild ausgehen.
Mit Annahme des Mandats würde der Anwalt erklären, die Interessen dieses
Mandanten unabhängig von Interessen Dritter wahrzunehmen. Will der Anwalt nur
eingeschränkt für den Mandanten tätig werden, habe er dies vorab dem Mandanten
mitzuteilen. Gleiches gelte für nachträgliche Interessenskonflikte, die nur ein
eingeschränktes Tätigwerden erlauben würden. Zu dieser Problematik müsste den
Parteien noch ergänzend die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt werden.
BGH, Urteil vom 07.09.2017 - IX ZR 71/16
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