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Sonntag, 17. Oktober 2021

Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren des Gläubigers trotz Klagedrohung ?

Wer bei Fälligkeit einer Forderung und Verzug (sei es durch Mahnung oder zulässige Frist nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht zahlt, wird häufig vor einer Zahlungsklage des Gläubigers eine anwaltliche Mahnung erhalten, deren Kosten der Gläubiger ersetzt haben will. Kann er diese aber in jedem Fall begehren ?

Der BGH musste sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltsgebühren befassen. Dem lag der Erwerb eines Diesel-Fahrzeuges durch den Kläger zugrunde, der durch anwaltliches Schreiben die Beklagte Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zur Erstattung des Kaufpreises aufforderte. Nach fruchtlosen Ablauf der dort gesetzten Frist erhob er Klage, mit der er u.a. die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 1.171,67 (in Form eines Freistellungsantrages) geltend machte. Während des Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgab, hat das Berufungsgericht – unter Zulassung der Revision – die Klage in Bezug auf die Anwaltsgebühren abgewiesen. Die Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass es sich bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten um einen Schadensersatzanspruch handele, der in erster Linie Sache des nach § 287 BBGB besonders frei gestellten Tatrichters sei und von daher nur dahingehend geprüft werden könne, ob dieser Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt habe, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt habe.

Ob und inwieweit der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Rechtsanwaltskosten erfasse müsse unter Beachtung des Unterschiedes zwischen dem Innenverhältnisses des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten (Geschädigten) und des Außenverhältnisses zwischen Geschädigten zum Schädiger entschieden werden. Voraussetzung sei stets, dass im Innenverhältnis ein Anspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten auf Zahlung der Gebühren bestehe und im Außenverhältnis mit Rücksicht auf seine spezielle Situation die konkrete anwaltliche Tätigkeit erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 22.01.2019 - VI ZR 403/17 -). Ob eine vorgerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts nach Nr. 2300 VV RVG auslöse oder als lediglich vorbereitende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug und daher mit der prozessualen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten sei, gehöre dem Innenverhältnis an und sei von Art und Umfang des erteilten Mandats abhängig. Sei der unbedingte Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung erteilt, würden bereits Vorbereitungsmaßnahmen diese Gebühr auslösen, auch wenn der Rechtsanwalt zunächst nur außergerichtlich tätig würde. In diesem Fall sei kein Raum für die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Nur wen sich der Auftrag an den Rechtsanwalt auf die die außergerichtliche Tätigkeit beschränke oder der Prozessauftrag nur unter der aufschiebenden Bedingung der erfolglosen außergerichtlichen Tätigkeit beziehe, entstehe die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG.

Dies sei vom Landgericht im Rahmen des § 287 ZPO berücksichtigt worden. Es habe ausgeführt, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, seinen Rechtsanwalt lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt zu haben oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Grundlage war das vorgelegtes außergerichtliches Schreiben des Rechtsanwalts, in dem er darauf hinwies, dass für den Fall, dass nicht innerhalb der Frist gezahlt würde oder kein angemessenes Vergleichsangebot erfolge, Klage erhoben würde. Dies sei ein Indiz gegen die Behauptung, es sei nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden. Zwar ließe sich aus der nach außen gerichteten Tätigkeit des Rechtsanwalts und der dort vorgenommenen Klageandrohung nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass er diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits unbedingt erteilten Klageauftrages ausübte oder ihm im Innenverhältnis tatsächlich zunächst nur eine Vertretungs- und kein (unbedingter) Prozessauftrag erteilt worden sei. Diese Unsicherheit gehe aber zu Lasten des Klägers, der darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen habe, dass er seinen Anwalt einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung erteilt habe.

BGH, Urteil vom 22.06.2021 - VI ZR 353/20 -

Montag, 21. September 2020

Neben- und/oder Hauptforderung: Die vorgerichtlichen Kosten des Anwalts

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Hierauf nahmen die Beklagten eine Teilregulierung (€ 526,96 von € 1.053,91) vor; eine Ausgleichung der Kosten des Klägers für dessen außergerichtliche anwaltliche Vertretung erfolgte nicht. Der von den Beklagten nicht ausgeglichene Restbetrag wurde vom Kläger klageweise geltend gemacht. Weiterhin beantragte er seine Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren aus einem Wert von € 1.053,91 mit € 201,71. Das Amtsgericht wies die Klage ab; die Berufung des Klägers wurde als unzulässig zurückgewiesen, da die notwendige Beschwer von über € 600,00 (§ 511 Abs. 2 ZPO) nicht erreicht sei. Die Rechtsbeschwerde wurde vom BGH als unbegründet zurückgewiesen. 

Der BGH konnte sich in diesem Verfahren mit den außergerichtlichen Anwaltsgebühren auseinandersetzen. Handelt es sich bei diesen um eine Nebenforderung, so haben sie keinen Einfluss auf den Streitwert; sollte es sich bei ihnen um eine Hauptforderung handeln, erhöhen sie sie Streitwert. 

Der Wert wird nach §§ 3ff ZPO bemessen. Der geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von vorgerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren erhöht als Nebenforderung dann nicht den Wert des Beschwerdegegenstandes (und damit entsprechend den Streitwert), soweit er neben der Hauptforderung geltend gemacht wird, für deren Rechtsverfolgung vorgerichtlich die Anwaltsgebühren angefallen sind (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). Wenn aber die Hauptforderung, für die die Anwaltsgebühren vorgerichtlich anfiel, nicht selbst Prozessgegenstand ist, handelt es sich bei diesen nicht um eine Neben- sondern um eine eigenständige Hauptforderung. Der BGH verweist darauf, dass entscheidend sei, dass die Hauptforderung selbst Prozessgegenstand sein muss, damit die darauf beruhenden Anwaltsgebühren als Nebenforderung anzusehen sind. 

Daraus folgt nach der nachvollziehbaren Entscheidung des BGH, dass der Freistellungsantrag des Klägers den Wert des Beschwerdegegenstandes (Streitwert) insoweit erhöht, soweit dieser Anspruch denjenigen Teil des vorprozessualen Sachschadens von € 1.053,91 betrifft, den die Beklagten vor Klageerhebung beglichen hatten und der damit nicht mehr streitgegenständlich war. 

Da der Kläger seinen gesamten Sachschaden ersetzt haben wollte, machte er auch aus diesem Wert seinen Freistellungsanspruch geltend. Da allerdings ein Teil des Sachschadens vorgerichtlich reguliert wurde sei der Wert des Anteils der Anwaltsgebühren durch eine Differenzberechnung zu ermitteln um festzustellen, inwieweit der Freistellungsantrag eine eigenständige Hauptforderung darstellt. Hierbei seien von den vorgerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren diejenigen (fiktiven) Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Anwalt auch vorprozessual den Anspruch auf Schadensersatz wegen des Sachschadens nur in der Höhe geltend gemacht hätte, wie er nunmehr Gegenstand der Klage ist.  Richtig sei zwar der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger der Gegenstandswert zugrunde zu legen sei, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspräche (BGH, Urteil vom 05.12.2017 - VI ZR 24/17 -) und dass bei einer nicht begründeten Zuvielforderung keine anteilige Kürzung der zuzusprechenden Anwaltsgebühren erfolge sondern eine Berechnung auf Basis der zugesprochenen Hauptforderung, doch würde sich daraus kein Schluss zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenforderung ziehen lassen. 

Das Landgericht hatte den Wert der für die Nebenforderung zugrundezulegenden Anwaltsgebühren aus dem Wert der Klageforderung von € 526,96 mit (richtig) € 147,56 angenommen. Bei einem Wert von € 1.053,92 würden Anwaltsgebühren von € 201,71 anfallen. Die Differenz bei den Anwaltsgebühren beträgt damit € 54,15. Dieser Betrag von € 54,15 würde damit auch nach Auffassung des BGH den Wert des Streitgegenstandes im Klageverfahren erhöhen (Sachschaden € 526,96 zuzüglich Freistellungsanspruch für vorgerichtliche Anwaltsgebühren mit € 54,15), weshalb die notwendige Beschwer (entsprechend dem Streitwert) unter der Beschwer von über € 600,00 nach § 511 Abs. 2 ZPO liegt. Die Berufung war mithin unzulässig.

BGH, Beschluss vom 07.07.2020 - VI ZB 66/19 -

Sonntag, 1. Mai 2016

Verzugsschaden: Nicht jeder Verzug begründet einen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten

Der Beklagte schuldete dem Kläger die Rückzahlung eines Darlehens bis zum 31.12.2012 (einem Montag). An dem 31.12.2012 erteilte der Beklagte seiner Bank einen Online-Überweisungsauftrag (am einem 31.12. wird in Banken ebensowenig wie an einem 24.12. gearbeitet; sogen. „Bankfeiertage“). Am 2.1.2013 beauftragte der Kläger seinen Anwalt, der mit Mail vom gleichen tag den Beklagten zur Zahlung bis zum 3.1.2013 aufforderte. Der Beklagte überließ in Kopie seinen Überweisungsauftrag. Die Gutschrift bei dem Kläger erfolgte am 4.1.2013 mit Wertstellung zum 2.1.2013.


Das Landgericht hat die auf Erstattung die Anwaltsgebühren gerichtete Klage abgewiesen, das OLG Karlsruhe hat ihr stattgegeben. Auf die zugelassene Revision erfolgte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

Der BGH geht in der Sache von einem Schuldnerverzug des Beklagten aus. Offen bleibe könne (weiterhin), ob mit der Zahlungsbewirkung oder erst mit dem Zahlungseingang ein Verzug ausgeschlossen wird, da jedenfalls auch der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 angenommen werden könne. Da der 31.12 ein „Bankenfeiertag“ sei und am 1.1. eines Jahres ein allgemeiner Feiertrag sei, wäre der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 anzunehmen, weshalb jedenfalls Verzug vorläge.

Allerdings hänge der Schadensersatzanspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren gem. § 286 Abs. 1 BGB von weiteren Voraussetzungen ab als z.B. die Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 BGB. Hier wäre erforderlich, dass aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Person in dieser Situation die Einschaltung eines Anwalts zur Wahrung und Durchsetzung der eigenen Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGHZ 127, 348, 350f).  Diese Voraussetzung war nach Ansicht des BGH im Streitfall nicht erfüllt.

Selbst wenn am 2.1.2013 die Gutschrift auf dem Konto des Klägers noch nicht erfolgt war, hätte er auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls von einer Mandatierung Abstand nehmen müssen.  Eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Person hätte hier die Möglichkeit gesehen, dass der Beklagte die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hat. So habe der Beklagte noch am 27.12.2012 unter Angabe des Kontos mitgeteilt, dass die Zahlung erfolgen würde. Da der 29.12. ein Samstag, der 30.12. ein Sonntag, der 31.12. ein bankenfreier Tag und der 1.1. wieder ein Feiertag gewesen sind, in Ansehung der Höhe der Überweisung mit € 50.000,00 auch mit einer manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, hätte der Kläger mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte seiner eigenen Ankündigung nicht folgen würde.


BGH, Urteil vom 25.11.2015 – IV ZR 169/14 -