Posts mit dem Label Kostenerstattung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Kostenerstattung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Erstattungsfähigkeit der zusätzlichen Kosten durch Anwaltswechsel ?

Immer wieder kommt es im Laufe eines Verfahrens (in einer Instanz) zu einen Anwaltswechsel, sei es, dass der Rechtsanwalt verstirbt, wegen Alters oder aus anderen Gründen seine Zulassung zurückgibt (oder zurückgeben muss), oder wegen Unzufriedenheit des Mandanten mit dem bisherigen Prozessbevollmächtigten. In diesen Fällen stellt sich im Falle des (auch teilweisen) Obsiegens dieser Partei die Frage, ob die dadurch verursachten Kosten (zusätzlich) gegen den Gegner im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt werden können. 

Im Kostenfestsetzungsbeschluss wurden nur die Kosten des zunächst die Beklagte vertretenen Rechtsanwalts berücksichtigt, nicht die Kosten des später mandatieren (neuen) Rechtsanwalts (der nach der neuen – höheren – Gebührenordnung abrechnete). Die dagegen von der Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Das OLG verwies zunächst auf ein die gesamte Privatrechtsordnung und das Prozessrecht beherrschende Prinzip von Treu und Glauben, welches das in § 91 ZPO verankerte Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung präge. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sei Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes kostensparender Prozessführung. Damit können Kosten, die durch einen Anwaltswechsel bedingt würden, nur erstattungsfähig sein, wenn sie notwendig gewesen wären, also nicht auf ein Verschulden der Partei oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts beruhen würden (BGH, Beschluss vom 22.08.2012 – XII ZB 183/11 -). Alleine eine objektive Notwendigkeit sei aber nicht ausreichend; hinzukommen müsste zudem deren Unvermeidbarkeit, die dann nicht gegeben sei, wenn die den Anwaltswechsel bedingenden Umstände für die Partei oder deren Rechtsanwalt vorhersehbar gewesen wären oder (willentlich) herbeigeführt worden seien.

Die Beklagte habe vorliegend die Notwendigkeit des Anwaltswechsels nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.

Vorliegend hatte die Beklagte allerdings nur die Kosten des zweitbeauftragten Rechtsanwalts zur Festsetzung angemeldet, an deren Stelle die Rechtspflegerin nur die Kosten des Erstanwalts berücksichtigte. Das würde nach Auffassung des OLG an den oben benannten Grundsätzen nichts ändern. Aus § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO folge nicht, dass diese den Erstattungsanspruch der obsiegenden Partei reduzierende Vorschrift nur zur Anwendung käme, wenn die Kosten von zwei Rechtsanwälten zur Festsetzung angemeldet würden. Es würde ganz allgemein geregelt, welche Rechtsanwaltskosten von dem unterliegenden Gegner zu erstatten seien. Nach den Gründen in der Gesetzgebung habe der Gesetzgeber das Prinzip zum Ausdruck bringen wollen, dass die Erstattungspflicht objektiv auf die Erstattung derjenigen Kosten beschränkt würde, soweit diese nach dem freien Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig gewesen wären („Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30. Januar 1877“, S. 197 zu § 85 CPO). Das Ermessen des Gerichts käme nach den Materialien auch in Bezug auf die Anwaltskosten zum Tragen, wenn die Partei „ohne Nothwendigkeit des Wechsels successive sich mehrerer Anwälte bedient“ habe (aaO. S. 198).

Damit sei bei der Kostenfestsetzung stets zu prüfen, ob möglicherweise nicht notwendige Mehrkosten zur Kostenfestsetzung angemeldet würden. Die Frage würde sich unabhängig davon stellen, ob die Kosten für zwei Rechtsanwälte oder für einen von zwei Rechtsanwälten angemeldet würden. Solche Mehrkoten könnten (wie hier) dadurch entstehen, dass die Mandatierung des zweiten Rechtsanwalts nach Änderung der Gebührenordnung (und Erhöhung der Gebühren, die bei dem ersten Rechtsanwalt insoweit nicht angefallen wären) erfolge.

Selbst wenn man annehmen wolle, dass § 92 Abs. 2 S. 2 ZPO tatbestandlich nicht einschlägig sei, wenn nicht Kosten mehrerer Rechtsanwälte im Rahmen der Kostenfestsetzung erstattet verlangt würden, würde dies keine andere Entscheidung rechtfertigen (entgegen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.07.2011 – OVG 1 K 118.08 -), da der Grundsatz kostensparender Prozessführung auch neben § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO selbständige Bedeutung habe. Es wäre also auch in diesem Fall zu fragen, ob das Verfahren kostensparender durch einen Rechtsanwalt hätte betrieben werden können.

OLG Celle, Beschluss vom 19.06.2023 - 2 W 75/23 -

Sonntag, 18. Dezember 2022

Schadensersatz: Auswirkung des Verschweigens nicht relevanter Vorschäden

Streitig waren die Schadensbeseitigungskosten an einem Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger hatte den Reparaturkosten sowie die Freistellung von Sahcverständigenkosten geltend gemacht. Nach Ansicht des Landgerichts (LG) war der Ersatzanspruch auf die von ihm nach Einholung eines Sachverständigengutachtens geschätzten Wiederbeschaffungskosten in Höhe von € 2.200,00 sowie den Freistellungsanspruch von eigenen Sachverständigenkosten zu beschränken. Auf die Berufung wies das Oberlandesgericht (OLG) nach § 522 ZPO darauf hin, dass es gedenke, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

An dem Fahrzeug befanden sich zum Unfallzeitpunkt Vorschäden. Diese Vorschäden seien, so das OLG, vom Kläger repariert worden und er habe dazu auch ausreichend bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung sowie zum Wiederbeschaffungswert vorgetragen. Den streitgegenständlichen Unfallschaden habe er selbst (durch gebrauchte Originalteile vom Schrottplatz) instandgesetzt. Ein Streifschaden, wie er auf einem Foto des Sachverständigen P. zu sehen sei, an der rechten Ecke des Stoßfängers, sei von ihm durch vorbeischrammen an einer Mauer entstanden (nicht unfallursächlich). Ob der Schaden im Rahmen der Unfallschadenreparatur von ihm ausgebessert worden sei, habe der Kläger nicht mehr angeben können; im Hinblick auf die ständige Instandsetzung ginge er aber davon aus, dass er den Schaden überlackiert habe.

Für die Darlegung des Wiederbeschaffungswertes sei es auch bei abgrenzbaren Vorschäden erforderlich, dass der Geschädigte zu den Vorschäden vorträgt. Der Wiederbeschaffungswert (also der Wert für ein vergleichbares Fahrzeug) ohne den Unfallschaden könne nur ermittelt werden, wenn der konkrete Zustand desbeschädigten Fahrzeuges zum Unfallzeitpunkt feststehen würde, insbesondere inwieweit der Wert zum Unfallzeitpunkt bereits durch Alt- und Vorschäden gemindert ist.

Die Abgrenzbarkeit von Vorschäden zu dem streitigen Unfallschaden sei für die Höhe der nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Reparaturkosten maßgeblich. Diese seien vorliegend relevant gewesen, um nachzuvollziehen, ob der Kläger (wie geschehe n) auf Reparaturkostenbasis abrechnen kann oder auf den Wiederbeschaffungswert beschränkt ist. Das vom LG eingeholte Sachverständigengutachten bezifferte die Reparaturkosten auf € 4.213,60. Den Vorschaden habe das LG im Hinblick auf die Lackierkosten des betroffenen Bauteils mit 50% angenommen. Im Übrigen habe der Sachverständige die Schäden am Fahrzeug des Klägers den Bauteilen und Beschädigungen zuordnen können.

Der Sachverständige habe nicht die Vorschäden und die Selbstreparatur des Klägers nicht in die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes einbezogen. Er sei nicht davon ausgegangen, dass sich das Fahrzeug in einem „einwandfreien technischen Zustand“ befunden und „lückenlos scheckheft-gepflegt“ gewesen sei, wie vom Kläger geltend gemacht. Zur Erstellung des schriftlichen Gutachtens habe er festgestellt, dass der Scheinwerfer und der Kühlergrill defekt und oberflächliche Schäden an der Lackierung vorhanden gewesen seien. Im Nachgang habe der Kläger ein Gutachten zu einem Schaden diesbezüglich vorgelegt, was allerdings nach Angabe des Sachverständigen nicht zu einer Änderung seines ermittelten Wiederbeschaffungswertes führe, da ein Fahrzeug mit dem Alter und der Laufleistung des klägerischen Fahrzeugs an einem Punkt angelangt sei, bei dem nicht mehr viel Wertverlust eintreten könne und kleinere Vorschäden keine Rolle mehr bei der Höhe des Wiederbeschaffungswertes spielen würden. Die Vorschäden seien zudem bereits zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Privatgutachter des Klägers instandgesetzt gewesen.

Im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Freistellung von den Kosten des von ihm beauftragten privaten Sachverständigen begehrte, stellte das OLG fest, dass diesem Vorschäden an dem Fahrzeug nicht mitgeteilt worden seien. Allerdings seien die Kosten des Sachverständigen auch dann vom Schädiger zu zahlen, wenn eine Unbrauchbarkeit vom Geschädigten (wegen Verschweigens von Vorschäden) nicht zu vertreten sei oder das Verschweigen nicht kausal geworden sei (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.02.2018 - 1 U 64/17 -). Dies sei aber hier nicht kausal geworden. Der Privatsachverständige des Klägers habe einen Wiederbeschaffungswert von € 7.000,00 angenommen und damit hätten die tatsächlichen Reparaturkosten von € 5.731,50 diesen nicht überschritten. Tatsächlich habe aber der Wiederbeschaffungswert, wie das gerichtlich eingeholte Gutachten zeigte, unter dem Wiederbeschaffungswert, was zur Beschränkung auf den tatsächlichen Wiederbeschaffungswert führe mit der Folge, dass der Kläger die fiktiven Reparaturkosten nicht erstattet verlangen könne. Der Fehler des privaten Sachverständigengutachtens sei dem Kläger nicht mit der Folge anzulasten, dass er nicht die dafür erforderlichen Kosten verlangen könne, da di verschwiegenen Vorschäden an der Front und der vorderen rechten Ecke nach Angaben des vom LG beauftragten Sachverständigen nicht hätten beeinflussen können.

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 11.04.2022 - I-7 U 33/21 -

Freitag, 17. Juni 2022

Vor und im Gerichtsverfahren eingeholtes Privatgutachten in der gerichtlichen Kostenfestsetzung

Immer wieder holen Parteien eines künftigen Prozesses bereits vorprozessual Sachverständigengutachten ein (insbesondere in Bausachen), um in einem späteren Verfahren auf sicheren Grundlagen zu stehen, sei es im Hinblick auf vom Auftraggeber behaupteten Mängeln, sei es zur Sicherung der (Rechts-) Ansicht durch den Auftraggeber, gemäß der eine Zahlung an den Auftragnehmer nicht erfolgen muss. Dabei gibt es verschiedene Zeitpunkte der Einholung: Dies kann schon sehr früh erfolgen (z.B. aus Anlass eines Abnahmeverlangens oder nach einem Abnahmetermin), sei es im Rahmen der folgenden Korrespondenz über streitige Mängel, im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Klage bzw. nach deutlicher Klageandrohung, aber auch durch den Beklagten nach Klagezustellung oder im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durch eine der Parteien oder beide Parteien. Immer wieder kommt es dann nach einem Urteil zum Streit, ob derartige Sachverständigenkosten für die obsiegende Partei erstattungsfähig sind (bei einem teilweise Obsiegen, ob sie bei einer Urteil oder Vergleich festgestellten Kostenquotelung bei der Kostenausgleichung und -festsetzung zu berücksichtigen sind).

Vorliegend hatte der Beklagte zwei Privatgutachten vor dem Prozess und eines begleitend während des Prozesses eingeholt. Im Rahmen der Kostenfestsetzung hatte der Rechtspfleger die Kosten von keinem der Gutachten berücksichtigt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Das zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufene OLG Hamm wies auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hin, demzufolge diejenigen Kosten des Rechtstreits erstattungsfähig seien, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Auch eingeholte Privatgutachten könnten zu diesen Kosten zählen, wenn es der Partei an einer eigenen Sachkunde ermangele und das Gutachten prozessbezogen sei. Prozessbezogenheit setze einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem gerichtlich ausgetragenen Rechtsstreit voraus.

1. Zu den vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachten sei erforderlich, dass sich der Rechtsstreit konkret abzeichne. Dass sei anzunehmen, wenn das Gutachten zur Beurteilung der Prozessaussichten, der Einstandspflicht und der Anspruchsmöglichkeiten eingeholt würde. Die Beauftragung müsse das „Wie“ der Prozessführung dienen. Die Einholung müsse von der Partei ex ante (also zum Zeitpunkt der Beauftragung) als sachdienlich angesehen werden dürfen.

a) Zum Zeitpunkt der Beauftragung des ersten Gutachtens durch den Beklagten habe es an der Prozessbezogenheit gefehlt, da - wie nachfolgende Schreiben dokumentieren würden - die außergerichtlichen Einigungs- und Erledigungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft gewesen seien. Das Gutachten habe der Feststellung von Mängeln der Werkleistungen gedient, die zur Grundlage von Schadenersatzansprüchen gegen die Klägerin gemacht werden könnten, und damit zur Feststellung von Gegenrechten. Dies gehöre zur Sphäre, „ob“ ein solches eingeholt werden soll, nicht aber „wie“ die Prozessführung erfolgen soll.

Anm. 1: Diese Ansicht des OLG ist richtig. Letztlich verhandelten die Parteien noch und der Beklagte war bemüht, sich Argumente für seine Verhandlungsposition zu verschaffen. Auch wenn damit die Möglichkeit bestand, einen Rechtsstreit abzuwenden, diente es nicht der späteren Prozessführung, auch wenn es bei dieser nützlich werden könnte, da ein solcher Rechtsstreit gerade noch nicht abzusehen war. Ob gegebenenfalls ein materieller Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin bestand (z.B. § 631 BGB iVm. § 280 BGB) ist für die Beurteilung im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 91 ZPO bzw. der Kostenausgleichung nach § 92 ZPO ohne Bedeutung.

2. Bei dem zweiten Gutachten soll es sich um die Kosten des Sachverständigen für seine Teilnahme an einem Ortstermin vor dem Rechtsstreit gehandelt haben, in dem der Sachverständige die Kosten seiner Teilnahme, die Erstellung einer Beweissicherung und Dokumentation abrechnete. Erst im Ortstermin habe sich herausgestellt, dass sich die Parteien nicht über die Verantwortlichkeit der Klägerin hätten einigen können. Die Erstellung der Beweissicherung und Fotodokumentation sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen. Es hätte ausgereicht, die am Tag des Ortstermins noch fortbestehenden Mängel, die im vorherigen Gutachten benannt wurden, zum Gegenstand des Rechtstreits zu machen. Über das vorgehende Gutachten hinaus habe der Sachverständige nur einen Zustand beschrieben; es sei auch dem Beklagten möglich gewesen, diese Symptome für einen Mangel in das Verfahren ohne gutachterlichen Beistand einzuführen.

Anm. 2: Damit handelt es sich hier ersichtlich auch nur um Aufwendungen des Beklagten, mit denen er seine Rechtsposition sichern wollte, nicht aber „wie“ er den Prozess führen will. An dieser Stelle - wenn es dem Beklagten um eine gerichtsverwertbare sichere Beweissicherung ging - hätte er ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 ZPO durchführen können, also einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen müssen. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahren sind Kosten des (späteren) gerichtlichen Verfahrens, wenn sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren, §§ 493 Abs. 1 iVm. 91 ZPO

3. Die weiteren vom Beklagten geltend gemachten Sachverständigenkosten betrafen ein prozessbegleitend eingeholtes Privatgutachten (Zustellung der Klageschrift am 25.07.2012, gutachterliche Stellungnahme vom 04.09.2912). Es handele sich, so das OLG, um notwendige Kosten, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit geboten sei, da der Partei andernfalls eine gerichtlich geforderte Substantiierung nicht möglich wäre oder die Partei ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten nicht überprüfen, insbesondere Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht formulieren könne (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO).

Das OLG sah keinen Grund darin, dass der Beklagte durch dieses Gutachten eine detaillierte mangelbezogene Kostenschätzung erstellen ließ, da bereits im ersten Gutachten eine Mangelsumme von € 30.000,00 geschätzt hatte, worauf sich der Beklagte hätte beziehen können. Über die detaillierten Mängel habe das Gericht Beweis zu erheben und in diesem Zusammenhang die Beweisaufnahme auch auf die Höhe der geltend gemachten Gegenansprüche erstrecken müssen. Die detaillierte Aufstellung habe zwar auch Kosten beinhaltet, die in der Kostenschätzung nicht enthalten gewesen seien, doch könne das OLG im Rahmen einer Schätzung (§ 287 ZPO) nicht ermitteln welcher Zeitaufwand darauf entfallen sei.

Anm. 3: Hier wirken sich für den Beklagten die vorgerichtlich eingeholten Gutachten zu seinem Nachteil aus. Da das erste Gutachten bereits eine Kostenschätzung enthielt, kam es auf die (detaillierte) Kostenschätzung im dritten Gutachten nicht an, da offensichtlich auch das Landgericht im Verfahren keine Detaillierung verlangte. Wäre das dritte Gutachten nach einem Hinweis des Landgerichts (§ 139 ZPO) zu einer seiner Ansicht nach notwendigen Detaillierung eingeholt worden, wären die Kosten des Gutachtens erstattungsfähig gewesen. Zwar waren im dritten Gutachten auch Mängelpositionen mit Kostenbeträgen versehen worden, die bei dem ersten Gutachten noch nicht berücksichtigt wurden, doch konnte hier das OLG Kosten für dieses Gutachten auch nicht teilweise zusprechen, da nicht ersichtlich war, welcher Zeitaufwand (gegenüber dem abgerechneten Gesamtzeitaufwand für das Gutachten als solches) auf diese Positionen entfiel. Auch wenn das OLG von einer Schätzung spricht, gilt auch hier, dass eine Schätzung nach § 287 ZPO nicht ins Blaue hinein erfolgen darf, sondern konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, die gegebenenfalls vorzutragen sind (BGH, Urteil vom 08.05.2012 - VI ZR 37/11 unter II.3.a).

Es ist zwar verständlich, dass bei zu befürchtenden hohen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung der Besteller einer Werkleistung (wie hier) sicher gehen will, dass die von ihm angenommenen Mängel tatsächlich bestehen, wenn sie vom Auftragnehmer nicht anerkannt werden. Er läuft aber in diesem Fall Gefahr, dass er die Kosten des Gutachtens selbst zu tragen hat, jedenfalls nicht über eine Kostenfestsetzung erstattet verlangen kann, wobei ein möglicher materieller Anspruch im vorliegenden Fall möglicherweise verjährt sein dürfte. Die Einholung mehrerer Gutachten, gar vor einem Prozess, zu denselben Themenbereich ist auch unverständlich, ebenso ein Gutachten, in dem der Sachverständige zwar Symptome aufzeigt (die auch die Partei selbst sieht), aber nicht den Mangel (mangels Prüfung) feststellt. Hätte der Beklagte nach Zustellung der Klage oder endgültiger Mitteilung der Gegenseite, dass nunmehr Zahlungs- oder Abnahmeklage erhoben würde, ein Gutachten zur Feststellung der Mängel und zu den Kosten der Beseitigung eingeholt, um so seine Verteidigung an Hand des Gutachtens einzurichten, wäre eine Erstattungsfähigkeit zu bejahen gewesen, da der Beklagte offensichtlich keine eigenen Erfahrungen hatte. Im Übrigen hätte vor einem Rechtstreit bereits ein selbständiges Beweisverfahren beantragen können (s.o. Anmerkung 2), was - selbst wenn es für ihn ungünstig verläuft - jedenfalls nicht Mehrkosten verursacht hätte, sondern bei günstigen Ausgang erstattungsfähige Kosten gesichert hätte.

OLG Hamm, Beschluss vom 08.02.2022 - I-25 W 214/21 -

Sonntag, 17. Januar 2021

Kostenerstattungsanspruch für Inkassodienstleister nach vorheriger Inanspruchnahme eines Mietervereins ?

 

Die Klägerin, ein Inkassounternehmen, machte für den Mieter vergeblich außergerichtlich bei dem Vermieter einen angeblichen Verstoß gegen §§ 556d ff BGB (Begrenzung der Miethöhe bei Mietbeginn) geltend, nachdem zuvor der Mieter selbst und in der Folge ein von dem Mieter beauftragter Mieterverein dies bereits ohne Erfolg unternommen hatten. Im Anschluss daran erhob die Klägerin Klage. Im Rahmen der Klage machte sie ihre außergerichtlichen Kosten geltend. Diese Kosten wurden ihr nicht zuerkannt.

Das Landgericht wies darauf hin, dass die von der Klägerin zur Rechtfertigung ihres Anspruchs benannte Entscheidung des BGH vom 17.09.2015 - IX ZR 280/14 - nicht einschlägig sei. Diese Entscheidung habe nur die Kosten durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts betroffen, die die (nacheinander erfolgte) Beauftragung von zwei unterschiedlichen Rechtsdienstleistern. Zudem habe der BGH dort ausgeführt, die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Erledigung könne (nicht müsse) sich anbieten.

Da vorliegend bereits der Mieter selbst vorgerichtlich als auch der von ihm beauftragte Mieterverein vergeblich einen Verstoß des Vermieters gegen §§ 556d ff BGB geltend gemacht hätten, wäre aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht die Einschaltung der Klägerin nicht mehr erforderlich gewesen. Das Landgericht verglich dies wertungsmäßig mit der Rechtslage bei vorgerichtlicher Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts oder der Beauftragung eines Rechtsanwalts nach zuvor erfolgloser Inanspruchnahme des Gegners durch einen Mieterverein. In beiden Fällen würde ein Kostenerstattungsanspruch für den Zweibeauftragten entfallen, da dies in Ansehung der vorangegangenen erfolglosen Tätigkeit des zunächst beauftragten Rechtsdienstleister nicht mehr als erforderlich nach §§ 249 Abs. 1, 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB angesehen werden könne.

LG Berlin, Beschluss vom 22.10.2020 - 67 S 266/19 -

Mittwoch, 9. Mai 2018

Wohnungseigentum: Wann hindert § 50 WEG die Festsetzung von Anwaltsgebühren gegen den unterlegenen Kläger bei Einzelvertretung von einem der Beklagten ?


Es kommt häufiger vor als manchmal gedacht: Da klagt ein Miteigentümer gegen die übrigen Miteigentümer einer WEG (z.B. Beschlussanfechtungsklage) und die einzelnen verklagten Miteigentümer beauftragen jeder für sich einen Anwalt zu ihrer jeweiligen Vertretung. Wird die Klage abgewiesen ist damit idR. auch eine Kostenentscheidung dahingehend verbunden, dass die Kosten der Beklagten vom Kläger zu tragen sind. Allerdings werden die Beklagten spätestens im Rahmen der Kostenfestsetzung staunen, wenn sie nicht jeweils die ihnen von ihrem jeweiligen anwaltlichen Vertreter in Rechnung gestellten gebühren gegen den Kläger festgesetzt erhalten.

Anlass auf diesen Umstand hinzuweisen gibt eine Entscheidung des LG Köln.  Nach einem nicht näher dargelegten Rechtstreit in einer Wohnungseigentumssache hatte der Rechtspfleger einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, in dem er die Kosten der Beklagten zu 2. beider Instanzen gegen die  Klägerin festsetzte. Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Amtsgericht diese Entscheidung aufgehoben. Hiergegen wandte sich nun die Beklagte zu 2. mit ihrer sofortigen Beschwerde. Dieser wurde vom Amtsgericht nicht abgeholfen; das Landgericht wies sie zurück.

Die Beklagte zu 2. argumentierte, es habe innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft Streit zu dem der ursprünglichen Klage zugrunde liegenden Sachverhalt gegeben, weshalb der Beklagte zu 2. Ein eigenständiges Interesse daran gehabt habe, selbst auf den Verlauf des Rechtsstreits Einfluss zu nehmen. Dem folgte das Landgericht nicht. Grundlage sei hier § 50 WEG. Danach seien den Wohnungseigentümern „zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war“. Nach Auffassung des Landgerichts hätten die Erwägungen des Beklagten zu 2. nicht die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts rechtfertigen können, da es allen Beklagten in der Sache um die Abwehr der Beschlussanfechtung und des gleichzeitig gestellten Verpflichtungsantrages gegangen sei. Damit seien aber Interessensgegensätze bei Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten nicht ersichtlich. Streitigkeiten innerhalb der (beklagten) Wohnungseigentümer zur Thematik der Klage würden hier eine getrennte Beauftragung von Anwälten nicht rechtfertigen können.

Anmerkung: Die hier vom LG Köln dargelegten Grundsätze entsprechen der herrschenden Meinung und Rechtsprechung und lassen sich auch aus § 50 WEG unschwer ableiten; die Norm bezweckt die Begrenzung des Kostenrisikos. Eine eigenständige Beauftragung von Anwälten durch verklagte Wohnungseigentümer ist nur dann möglich, wenn ein gemeinsamer Prozessbevollmächtigter in einen Interessenswiderstreit geraten würde. Dies wäre objektiv festzustellen und ist dann nicht der Fall, wenn – wie hier – die Abwehr der Beschlussanfechtung (verbunden mit dem Verpflichtungsantrag) gewollt ist; ein möglicher allgemeiner Streit innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft und/oder auch mit der WEG-Verwaltung wie auch ein konkreter Streit zur fraglichen Thematik, wenn gelichwohl die Abwehr begehrt wird, reicht nicht aus.

Bei Beauftragung eines Rechtsanwalts durch einen einzelnen verklagten Wohnungseigentümer wird man allerdings auch eine Hinweispflicht des beauftragten Rechtsanwalts annehmen müssen, bei dessen Unterlassen er ggf. keinen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Mandanten hat, wenn davon auszugehen ist, dass dieser den von den übrigen Eigentümern (oder vom WEG-Verwalter) gewählten Anwalt ebenfalls beauftragt hätte. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte wäre davon für den Fall eines entsprechenden Hinweises auszugehen.

Beauftragt der WEG-Verwalter keinen (gemeinsamen) Anwalt mit der Rechtsverteidigung und jeder verklagte Wohnungseigentümer einen eigenen, wird man den am Verfahren als Beklagte beteiligten Wohnungseigentümern nur eine entsprechende Quote entsprechend ihrer fiktiven Beteiligung an der Beauftragung eines einzigen Anwalts (unter Beachtung des Mehrvertertungszuschlags) zubilligen können.

LG Köln, Beschluss vom 21.08.2017 - 29 T 66/17 -

Donnerstag, 4. Mai 2017

Keine Kostenerstattung für Privatgutachten für „Sachkundigen“ in einem Prozess

Zur Unterstützung des eigenen Sachvortrages (z.B. in Bezug auf eine fachspezifische Marterie) oder zur Stellungnahme auf ein (für die Partei negatives), vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten werden häufig von den Parteien Gutachten zur Stützung der eigenen Ansicht eingeholt. Holt eine Partei ein Privatgutachten ein, so kommt es auch vor, dass die andere Partei ebenfalls ein Gutachten einholt. Muss aber die im Rechtsstreit unterlegende Partei nach § 91 ZPO stets die so bei der anderen Partei entstandenen Gutachterkosten tragen ? Die Rechtsprechung dazu ist beinahe unübersichtlich. Nunmehr  hat der BGH zu einem Fall Stellung bezogen, in dem ein Bauunternehmer in Ansehung eines von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten auch ein solches einholte. Diese dem klagenden. Bauunternehmen entstandenen Kosten wurden als nicht erstattungsfähig behandelt.

Die Beklagten hatten im Laufe des Verfahrens zwei von ihnen vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten zu Mängeln und fehlenden Ausführungsarbeiten vorgelegt. Das klagende Bauunternehmen beauftragte daraufhin selbst einen Sachverständigen, um dieses den Privatgutachten der Beklagten entgegenzuhalten. Der Rechtspfleger hatte die dem Bauunternehmen entstandenen Kosten bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt. Die Beschwerde der Beklagten dagegen war erfolgreich. Das zugelassene Rechtsbeschwerdeverfahren des klagenden Bauunternehmens blieb erfolglos.

Der BGH folgt dem Beschwerdegericht in dessen Ansicht, dass grundsätzlich die Kosten von Privatgutachten nicht erstattungsfähig sind. Lediglich dann, wenn sie sachbezogen wären und die eigene Sachkunde der Partei nicht ausreiche, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweisantrag zu stellen oder Angriffe des Gegners abzuwehren, könne eine Erstattungsfähigkeit im Einzelfall angenommen werden.

Vorliegend käme es nicht darauf an, ob das vom Bauunternehmen vorgelegte Gutachten als gewichtig anzusehen wären. Dies selbst dann nicht, wenn das Gutachten die Rechtsposition des klagenden Bauunternehmens im Rechtstreit positiv beeinflusst haben sollte, da die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht damit verbunden sei, ob es den Rechtsstreit beeinflusst habe. Entscheidend sei, ob die Partei die Einholung eines Gutachtens zum Zeitpunkt der Einholung und der Kosten dafür als sachdienlich ansehen durfte und ob die Partei selbst in der Lage gewesen wäre, auch ohne Gutachten substantiiert Stellung zu nehmen. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, dass ein Gutachten bei Gericht als gewichtiger angesehen würde als Parteivortrag, sei zu verneinen; das Gericht sei verpflichtet, Sachvortrag (egal ob Parteivortrag oder durch Gutachten unterstützten Parteivortrag) zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.

Das klagende Bauunternehmen könne sich hier nicht auf eine „Waffengleichheit“ berufen, da das klagende Bauunternehmen aus eigener Sachkunde und ohne Hilfe eines Sachverständigen in der Lage sei, zu den streitigen Punkten Stellung zu nehmen und so die Privatgutachten der Beklagten hätte widerlegen können.


Anmerkung: Die Entscheidung des BGH wurde kritisiert, da Gerichte (was sicherlich zutreffend ist) regelmäßig mehr Gewicht auf ein vorgelegtes Sachverständigengutachten als auf Parteivortrag legt. Da aber nach Art. 103 GG auch die Gegenargumente zu hören und zu beachten sind, hat es eventuell selbst ein Gutachten einzuholen. Ob gegen eine darauf beruhende Bewertung, die negativ für die sachkundige Partei ausgeht, diese mit einem eigenen Gutachten ihre Berufung stützen kann, stand nicht zur Entscheidung. Dogmatisch richtig ist, dass grundsätzlich der Sachkundige, anders als der Laie, die Grundlagen kennt und selbst beurteilen kann.

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – VII ZB 18/14 -