Donnerstag, 1. März 2018

Räumungsverfügung gegen Dritte im Gewerberaummietverhältnis


Der Verfügungskläger ist Eigentümer eines Grundstücks, welches er zum Betrieb eines Hotels und Restaurants nebst Wirtewohnung an eine Gesellschaft vermietet hatte. Die Gesellschaft und die in dem Objekt wohnenden natürlichen Personen (mit Ausnahme der Verfügungsbeklagten) wurden zur Räumung und Herausgabe an die Verfügungsklägerin verurteilt. Nach Ankündigung der Räumungsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erhob die Verfügungsbeklagte Vollstreckungsgenklage, mit der sie geltend machte, sie halte sich dauerhaft in den Räumen mit ihren Kindern auf und habe keine Ersatzräume. Auf ihren Antrag stellte das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung einstweilen ein.

Der Verfügungskläger beantragte beim Landgericht, der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren zu gebieten, die fragliche Fläche zu räumen und an ihn herauszugeben. Die Verfügungsbeklagte habe ihm gegenüber kein Besitzrecht. Das Landgericht bejahte den Anwendungsbereich des § 940a Abs. 2 ZPO und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Das OLG bejahte das Vorliegen von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund und bejahte in diesme Zusammenhang die Anwendbarkeit des § 940a ZPO.  Nach dieser Norm kann der Vermieter, der gegen seinen Mieter und bekannte Dritte, die in dem Objekt wohnen bzw. dieses nutzen, ein Räumungsurteil erstritten hat, im Wege der einstweiligen Verfügung die Räumung auch von Dritten begehren, die das Objekt nutzen, wenn ihm dies erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt wird.  Es wich hier von anderen Entscheidungen ab, namentlich des OLG Celle vom 24.11.2014 - 2 W 237/14 -, des OLG München vom 10.04.20154 –-23 U 773/14 - und des KG vom 05.09.2013 - 8 W 64/13 -, die eine Anwendbarkeit des § 940a Abs. 2 ZPO auf gewerbliche Mietverhältnisse ablehnen. Nach dem Wortlaut bezieht sich § 940a ZPO nur auf Wohnraum.

Das OLG Dresden nimmt aber eine entsprechende Anwendbarkeit an. Es schließt sich der teilweise in Rechtsprechung (so LG Hamburg vom 27.06.2013 – 334 O 104/13 -, LG Krefeld vom 08.03.2016 – 2 S 60/15 – und in Teilen der Literatur vertretenen Rechtsansicht an, § 940a ZPO beinhalte eine Wertung auch hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erlass einer Räumungsverfügung im Bereich der gewerblichen Miete. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Norm des § 940a Abs. 2 ZPO nur den Erlass einer Räumungsverfügung bei Wohnraum habe erweitern wollen, habe dies Auswirkungen auf das Bestehen eines Verfügungsgrundes nach §§ 935, 940 ZPO bei Geschäftsräumen. Denn vom Ausgangspunkt her richte sich der Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO. Im Wohnraummietrecht sei durch § 940a Abs. 2 ZPO dieser Verfügungsgrund dahingehend eingeschränkt, dass auch die weiteren Voraussetzungen dieser Norm vorliegen müssten.  Die Erweiterung des § 940a ZPO durch die Einfügung von Abs. 2 habe demzufolge nicht nur den Ausnahmetatbestand für eine Räumungsverfügung im Wohnraum erweitert, sondern zeige auch, dass der Gesetzgeber den dadurch geschaffenen Verfügungsgrund als von §§ 935, 940 ZPO umfasst ansähe. Der Gesetzgeber würde aufzeigen, dass der in § 940a Abs. 2 ZPO enthaltene Verfügungsgrund selbst dann eingreifen könne, wenn die für den Wohnraum aufgestellten strengeren Maßstäbe des §940a ZPO nicht vorliegen würden. Lassen aber §§ 935, 940 ZPO den Verfügungsgrund des § 940a Abs. 2 ZPO mit den strengen Maßstäben des § 940a ZPO für Wohnraum  zu, sei die Annahme gerechtfertigt, dass dies erst Recht im Rahmen der weniger strengen allgemeinen Maßstäbe der §§ 935, 940 ZPO auch § 940a Abs. 2 ZPO gelten müsse. Die Regelung des § 940 ZPO enthalte auch eine Öffnungsklausel, denn sie lasse eine Regelungsverfügung auch dann zu, wenn dies „aus anderen Gründen“ nötig erscheine, weshalb die Wertung des Gesetzgebers mit der Einführung des § 940a Abs. 2 ZPO im Bereich der gewerblichen Miete berücksichtigt werden könne.

Anmerkung: Eine Rechtssicherheit besteht hier weder für den Vermieter noch für den Nutzer.  Gleichwohl könnte es für den Vermieter bedeutsam sein, das schnellere Verfahren der einstweiligen Verfügung zu nutzen, als einen evtl. langwierigen Prozess gegen den Nutzer anstrengen zu müssen.

OLG Dresden, Urteil vom 29.11.2017 - 5 U 1337/17 -
Aus den Gründen:


Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 24.240,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) wendet sich gegen die von der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz mit Urteil vom 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) erlassene Räumungsverfügung.
Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) ist Eigentümer des L... Str. ... und F... Str. ... in H. gelegenen Grundstücks, das er zum Betrieb eines Restaurants und Hotels einschließlich Wirtewohnung an die H... & F... KG verpachtet hatte. Die Pacht betrug zuletzt monatlich 2.020,00 €. Seit Januar 2013 erhält der Kläger keinerlei Pachtzahlungen mehr für das Objekt. Zwischenzeitlich nimmt der Abwasserzweckverband „XXX“ den Kläger auf Zahlung von Gebühren für Schmutz- und Abwasser für das streitgegenständlichen Objekt in Anspruch (Anlagen K 13, K 14).
Der Senat hat mit Urteil vom 27.01.2017 (5 U 645/16) die H... & F... KG sowie sieben namentlich aufgeführte natürliche Personen, die im Objekt wohnten - zu denen jedoch nicht die hiesige Beklagte zählte -, als Gesamtschuldner verurteilt, dieses zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Außerdem hat der Senat Frau K. S., eine gewerbliche Untermieterin der H... & F... KG, verurteilt, den im Erdgeschoss F... Str. ... gelegenen Friseursalon zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Nach Ankündigung des Gerichtsvollziehers, die Räumungsvollsteckung vorzunehmen, erhob die Beklagte vor dem Amtsgericht Döbeln gegen den hiesigen Kläger Vollstreckungsgegenklage, beantragte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Senates und trug vor, sie halte sich dauerhaft mit ihren beiden Kindern in den Räumen auf. Ersatzräume seien nicht vorhanden, bei Räumung würden sie und ihre Kinder obdachlos. Das Amtsgericht Döbeln stellte mit Beschluss vom 18.05.2017 (3 C 458/17) die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Senates einstweilen ein. Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom dem Amtsgericht Döbeln am 10.09.2017 die Vollstreckungsgegenklage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Amtsgericht der hiesigen Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Der Kläger hat beim Landgericht Chemnitz beantragt, der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren zu gebieten, die Gebäude- und Grundstücksflächen L... Str. ... und F... Str. ... in H. zu räumen und an ihn herauszugeben. Er erleide dadurch, dass er trotz rechtskräftigen Räumungsurteils die Immobilie nicht zurückerlange, einen sehr hohen finanziellen Schaden. Demgegenüber stehe der Beklagten ihm gegenüber kein Besitzrecht zu. Nach eigenen Angaben halte sich die Beklagte in dem Anwesen dauerhaft auf und sei dort polizeilich gemeldet, was er mit Nichtwissen bestreite; sie habe aber offenbar nicht einmal mit der Pächterin einen Nutzungsvertrag über die von ihr genutzten Räume abgeschlossen.
Das Landgericht hat die Beklagte am 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) verurteilt, die Gebäude- und Grundstücksflächen L... Str. ... und F... Str. ... in H. zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Der Anwendungsbereich des § 940a Abs. 2 ZPO sei vorliegend eröffnet, da das streitgegenständliche Anwesen auch zu Wohnzwecken genutzt werden könne und die Beklagte ersichtlich eine diesbezügliche Nutzung - ohne hierzu berechtigt zu sein - vornehme.
Gegen das den Parteien am 01.09.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit anwaltlichem Telefax am 18.09.2017 Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Sie meint, § 940a Abs. 2 ZPO sei nicht anwendbar, da es sich um ein Gewerberaummietverhältnis handele. Die Wohnraumnutzung sei untergeordnet, anderenfalls wären das Landgericht und das Oberlandesgericht nicht zuständig gewesen. Hinzu komme, dass es an der für eine Regelung im Eilverfahren erforderlichen besonderen Dringlichkeit fehle. Einstweilige Verfügungen, die zu einer uneingeschränkten Befriedigung des Hauptsacheanspruchs führten, seien außerhalb des Anspruchs wegen widerrechtlicher Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht, die vorliegend nicht gegeben sei, nur ausnahmsweise zulässig. Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles habe der Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Mit Schriftsatz vom 13.10.2017 hat die Beklagte auf Nachfrage des Senates mitgeteilt, ein Umzug in die beginnend ab August angemietete Ersatzwohnung sei noch nicht erfolgt und deshalb noch keine Rückgabe/Besitzaufgabe der streitgegenständlichen Flächen. In der mündlichen Verhandlung des Senates am 29.11.2017 hat die Beklagte diesbezüglich ergänzend ausgeführt, sie müsse die Wohnung erst sanieren und habe noch nicht sämtlichen Hausrat in diese einbringen können. Um die von ihr in dem streitgegenständlichen Objekt genutzten Räume zu erreichen, müsse sie dieses durchqueren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Chemnitz, Az. 4 O 814/17, vom 29.08.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat das angefochtene Urteil verteidigt und ergänzend vorgetragen, er habe zwischenzeitlich seine Immobilie besichtigen können, allerdings habe ihm die Beklagte die von ihr bewohnten Räume nicht zugänglich gemacht. Aufgrund der Besichtigung habe sich für ihn ergeben, dass die Beklagte am Hotelbetrieb, der ohnehin allenfalls einen geringfügigen Umfang habe, nicht beteiligt sei, sondern „nur“ einige Räume des Anwesens bewohne. Diese seien ihr von seiner Pächterin überlassen worden. Hiervon habe er erst Kenntnis erhalten, als er die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Senates (5 U 645/16) betrieben habe. Das Verfahren vor dem Amtsgericht Döbeln (3 C 458/17) sei zwischenzeitlich beendet. Ihm fehlten seit 2013 die Pachteinnahmen aus dem Objekt, er müsse jedoch die erheblichen Wassergebühren zahlen und ihm entstünden durch die Nutzung laufend weitere Kosten, was ihm nicht zuzumuten sei. Eine Wohnraumstreitigkeit liege nicht vor, der Mitbesitz der Beklagten habe seine Grundlage im Pachtvertrag zwischen dem Kläger und der H... & F... KG, dessen Schwerpunkt die Nutzung des Anwesens für einen Hotel- und Restaurantbetrieb sei. Wohnnutzungen seien nur in geringfügigem Umfang einer Wirtewohnung vorgesehen. Dennoch finde § 940a Abs. 2 ZPO Anwendung.
II.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, das streitgegenständliche Objekt zu räumen.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Verfügungsanspruch i.S.d. §§ 935, 940 ZPO zu.
Der Kläger kann von der Beklagten gem. § 546 Abs. 2 BGB die Räumung des streitgegenständlichen Pachtobjektes verlangen, denn sein Pachtvertrag mit der H... & F... KG ist jedenfalls wegen der von ihm ausgesprochenen Kündigung beendet, worüber der Senat mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Urteil vom 27.01.2017 (5 U 645/16) entschieden hat.
2. Darüber hinaus liegt auch der erforderliche Verfügungsgrund vor.
Zwar ist die Beklagte nicht bereits deswegen zur Räumung und Herausgabe verpflichtet, weil sie sich den Besitz im Wege verbotener Eigenmacht i.S.d. §§ 861, 862 BGB verschafft hätte (Rechtsgedanke des § 940a Abs. 1 ZPO), denn der Senat geht mit dem Kläger - ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte sich jeglichen Sachvortrags dazu enthalten hat, wer ihr wann unter welchen Umständen Mitbesitz an dem Objekt eingeräumt hat - davon aus, dass der Gebrauch des Pachtobjektes der Beklagten von der (Haupt-)Pächterin überlassen wurde. Allerdings greift nach Meinung des Senates der Rechtsgedanke des § 940a Abs. 2 ZPO auch im Falle der Räumung eines - wie hier - überwiegend zu gewerblichen Zwecken vermieteten Objektes ein (dazu a), dessen Voraussetzungen erfüllt sind (dazu b) und es bedarf grundsätzlich keiner zusätzlichen Anforderungen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, die vorliegend jedoch erfüllt wären (dazu c).
a) Der Rechtsgedanke des § 940a Abs. 2 ZPO ist auch im gewerblichen Mietrecht zu berücksichtigen.
Vor der Schaffung von § 940a Abs. 2 ZPO mit Wirkung ab dem 01.05.2013 durch das Mietrechtsänderungsgesetz vom 11.03.2013 ermöglichte die Regelung in §§ 935, 940 ZPO grundsätzlich den Erlass einer Räumungsverfügung im gewerblichen Mietrecht. Nur im Wohnraummietrecht war die Räumungsverfügung gemäß § 940a BGB in der bis 30.04.2013 gültigen Fassung auf die Fälle der verbotenen Eigenmacht und der konkreten Gefahr für Leib oder Leben beschränkt. Dennoch wurde im Bereich der Gewerberaummiete nur in Sonderfällen ein Verfügungsgrund angenommen. Eine Sicherungsverfügung nach § 935 ZPO scheiterte regelmäßig daran, dass die (Weiter-)Nutzung des Mietobjektes nicht zur „Veränderung des bestehenden Zustandes“ führte und die Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung nicht drohte (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 26.07.2000 - 2 W 58/00 -, NZM 2001, 194). Für die Regelungsverfügung nach § 940 ZPO fehlte es regelmäßig am Drohen wesentlicher Nachteile oder an sonstigen gleichwertigen Gründen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.02.2009 - 10 W 14/09 -, NZM 2009, 818). Hinter der restriktiven Haltung der Gerichte stand wohl auch ihr Unbehagen gegenüber der mit der Räumungsverfügung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. zu diesem Aspekt: Hinz, NZM 2005, 841, 855).
Die mit Wirkung ab 01.05.2013 in Kraft getretene Vorschrift des § 940a Abs. 2 ZPO regelt nunmehr, dass die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden darf, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. Die Vorschrift dient der vereinfachten Durchsetzung von Räumungstiteln, indem sie eine „ergänzende“ Räumungsverfügung gegen Dritte zulässt (vgl. BT-Drucks. 17/10485 S. 34). Seit ihrem Inkrafttreten ist umstritten, ob sie Auswirkungen auf die Voraussetzungen für den Erlass einer Räumungsverfügung im gewerblichen Mietrecht hat. Einigkeit herrscht darüber, dass eine unmittelbare Anwendung nicht in Betracht kommt, weil der Wortlaut sowohl der Vorschrift als auch der Paragrafenüberschrift auf Wohnraum verweisen. Auch eine analoge Anwendung wird überwiegend unter Verweis darauf abgelehnt, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Schon der Referentenentwurf vom 25.10.2011 war auf die Vereinfachung der Räumungsvollstreckung bei Wohnraum ausgerichtet. Der Deutsche Mietgerichtstag e.V. wies auf das Fehlen einer Regelung zum gewerblichen Mietrecht hin, indem er in seiner Stellungnahme zu diesem Referentenentwurf vom 12./13.01.2012 den Vorschlag der Einführung eines neuen § 940b BGB machte, welcher folgende Regelung beinhalten sollte: „940a Abs. 2 ZPO gilt auch für die Miete von Geschäftsräumen.“. Dennoch griff der Gesetzgeber diese Problematik im folgenden Gesetzgebungsverfahren nicht auf. Sie war weder Gegenstand der Anhörung der Sachverständigen durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 15.10.2012 noch der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 12.12.2012 (BT-Drs. 17/11894) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Mietrechtsänderungsgesetz vom 15.08.2012 (BT-Drs. 17/10485). Es ist daher anzunehmen, dass der Gesetzgeber nur die Räumungsvollstreckung für Wohnraum regeln wollte, nicht aber die Möglichkeit einer Regelung für den Bereich der gewerblichen Miete übersehen hat.
Umstritten ist aber, ob dies dazu führt, dass für den Bereich der gewerblichen Miete keine Rechtsänderung eingetreten ist, oder doch zumindest der Regelungsgehalt bzw. die Wertungen, die im § 940a Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommen, bei der Entscheidung über Räumungsverfügungen im gewerblichen Mietrecht berücksichtigt werden müssen.
Die bisherigen Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte gehen restriktiv davon aus, dass auch eine Heranziehung der Rechtsgedanken aus § 940a Abs. 2 ZPO im gewerblichen Mietrecht ausscheidet (vgl. KG, Beschluss vom 05.09.2013 - 8 W 64/13 -, NZM 2013, 791; OLG München, Urteil vom 10.04.2014 - 23 U 773/14 -, NZM 2015, 167; OLG Celle, Beschluss vom 24.11.2014 - 2 W 237/14 -, NJW 2015, 711; ebenso Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 940a Rn. 4; Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 6. Aufl., Kap. 29 Rn. 26; offen gelassen von OLG Hamburg, Beschluss vom 20.03.2015 - 8 U 120/14 -, NZM 2015, 738).
Dagegen vertreten verschiedene Landgerichte (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 27.06.2013 - 334 O 104/13 -, NJW 2013, 3666; LG Krefeld, Beschluss vom 08.03.2016 - 2 S 60/15 -, ZMR 2016, 448) und Literaturstimmen (Hinz NZM 2012, 777, 794; Fleindl ZMR 2014, 938; Klüver ZMR 2015, 10 f.; Börstinghaus jurisPR-MietR 7/2016 Anm. 4; Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage, § 940a ZPO Rn. 57; Drescher in: Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 940a Rn. 9) die Auffassung, die im § 940a Abs. 2 ZPO zum Ausdruck gekommenen Wertungen seien auch hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erlass vom Räumungsverfügungen im Bereich der gewerblichen Miete zu berücksichtigen.
Nach Meinung des Senates ist die letztgenannte Auffassung vorzugswürdig. Auch wenn der Gesetzgeber mit § 940a Abs., 2 ZPO nur die Verfügungsgründe für den Erlass einer Räumungsverfügung bei Wohnraum erweitern wollte, hat dies Auswirkungen auf das Bestehen eines Verfügungsgrundes nach §§ 935, 940 ZPO für den Erlass einer Räumungsverfügung bei Geschäftsräumen. Im Ausgangspunkt richtet sich der Umfang von Verfügungsgründen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Mietsachen nämlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 935, 940 ZPO. Im Bereich des Wohnraumes ist dies für die Räumungsverfügung durch § 940a ZPO dahin eingeschränkt, dass (auch) die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sein müssen. Die Erweiterung des § 940a ZPO durch die Einfügung des Absatzes 2 hat demzufolge nicht nur den Ausnahmetatbestand für den Bereich des Wohnraumes erweitert, sondern zeigt auch, dass der Gesetzgeber den damit geschaffenen Verfügungsgrund als von §§ 935, 940 ZPO umfasst ansieht. Zudem bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der in § 940a Abs. 2 ZPO enthaltene Verfügungsgrund selbst dann eingreifen kann, wenn die für Wohnraum in § 940a ZPO aufgestellten strengeren Maßstäbe gelten. Wenn aber die §§ 935, 940 ZPO den Verfügungsgrund aus § 940a Abs. 2 ZPO zulassen und dieser sogar unter der Geltung der strengeren Maßstäbe des § 940a ZPO eingreift, ist die Annahme gerechtfertigt, dass er erst Recht im Rahmen der weniger strengen allgemeinen Maßstäbe der §§ 935, 940 ZPO gelten muss. Die Regelung in § 940 ZPO enthält insoweit auch eine Öffnungsklausel, denn sie lässt eine Regelungsverfügung auch dann zu, wenn dies „aus anderen Gründen“ nötig erscheint. Im Rahmen dieser Öffnungsklausel können die mit Einführung des § 940a Abs. 2 ZPO zum Ausdruck gekommenen Wertungen des Gesetzgebers berücksichtigt werden.
b) Die Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 BGB sind glaubhaft gemacht (§§ 920 Abs. 2, 936 ZPO). Die Beklagte hat weder dargelegt noch sind sonst Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger vor Abschluss des Räumungsverfahrens gegenüber dem Hauptmieter Kenntnis davon hatte, dass die Beklagte ab dem 01.03.2016 Räume in dem streitgegenständlichen Objekt in Besitz genommen hatte und sie hat auch keine Umstände dargelegt, aus denen sie ein Recht zum Besitz gegenüber dem Kläger ableiten könnte.
c) Zusätzliche Anforderungen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, etwa eine Interessenabwägung, sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO nicht zu stellen. § 940a Abs. 2 ZPO enthält einen besonderen und typisierten Verfügungsgrund, so dass eine zusätzliche Interessenabwägung nicht erforderlich ist (ebenso Drescher, a.aO., Rn. 11; offene Frage nach Mroß/Fischer DGVZ 2016, 195, 201 f.; Zehelein WuM 2012, 418, 423 f.).
Ohne dass es entscheidend darauf ankäme, fiele eine Interessenabwägung im vorliegenden Fall aber jedenfalls zu Gunsten des Klägers aus. Dieser erleidet einen erheblichen finanziellen Nachteil dadurch, dass er für das Objekt seit 2013 keinerlei Pachtzahlungen erhält und damit aus dem Objekt, für das er in erheblichem Umfang Kosten aufwenden muss, keinerlei Einnahmen erzielt, während die Beklagte das Objekt seit März 2013 unberechtigt zu Wohnzwecken nutzt, ohne für diese unberechtigte Nutzung jemals Kosten aufgewendet zu haben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Pächterin des Objektes während des gegen sie laufenden Räumungsprozesses der Beklagten den kostenlosen Besitz nur zum Zwecke der Vereitelung der drohenden Zwangsvollstreckung überlassen hat und die Beklagte mit dieser kollusiv zusammenwirkt, um sich den Vorteil einer kostenfreien Nutzung des Objektes zu Wohnzwecken zu verschaffen (vgl. zum Aspekt des Missbrauchs des Prozessrechtes Streyl, NZM 2012, 249, 251). Schließlich steht der Beklagten zwischenzeitlich eine Ersatzwohnung zur Verfügung, so dass ihr und ihren Kindern keine Obdachlosigkeit droht, selbst wenn man ihre Behauptung als wahr unterstellt, dass die Renovierung der neuen Wohnung noch nicht ganz abgeschlossen sei.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf den §§ 48 Abs. 1, 41 Abs. 2 GKG.

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