Freitag, 29. September 2017

Wohngeldforderungen gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben nach § 1936 BGB

Ist ein gesetzlicher Erbe nicht vorhanden oder lässt sich ein solcher nicht feststellen, erbt das Land oder der Bund, § 1936 S. 1 BGB. Da bei einem Wohnungseigentümer bei seinem Ableben in 2013 diese Voraussetzungen vorlagen, erbte das Bundesland, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (Klägerin) nahm nun das Land auf Zahlung von Wohngeld für 2013 und 2014 in Anspruch. Obwohl das beklagte Land die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben hat, verurteilte das Amtsgericht zur Zahlung. Das Landgericht hatte die Klage teilweise abgewiesen und dem beklagten Land die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision wandte sich die Klägerin gegen diesen Vorbehalt.

Das Landgericht stützte sich auf § 780 Abs. 2 ZPO. Während nach § 780 Abs. 1 ZPO der Vorbehalt vom Beklagten zu erklären und im Urteil aufzunehmen ist, sieht § 780 Abs. 2 BGB für den Fall des § 1936 BGB vor, dass ein solcher Vorbehalt nicht erforderlich sei. Das Landgericht vertrat die Auffassung, der Erbe hafte nur dann persönlich, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden könne. Dies sei hier nicht der Fall, wobei das Unterlassen der Vermietung der Wohnung zu keinem anderen Ergebnis führe.

Die Revision wurde vom BGH als unzulässig verworfen. Auch bei einer vom Berufungsgericht zugelassenen Berufung müsse der Rechtsmittelführer beschwert sein, was hier nicht der Fall sei, da sich die Klägerin ausdrücklich nur gegen den im Urteil aufgenommenen Vorbehalt wehre.

Durch den Vorbehalt sei der Klägerin nicht weniger zugesprochen worden, als sie begehrte. Dies deswegen, da der Vorbehalt keine über den darin liegenden Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Beklagten hinausgehende Wirkung entfalte. Der Fiskus könne sich stets, unabhängig davon, ob der Vorbehalt im Urteil aufgenommen wurde oder nicht, gem. § 780 Abs. 2 ZPO auf die beschränkte Erbenhaftung berufen. Damit bestünde vorliegend kein Unterschied, ob im Urteil ein Vorbehalt aufgenommen wurde oder nicht. Ob im Fall des § 780 Abs. 1 BGB etwas anderes gelten würde, wurde in der Vergangenheit vom BGH teilweise bejaht, teilweise offengelassen und bedürfe auch hier keiner Entscheidung.

Auch sei das Landgericht entgegen der Annahme der Klägerin nicht veranlasst gewesen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die vom beklagten Land erhobene Einrede der beschränkten Erbenhaftung (Dürftigkeitseinrede) vorlagen. Zwar hätte auch bereits im vorliegenden Verfahren geklärt werden können, ob gegenständlich die Voraussetzungen für eine beschränkte Erbenhaftung vorliegen und eine solche überhaupt bei Wohngeldforderungen gegen den Fiskuserben in Betracht kämen, doch habe sich das Landgericht damit (zulässig) nicht befasst. Hätte es die Frage geprüft und wäre zum Ergebnis gekommen, dass ein Vorbehalt nicht greifen würde, hätte es das beklagte Land zur Zahlung aus dem Nachlass verurteilen müssen.

Es sei kein Rechtsfehler, wenn das Prozessgericht die sachliche Aufklärung insoweit dem besonderen Verfahren nach § 785 ZPO überließe. Ob anderes dann gelten würde, wenn Entscheidungsreife dazu bestünde, könne hier auf sich beruhen, da entsprechendes auch von der Klägerin nicht dargelegt worden sei.

Der im Urteil aufgenommene Vorbehalt entfalte auch keine Bindungswirkung iSv. § 318 ZPO, da über die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach §§ 785, 767 ZPO in einem neuen Rechtsstreit durch das Prozessgericht erster Instanz zu entscheiden sei. Begnügt sich, wie hier, das Gericht in zulässiger Weise mit dem Ausspruch des Vorbehalts, kommt es auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen in diesem Erkenntnisverfahren nicht an. Ausführungen des Landgerichts dazu könnten von daher nicht tragend und damit nichts rechtsverbindlich sein.


BGH, Urteil vom 17.02.2017 - V ZR 147/16 -

Dienstag, 26. September 2017

Kündigungsgrund fehlende Mietsicherheit und Eigentumswechsel nach Einleitung der Räumungsklage

Die Parteien hatten einen Mietvertrag über gewerbliche Räume geschlossen, nach dessen Regelungen die Klägerin als Vermieterin bei Nichtleistung der vereinbarten Mietsicherheit und schriftlicher Mahnung das Mietverhältnis von der Vermieterin gekündigt werden kann. Die Mietsicherheit sollte einen Monat vor der Übergabe der Mietsache geleistet werden. Diese wurde  - trotz schriftlicher Mahnung - nicht geleistet. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis außerordentlich und ordentlich und erhob Räumungsklage. Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils wurde die R.-R. Grundstücksgesellschaft als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im Berufungsverfahren wurde u.a. von der Beklagten die Aktivlegitimation der Klägerin gerügt, die ihren Klageantrag im berufungsverfahren auf Leistung an die Erwerberin umstellte.

Das OLG verwies darauf, dass nach §§ 566 Abs. 1, 578 BGB der Erwerber nach Überlassung der Räume an den Mieter mit der durch Auflassung im Grundbuch erfolgten Eigentumsübertragung gem. §§ 873, 925 BGB an Stelle des bisherigen Eigentümers in den Mietvertrag eintrete; ein vorheriges Datum scheide selbst dann aus, wenn sich die Parteien vertraglich entsprechend über einen Nutzungsübergang zu einem früheren Zeitpunkt geeinigt hätten. Damit hätten hier die Voraussetzungen des § 566 BGB (Eintritt des Erwerbers in d n Mietvertrag) erst mit Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegen.  Nicht entscheidend sei, dass bereits vorher gekündigt wurde; Der Eintritt in ein bestehendes Mietverhältnis scheide nur aus, wenn die Kündigung bereits vor dem grundbuchlichen Eigentumsübergang erfolgt wäre und zusätzlich auch vorher der Mieter bereits ausgezogen wäre. Sei dies, wie hier, nicht der Fall, trete der Erwerber in das Abwicklungsverhältnis ein und würde so Inhaber des Rückgabeanspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB.

Das bedeute aber nicht, dass deshalb die Klägerin als ehemalige Eigentümerin und Vermieterin ihre Aktivlegitimation, also ihre Berechtigung zur Geltendmachung u.a. des Räumungsanspruchs, verliere. Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO habe die Veräußerung und der Eigentumsübergang an dem Grundstück, der sich während des Rechtsstreits vollzieht, grundsätzlich keinen Einfluss auf diesen. Lediglich müsse die Klägerin als ehemalige Eigentümerin nunmehr ihren Klageantrag auf Herausgabe an den Erwerber umstellen bzw., soweit bereits der Räumungsanspruch erstinstanzlich zugesprochen wurde, insoweit eine Neufassung beantragen.

Im übrigen sei die Klägerin zur Kündigung des Mietverhältnisses nach der vertraglichen Regelung berechtigt gewesen. Insbesondere könne sie nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Sicherheit klageweise einzufordern, zumal es sich um ein gewerbliches Mietverhältnis handele, in Ansehung der Bedeutung einer Sicherheitsleistung für das Mietverhältnis und den Umstand, dass die Beklagte auch nicht die ersten mieten gezahlt habe. Auf § 543 Abs. 1 BGB käme es nicht an, da es den Vertragsparteien frei stünde, weitere Gründe für eine (außerordentliche) Kündigung des Mietverhältnisses im Vertrag zu regeln. Die vertraglich vereinbarte schriftliche Mahnung mit Fristsetzung entspräche auch der Voraussetzung des § 543 Abs. 3 BGB.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2017 - 10 U 87/ 16 -

Freitag, 22. September 2017

Pauschale Vertragsstrafe in AGB-Verträgen ohne Gewichtung des Vertragsverstoßes

Die Klägerin ist Herausgeberin des sogen. „Schlemmerblocks“, eines Gutscheinblocks. Sie bietet Betreibern von Gaststätten an, zweiseitige Anzeigen in diesem Block zu veröffentlichen; im Gegenzug müssen sich die Inserenten verpflichten, den Erwerbern (nachfolgend Kunden) eines Schlemmerblocks gegen Vorlage eines im Block enthaltenen Gutscheins und bei Abnahme von mindestens zwei Hauptgerichten einen Preisnachlass von 100% auf das günstigere Gericht, bei Preisgleichheit auf eines der Gerichte zu gewähren. In dem Vertrag mit dem Beklagten wurde eine maximale Anzahl der Gutscheine mit 8.000 vereinbart. Unter Nr. 20 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde eine Vertragsstrafe von € 2.500,00, maximal insgesamt € 15.000,00 für den Fall vorgesehen, dass sich ein Gutschein-Nutzer bei der Klägerin berechtigt über die Nichteinhaltung der Verpflichtung beschwert; die Klägerin konnte nach der Regelung unter Anrechnung auf die Vertragsstrafe auch einen weitergehenden Schaden geltend machen. Dem inserierenden Anbieter blieb vorbehalten den Nachweis zu führen, dass die Beschwerde nicht berechtigt ist.

Anfang 2015 beschwerten sich mehrere Kunden über die Nichteinlösung der Gutscheine durch den Beklagten. Nach Aufforderung der Klägerin, diese einzulösen, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2015 mit, „keine Schlemmerblöcke“ mehr anzunehmen. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe von € 2.500,00 an die Klägerin; seine Berufung wurde vom Landgericht unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Der BGH wies die Klage unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts ab. anzunehmen. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe von € 2.500,00 an die Klägerin; seine Berufung wurde vom 

Entgegen der Annahme des Landgerichts ging der BGH davon aus, dass die Vertragsstrafenklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht standhalte und deshalb unwirksam sei. Unangemessen sei eine Klausel, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige, was dann der Fall sei, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners versuche durchzusetzen, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Bei der Prüfung sei ein generalisierender Maßstab und von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise geboten.

Nach §§ 339ff BGB sei die Intention der Vertragsstrafe sowohl darauf gerichtet, ein Druckmittel zur ordnungsgemäßen Erfüllung der versprochenen Leistung zu sichern, als auch darauf, im Falle der Verletzung dem Gläubiger die Möglichkeit erleichterter Schadloshaltung zu eröffnen. Bei der Höhe seien daher die Bedeutung der gesicherten Pflicht und die aus der Verletzungshandlung ausgehende Gefahr für den Gläubiger bedeutsam. Ferner seien sowohl die Form des Verschuldens des Schuldners und die Auswirkungen der Vertragsstrafe auf ihn (einschl. der Berücksichtigung einer möglichen Existenzgefährdung zu berücksichtigen. Die Höhe der Vertragsstrafe müsse sich in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halten. Wird ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, könne die Unangemessenheit bereits daraus resultieren; eine solche Sanktion sei nur zulässig, wenn sie bei einem typischerweise geringsten Vertragsverstoß noch als angemessen angesehen werden könne.

Vorliegend würde für jeden vorsätzlichen Verstoß des Beklagten gegen seine Pflichten aus dem Vertrag eine Vertragsstrafe von € 2.500,00 fällig, wenn sich der Kunde bei der Klägerin berechtigt beschwere. Dieser Pauschalbetrag ohne Differenzierung nach dem Gewicht des  Vertragsverstoßes sei unverhältnismäßig hoch und würde den Beklagten unangemessen benachteiligen. Zwar sei zu berücksichtigen, dass das dem „Schlemmerblock“ zugrunde liegende Geschäftsmodell von dem vertragstreuen Verhalten der teilnehmenden Gastronomen abhänge und von daher eine besondere Bedeutung für die Druckfunktion bestünde, die eine spürbare Vertragsstrafe erlaube, ohne dass dies am Wert des Hauptgerichts oder einem möglichen Regress des Kunden gegen die Klägerin zu orientieren wäre.  Allerdings wären auch das Gewicht des einzelnen Vertragsverstoßes und die Auswirkungen der Vertragsstrafe für den Schuldner zu berücksichtigen. Die unangemessene Benachteiligung des Beklagten ergäbe sich schon aus der fehlenden Differenzierung unterschiedlich gewichtiger Vertragspflichten. So wäre der Beklagte verpflichtet, dem Kunden sämtliche Hauptgerichte der regulären Speisekarte einschließlich dauerhaft angebotener Sonderkarte zur Auswahl zu stellen, mindestens acht Hauptgerichte (die sich nicht nur durch Saucen und Beilagen unterscheiden) zur Verfügung zu stellen, die Gutscheine stets innerhalb der kompletten Öffnungszeiten anzunehmen und keine Nachteile in Qualität, Quantität und Service aufkommen zu lassen. Jeder einzelne vorsätzliche Verstoß gegen eine der Vertragspflichten würde bereits, zumindest nach der Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB,  die Vertragsstrafe mit € 2.500,00  verwirken. Mithin beispielsweise auch gegen einen relativ geringen Verstoß, wenn nur sieben statt acht Hauptgerichte angeboten würden. Das aber wäre offensichtlich unverhältnismäßig hoch und benachteilige daher den Vertragspartner unangemessen.

Auch der Umstand, dass die Vertragsstrafe nur bei Vorsatz greifen würde, führe nicht zu einer abweichenden Bewertung. Dies gelte hier umso mehr, als abweichend von den gesetzlichen Regeln sich der Vertragspartner hinsichtlich einer vorsätzlichen Pflichtverletzung zu entlasten habe.

Die im Vertrag enthaltene salvatorische Klausel, wonach bei Unwirksamkeit einer Regelung diese von den Vertragsparteien durch eine wirksame Regelung zu ersetzen sei, greife nicht, da diese Klausel selbst gegen § 306 Abs. 2 verstoße und gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei.


BGH, Urteil vom 31.08.2017 - VII ZR 308/16 -

Mittwoch, 20. September 2017

Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs aus einer allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverletzung auch im Falle der Rechtshängigkeit desselben

Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung begründet grundsätzlich einen Anspruch auf eine Geldentschädigung gem. § 823 BGB. Vorliegend musste sich der BGH mit einem solchen Anspruch befassen, den der Erblasser noch zu Lebzeiten rechtshängig gemacht hatte. Die Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen (nunmehr Klägerin) verfolgte diesen Anspruch weiter. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Bereits mit Urteil vom 29.04.2014 – VI ZR 246/12 – entschied der BGH, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht vererblich sei. Dies würde jedenfalls dann gelten, wenn der Erblasser vor Rechtshängigkeit der Klage versterbe. Offen blieb, ob dies auch gelten würde, wenn der Erblasser während des Rechtsstreits, also nach Rechtshängigkeit der Klage (Zustellung bei der Beklagtenseite) verstirbt. Nunmehr beantwortete der BGH die Frage dahingehend, dass der Anspruch unvererblich sei und die Rechtshängigkeit des Anspruchs keine Ausnahme rechtfertige.

Aus der Streichung des bis zum 30.09.1990 geltenden § 847 Abs. 1 S. 2 BGB wie auch aus den Streichungen des des § 34 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BGSG und des 1998 gestrichenen § 1300 Abs. 2 BGB ließe sich nicht der Wille des Gesetzgebers ableiten, einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung vererblich auszugestalten. Erst recht lasse sich nicht der gesetzgeberische Wille feststellen, dass ein grundsätzlich unvererblicher Anspruch im Falle seiner Rechtshängigkeit entsprechend § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ausnahmsweise vererblich sein solle. Die Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks. 14/7752, S. 24f) stelle ausdrücklich klar, dass der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgehende Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von den Bestimmungen der §§ 847, 253 BGB unabhängig sei und die Änderungen dieser Vorschriften ihn nicht tangieren könne.

Die Rechtsordnung enthalte auch keinen allgemeinen Grundsatz, aus dem sich eine Vererblichkeit rechtshängiger Ansprüche ergäbe. Zwar würde die Rechtshängigkeit materiellrechtlich rechtserhaltende Wirkung entfalten, wie insbesondere auch der Hemmungstatbestand zur Verjährung in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zeige. Dies sei damit begründet, um innerhalb bestimmter Fristen Rechtsklarheit zu schaffen und auch den Schuldner vor Beweisnöten bei einem zu langem Zuwarten zu verschonen. Ein solcher regelungszusammenhang sei aber bei der Frage der Vererblichkeit des Anspruchs nicht gegeben. Zwar könne der Rechtshängigkeit eine „rechts(ver)starkende“ Wirkung zukommen, wie zu den aufgehobenen Normen der §§ 847 Abs. 1 S. 2, 1300 Abs. 2 BGB angenommen wurde. Erforderlich sei aber immer gewesen, dass der Wille des Erblassers zur Geltendmachung klar erkennbar und ein Streit darüber ausgeschlossen werden konnte.

Von daher sei bei der Streitfrage des Übergangs des rechtshängigen Anspruchs auf Geldentschädigung für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung alleine seine Funktion maßgebend. Anders als beim Schmerzensgeld stünde vorliegend regelmäßig die Genugtuungsfunktion im Vordergrund, während der Präventionsgedanke ihn alleine nicht tragen könne. Diese Genugtuungsfunktion würde aber mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verlieren. Aus dem Gedanken der Genugtuung folge aber auch, dass ein rechtshängiger Anspruch nicht vererblich sei. Die Genugtuung würde der Verletzte aber nicht bereits mit Einreichung der Klage oder dessen Zustellung  erlangen, sondern erst mit rechtskräftiger Entscheidung über diesen Anspruch. Der rechtskräftig festgestellte Anspruch ginge auf die Erben über.


BGH, Urteil vom 23.05.2017 - VI ZR 261/16 -

Dienstag, 19. September 2017

Handelsvertreter: Zur Verjährung des Anspruchs auf einen Buchauszug

Der Kläger war bei der Beklagten als Handelsvertreter (HV) tätig gewesen. Die Beklagte rechnete die Provisionen monatlich ab. Nach Beendigung des Vertrages zum 31.12.2014 klagte er mit einer im Oktober 2015 erhobenen Klage im Rahmen einer Stufenklage zunächst auf Erteilung eines Buchauszugs in Bezug auf alle Geschäfte mit bestimmten Abnehmern für den Zeitraum vom 27.10.2008 bis 31.12.2014. Die Beklagte anerkannte den Anspruch für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2014 und erhob im Übrigen die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hatte dem Anspruch des Klägers entsprochen, das OLG abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Der BGH verweist darauf, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c HGB selbständig innerhalb der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (3 Jahre) verjähre. Dieser Anspruch würde allerdings dann gegenstandslos, wenn der Provisionsanspruch, zu dessen Geltendmachung der Buchauszug diene, bereits verjährt oder nicht (mehr) durchsetzbar sei. Die Regelverjährung des § 195 BGB beginne nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners erlangt habe bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. In diesem Sinne ist der Anspruch entstanden zu dem Zeitpunkt, zu dem er erstmals geltend gemacht oder gerichtlich durchgesetzt werden könnte, was regelmäßig bei Fälligkeit nach § 271 BGB anzunehmen sei. Daraus folgert der BGH für den Buchauszug, dass die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginne, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehende Provision erteilt habe.

Für die Entstehung des Anspruchs auf Erteilung des Buchauszugs sei nicht ausreichend, dass die Voraussetzungen für eine Abrechnung der Provision nach § 87c Abs. 1 HGB vorlägen. Zwar sei der Handelsvertreter berechtigt, verweigert der Unternehmer eine Abrechnung der Provisionen, die Vorlage eines Buchauszugs zusammen mit der Abrechnung über die Provisionen geltend zu machen; aber er sei dazu nicht verpflichtet. Er könne auch zunächst die Abrechnung fordern, danach den Buchauszug. Dadurch würde der Unternehmer nicht unbillig benachteiligt, da er es in der der Hand habe, durch Erteilung einer abschließenden Provisionsrechnung den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs im Sinne des Verjährungsrechts fällig zu stellen.

Auch sei für die Entstehung des Anspruchs auf einen Buchauszug weder ein Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Abrechnung erforderlich noch notwendig, dass die Abrechnung vollständig sei. Der Buchauszug soll es dem Handelsvertreter gerade ermöglichen, die Abrechnung zu prüfen.

Der Buchauszug könne vom Unternehmer auch bereits ohne gesonderte Anforderung zusammen mit der Abrechnung erteilt werden. Erfolgt dies nicht, könne der Anspruch ab Zugang einer abschließenden Provisionsabrechnung geltend gemacht werden und wäre ab diesem Zeitpunkt auch gerichtlich durchsetzbar (s. oben auch zur Verbindung mit der Klage auf Abrechnung).  Damit aber unterläge der gesamte Anspruch auf einen Buchauszug dem Verjährungslauf, nicht nur in bezug auf die abgerechneten Geschäfte.


BGH, Urteil vom 03.08.2017 - VII ZR 32/17 -

Sonntag, 17. September 2017

Ausschreibung: Abweichung in dem Leistungsangebot und Vertragsauslegung

Die Klägerin kündigte den  mit der Beklagten abgeschlossenen Bauvertrag und verlangte von dieser die höhere Vergütung eines sodann (nach Neuausschreibung)  beauftragten Drittunternehmers als Schadensersatz.  Vorausgegangen war dem eine Ausschreibung der Klägerin, in der u.a. zum Bodenbelag Betonwerkstein „Select“ Art.-Nr. 7432 mit einer „Plattendicke 2cm“  gefordert wurde. Die Beklagte bewarb sich und gab im Bieterverzeichnis zu dieser Position den Bodenbelag „Typ Petra 93.70 A.T. konventionell“ an. Von der Klägerin wurde der Beklagten, nach Besichtigung einer Musterplatte mit einer kleineren Fläche von 15 x 15cm und einer Plattendicke von 2cm der Zuschlag erteilt. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu einem Streit, da das von der Beklagten im Bieterverzeichnis eine Plattendicke von 26mm aufwies. Die Beklagte wies die Forderung der Klägerin auf eine Plattendecke von 20mm zurück, weshalb die Klägerin schließlich den Vertrag fristlos kündigte.

Gegen das der Klage stattgebende Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

Das Landgericht ging, von der Berufung insoweit auch nicht angegriffen, davon aus, dass die Kündigung gerechtfertigt gewesen sei, wenn zwischen den Parteien eine Plattendicke von 20mm vereinbart gewesen sei. Von einer solchen Vereinbarung  sei entgegen der Annahme  der Beklagten auszugehen.

Die Beklagte könne, so das OLG, nicht damit gehört werden , dass sich ihr Angebot auf einen Plattentyp mit einer Plattendicke von 26mm bezogen habe. Das der Ausschreibung zugrunde liegende Leistungsverzeichnis habe deutlich eine Plattendicke von 20mm hervorgehoben. Die ergänzende Produktangabe könne die Vorgabe nicht entkräften, was sich daraus ergäbe, dass es das von der Klägerin benannte Produkt mit der Plattendicke gäbe. Dem stünde auch der Einwand der Beklagten nicht entgegen, dass die Standarddicke dieses Produkts 28mm betrage, da entscheidend die Ausschreibung mit 20mm sei und dies auch vom Hersteller angeboten würde.  

Es sei eine Frage der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, welche Leistung letztlich vereinbart war. Abzustellen sei darauf, wie ein objektiver Dritter bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände die von den Erklärenden gewählte Bezeichnung hätte verstehen können oder müssen. Alleine der Umstand, dass die von der Beklagten angebotene Platte evtl. nur mit einer Dicke von 26mm hergestellt wird, führe nicht notwendig zu einem Dissens, da dieser nicht schon dann vorliege, wenn die Parteien sich nicht hinsichtlich des Gewollten zutreffend abgestimmt hätten. Ein einseitiger Inhaltsirrtum führe nicht zum Dissens, wenn die andere Partei ihren Willen korrekt zum Ausdruck gebracht hat und zudem auch die Erklärung des Kontrahenten als mit seiner eigenen Vorstellung als übereinstimmend ansehen durfte (normativer Konsens mit Möglichkeit zur Irrtumsanfechtung). Damit sei vorliegend entscheidend, ob die Angabe im Angebot der Beklagten „konventionell“ von der Klägerin dahingehend hätte verstanden werden müssen, es handele sich um Platten mit einer Dicke von 26mm.

Nach einem eingeholten Gutachten folgt das OLG dem Sachverständigen dahingehend, dass für die Beklagte hätte klar sein müssen, dass die Plattenstärke von 20mm ein wesentlicher Gesichtspunkt gewesen sei und die Beklagte nicht den Terminus „konventionell“ erläutert habe. Es sei von daher für einen ausschreibenden Ingenieur nicht ersichtlich gewesen, dass eine Plattenstärke von 26mm angeboten würde.  Die Klägerin sei, so das OLG, auch nicht verpflichtet gewesen, die angebotenen Materialien (ohne dass es dafür Anhaltspunkte gab) zu untersuchen oder nachzufragen.


OLG Koblenz, Urteil vom 08.02.2017 - 5 U 896/16 -

Mittwoch, 13. September 2017

WEG: Teileigentum und Anspruch auf erstmalige Herstellung durch Erfüllung bauordnungsrechtlicher Vorschriften für einen Aufenthaltsraum

Der hier vom BGH entschiedene Rechtsstreit betrifft zwar eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft, was allerdings vorliegend keine Auswirkung hat. Grundlage ist, dass die drei Kläger jeweils Einheiten im Souterrain der von einem Bauträger errichteten und in Wohnungseigentum aufgeteilten Anlage erwarben, wobei in der Teilungserklärung (TE) zu der vom Kläger zu 2. erworbenen Einheit K2 von dem „Sondereigentum an sämtlichen Räumen der im Aufteilungsplan mit Nr. K2 bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume“ gesprochen wurde, diese Räume im Aufteilungsplan mit „Kellerraum“ gekennzeichnet waren; entsprechendes galt für die von den weiteren Klägern erworbenen Einheiten K1 und K3. Die übrigen Einheiten dienten nach der TE zu Wohnzwecken. Weitergehend hieß es in § 4 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung (GO):

„Die Gewerbeflächen dürfen zu baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden - die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung ist nicht die allein maßgebliche. (...) Der Wohnungs- bzw. Teileigentümer ist verpflichtet, auf seine Kosten alle erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen einzuholen und hat alle mit der Nutzungsänderung in Zusammenhang stehenden Kosten und Lasten zu tragen.“

Eine baurechtliche Genehmigung zur Nutzung der Souterraineinheiten zu Aufenthaltszwecken lag nicht vor.  Der Kläger zu 1. beantragte bauordnungsrechtlich eine Nutzungsänderung, damit seine Souterrainräume zu Aufenthaltszwecken genutzt werden könnten. Zur Genehmigung forderte die Baubehörde einen zweiten Rettungsweg durch eine Fluchttreppe im Freien.  

Vom Kläger wurde der in der Eigentümerversammlung abgewiesene Antrag gestellt, die Herstellung eines zweiten Rettungsweges auf der Grundlage des Brandschutznachweises sowie eine zwecks Finanzierung eine Sonderumlage von € 7.500,00 zu beschließen. Gegen den ablehnenden Beschluss erhoben die Kläger Beschlussanfechtungsklage und darüber hinaus Beschlussersetzungsklage, mit der sie erreichen wollten, dass ihrem Antrag entsprochen wird. Amtsgericht und im Berufungsverfahren das Landgericht haben die Anträge zurückgewiesen; die vom Landgericht zugelassene Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Das Landgericht stellte darauf ab, dass sich aus der TE und dem Aufteilungsplan kein Anspruch der Kläger ergäbe, da die Räume in der TE nicht als Wohnräume, im Aufteilungsplan als Kellerräume bezeichnet worden seien. Damit würde es hier bei dem Antrag um eine bauliche Veränderung iSv. § 22 Abs. 1 WEG gehen.

Dem folgte der BGH nicht. Beide Anträge (Beschlussanfechtung und Beschlussersetzung) könnten nur Erfolg haben, wenn den Klägern ein Anspruch auf Herstellung des zweiten Rettungsweges zustehen würde und dies nur dann bejaht werden könne, wenn es sich dabei um einen Beschluss nach § 21 Abs. 4 WEG handele, der eine erstmalige plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums diene und damit zu einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG gehöre.

Das Landgericht habe verkannt, dass Teileigentum dazu geeignet sein müsse, als Aufenthaltsraum zu dienen, da die Bezeichnung als Teileigentum ohne weitere Hinweise jegliche Art gewerblicher Tätigkeit zulasse.  Dazu gehöre auch die Büronutzung, die bauordnungsrechtlich nur in Aufenthaltsräumen zulässig sei, mithin in Räumen, die nicht nur dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen oder dazu geeignet sind. Die bauordnungsrechtlich erforderlichen Maßnahmen, wie die Herstellung des zweiten Rettungsweges, könnten von den einzelnen Wohnungseigentümern daher gem. § 21 Abs. 4 WEG im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung verlangt werden.

Dem würde auch nicht die Formulierung „Kellerraum“ im Aufteilungsplan entgegenstehen, da der dortigen Angabe allenfalls nachrangige Bedeutung zukäme. Maßgeblich sind Wortlaut und Sinn der TE, deren Auslegung hier ergibt, dass die Teileigentumseinheiten als Aufenthaltsräume geeignet sein müssen. Die Formulierung „nicht zu Wohnzwecken dienen“ würde dem nicht entgegen stehen, da damit die gesetzliche Definition des Teileigentums aus § 1 Abs. 3 WEG aufgegriffen werde. Auch § 4 Abs. 2 GO stünde der hier vorgenommenen Auslegung nicht entgegen: Soweit dort von „Gewerbeflächen“ gesprochen würde, die zu „baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden“ dürften, würde sich damit nicht klar und eindeutig der Ausschluss einer zulässigen Nutzung als Aufenthaltsräume ergeben, sondern lediglich, dass unterschiedliche gewerbliche Nutzungen zulässig wären, soweit dem nicht das Bauplanungsrecht, die Baunutzungsverordnung oder die auf spezifische gewerbliche Nutzungen bezogenen Vorschriften des Bauordnungsrechts entgegen stünden.


BGH, Urteil vom 23.06.2017 - V ZR 102/16 -

Dienstag, 12. September 2017

Betriebskostenabrechnungen nach § 566 BGB ohne Beschluss der WEG nach § 28 Abs. 5 WEG

Die Betriebskosten müssen bei einem Mietverhältnis über Wohnraum gem. § 556 Abs. 3 BGB jährlich binnen Jahresfrist nach Ende des Abrechnungszeitraums abgerechnet werden. Dies gilt auch für Mietwohnungen innerhalb einer Eigentumswohnanlage.

Bei der Eigentumswohnanlage können sich Probleme für die Abrechnung daraus ergeben, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht gem. § 28 Abs. 5 WEG   die nach § 28 Abs. 3 WEG vom Verwalter zu erstellende Abrechnung genehmigt haben, oder gar die Abrechnung noch nicht vorliegt. Damit hat sich der BGH in seinem Urteil vom 25.01.2017 - VIII ZR 249/15 - und (bestätigend) im Beschluss vom 14.03.2017 – VIII ZR 50/16 – geäußert.

Für die Abrechnung des Vermieters gegenüber seinen Mietern ist danach ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zur Rechnungslegung (Jahresabrechnung) nicht erforderlich. Es liegen dem unabhängige Rechtsbeziehungen zugrunde, nämlich zum einen die vom Mietverhältnis zu trennende Rechtsbeziehung der Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentümergemeinschaft, zum anderen die Rechtsbeziehung des Vermieters zum Mieter. Für die Abrechnung der Betriebskosten ist auf die gesetzliche Definition in §§ 554 Abs. 1 S. 2 BGB, 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV abzustellen, die keinen Beschluss nach § 28 WEG verlangt und auch keine daraus abzuleitende Fälligkeit im Verhältnis zwischen dem Eigentümer-Vermieter und der Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beschluss entfaltet gegenüber Dritten (hier dem Mieter)  keine Bindung.

Anmerkung: Liegt dem Vermieter die Jahresabrechnung des Verwalters vor, mag er daraus bereits die Betriebskostenabrechnung erstellen. Was ist aber, wenn diese falsch ist ? Und was ist, wenn diese nicht rechtzeitig für die Erstellung der Betriebskostenabrechnung  vorliegt ? Hier wird man wohl konsequent annehmen müssen, dass in diesem Fall der betroffene Eigentümer-Vermieter von seinem Einsichtsrecht in die Abrechnungsunterlagen nach §§ 259, 666 BGB Gebrauch macht. Wird ihm dies verwehrt, wird er hier unverzüglich gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen haben, um so eine spätere Berechnung über § 556 Abs. 3 S. 3 2. Alt. BGB tätigen zu können.


BGH, Beschluss vom 14.03.2017 - VIII ZR 50/16 -

Montag, 11. September 2017

Die Übertragung von „Rechten und Pflichten“ vor Eigentumsübergang beinhaltet die Abtretung von Mieten

Der Kläger verkaufte die Mietsache an einen Dritten und vereinbarte mit diesem, dass sämtliche Rechte und Pflichten mit Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen. Er klagte gleichwohl Mietzins ein, nachdem der Kaufpreis gezahlt war, allerdings vor Wahrung der Auflassung (Eigentumsübertragung) auf den Erwerber im Grundbuch.

Die Klage wurde abgewiesen. Das OLG führte aus, dass grundsätzlich der Erwerber erst mit grundbuchlicher Wahrung seines Eigentums in das Mietverhältnis eintreten würde und bis zu diesem Zeitpunkt die Rechte beim Veräußerer blieben, § 566 BGB. Allerdings sei schuldrechtlich auch eine anderweitige Regelung möglich. Eine solche anderweitige Regelung läge vor, wenn zwischen Veräußerer und Erwerber anderweitiges vereinbart würde und eine Abtretung der Ansprüche durch den Veräußerer an den Erwerber zu einem früheren Zeitpunkt erfolge.

Die Regelung in dem Kaufvertrag sei eine entsprechende Regelung und beinhalte auch die Abtretung der Mietzinsansprüche ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Kaufpreisforderung. Diese Abtretung entfalte aber nur Wirksamkeit zwischen den Kaufvertragsparteien; der Veräußerer bleibe weiterhin Vertragspartner des Mieters (BGH, Urteil vom 02.07.2003 - XII ZR 34/02 -). Bei wirksamer Abtretung könne der Mieter schuldbefreiend an den Erwerber zahlen. Der Mieter sei nach §§ 404, 409, 410 BGB geschützt. Er müsse nur zahlen gegen Vorlage der Abtretungsurkunde, und wenn diese unwirksam sei, aber die Abtretung vom bisherigen Eigentümer angezeigt würde, würde auch bei Zahlung an den Erwerber gleichwohl von seiner Schuld befreit. Seine Rechte aus seinem Verhältnis zu Erwerber (so z.B. eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Veräußerer) blieben erhalten.

Da die Abtretung dem Mieter mitgeteilt wurde, habe dieser schuldbefreiend an den Erwerber zahlen dürfen.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2017 - 24 U 103/16 -

Donnerstag, 7. September 2017

Zulässigkeit eines Kautionsverlangens nach § 551 Abs. 1 BGB und einer notariellen Vollstreckungsunterwerfung für den jeweils fälligen Mietzins

Der Beklagte vermietete Räume als Wohnung an die Klägerin zu 2. (einer GmbH) sowie dem Kläger zu 1., deren Geschäftsführer. Nach dem Mietvertrag verpflichteten sich die Kläger, zu notarieller vollstreckbarer Urkunde den Mietzahlungsanspruch der Beklagten zu sichern. Dies erfolgte dann auch dergestalt, dass sich die Kläger in der Urkunde entsprechend der mietvertraglichen Zahlungsregelung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr jeweiliges Vermögen  unterwarfen, wobei festgehalten wurde, dass mit der notariellen Regelung eine Beweislastverschiebung nicht verbunden sein solle.

Das Mietverhältnis endete zum 30.06.2014. Wegen angeblicher Mängel des Mietgegenstandes hatten die Beklagten auf die Miete seit März 2014 insgesamt € 5.000,00 nicht gezahlt. Der Beklagte leitete die Vollstreckung aus der benannten Vollstreckungsunterwerfung der Kläger ein. Der Kläger zu 2. Beantragte die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung, die Klägerin zu 2. eine Zahlung in Höhe von € 2.781,63 vom Beklagten.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, Auf die Berufung wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die zugelassene Revision wurde das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.

Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht, so der BGH, von der Auffassung ausgegangen, bei der Vollstreckungsunterwerfung handele es sich um eine Sicherheit nach § 551 BGB. Daraus hatte das Landgericht die Unwirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme abgleitet. Allerdings ergäbe sich die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels aus § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, da es sich bei der notariellen Unterwerfungserklärung um ein konkret bezeichnete Mietansprüche (nämlich die laufende Miete für die streitige Wohnung) handele, und sie nicht den Bestand des Mietverhältnisses betreffe. Anders als das Landgericht meinte, bedurfte es hier auch keiner Einordnung des Mietverhältnisses als Wohnraummiete oder nicht, da auch bei (vom Landgericht vorgenommener) Annahme als Wohnraummiete die Unterwerfung nicht zur Unwirksamkeit nach § 551 Abs. 4 BGB führe.  Zwar sie die Sicherheitsleistung des Vermieters auf eine Kaution von drei Netto-Monatsmieten begrenzt, § 551 Abs. 1 BGB und eine davon zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung sei unwirksam. Allerdings stelle sich die Unterwerfungserklärung nicht als eine Abweichung von § 551 Abs. 1 BGB dar, da sie dem Vermieter keine notwendige zusätzliche Zugriffsmöglichkeit auf Vermögen gebe, sondern ihm nur der Notwendigkeit enthebt, vor einer Zwangsvollstreckung einen Titel zu besorgen. Die materielle Darlegungs- und Beweislast sei davon nicht berührt, unabhängig von der ausdrücklichen entsprechenden Regelung in der Urkunde. Der Mieter sei auch nicht ohne Schutz, da er im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 667 ZPO eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, gegebenenfalls auch ohne Sicherheitsleistung, beantragen könne.

unabhängig von der Auslegung Da auch die Beweislast ausdrücklich durch die Unterwerfungserklärung nicht zuungunsten der Kläger geändert wurde. Nicht entschieden werden müsse hier, ob eine Unwirksamkeit der Regelung im Mietvertrag zur Verpflichtung auf Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung vorläge, § 307 Abs. 1 u. 2 BGB, da es sich hier im Mietvertrag um eine Individualvereinbarung handele.

Im Hinblick auf den Antrag der Klägerin zu 2. verwies der BGH darauf, dass er wirksam Mietpartei geworden sei, wie sich aus der auch von ihm unterzeichneten Vertragsurkunde ergäbe. Das Landgericht habe dies unzulässig mit der Frage vermengt, ob es sich um ein Wohnraummietverhältnis handele (ausgehend davon, dass eine juristische Person nach klägerischer Darlegung nicht wohnen könne). Auf die Art des Mietverhältnisses käme es aber für die Frage, wer Mietvertragspartei wird, nicht an, da die Verpflichtung zur Zahlung der Miete unabhängig von der Art des Mietverhältnisses (Wohn- oder Gewerberaum) gegeben sei. Damit könne die Klägerin zu 2. keine Rückzahlung begehren.


BGH, Urteil vom 14.06.2017 - VIII ZR 76/16 -

Mittwoch, 6. September 2017

Fiktive Schadensberechnung und nachträgliche Umsatzsteuer

Der Kläger hatte Schadensersatzansprüche auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens gegen die Beklagte nach Beendigung eines Mietverhältnisses geltend. Der Klage wurde in einem vorangegangenen verfahren in Höhe von € 5.870,00 nebst Zinsen entsprochen und darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten festgestellt,  dass die Beklagte bei tatsächlicher Durchführung der Reparaturen die anfallende Umsatzsteuer zu zahlen habe.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das OLG hält fest, dass grundsätzlich der Schadensersatzanspruch auch die Umsatzsteuer umfasst. Anderes ist nur dann der Fall, wenn entweder der Geschädigte Vorsteuerabzugsberechtigt ist, oder aber die Umsatzsteuer bei Geschädigten (mangels eigener Zahlung) nicht angefallen ist, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB.  Damit kann allerdings der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte im Fall des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB (wie er bei einer fiktiven Geltendmachung der Reparaturkosten wie hier auf der Grundlage eines Gutachtens vorliegt) verlangen, dass ihm im Falle der tatsächlichen Durchführung der Reparatur die dann anfallende Umsatzsteuer erstattet wird. Allerdings sei in diesem Fall der Erstattungsanspruch rechnerisch auf den Betrag beschränkt, der aus der fiktiven der Umsatzsteuer die fiktiv abgerechneten Kosten einschließlich darauf entfallender Umsatzsteuer übersteigen, müsste der Geschädigte zu einer konkreten Abrechnung auf der Grundlage der Schadensabrechnung berechnet werden kann. Würden die konkreten Reparaturkosten einschließlich tatsächlich entstandenen Reparaturkosten übergehen. Der Geschädigte müssen sich an der gewählten Art der Schadensberechnung festhalten lassen; eine Kombination von abstrakter und konkreter Abrechnung zur Schadensberechnung sei unzulässig (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24.01.2017 – VI ZR 146/16 -).


OLG Koblenz, Urteil vom 22.06.2017 - 1 U 1155/16 -

Dienstag, 5. September 2017

Schadensersatzpflicht des Huforthopäden bei Behandlung ohne Abstimmung mit Pferdeeigentümer im Einzelfall

Der Beklagte Huforthopäde befand sich auf dem Hof der Klägerin und hatte in Absprache mit der Klägerin (aus Gefälligkeit) in Ansehung einer Problematik bei einem Pferd der Klägerin due Hufeisen von den vorderen Pferdehufen abgenommen und ein Hufgeschwür festgestellt. Die weitere Behandlung erfolgte auf Empfehlung des beklagten durch den Huforthopäden H., mit dem es am Folgetag zu einer Säuberung des Fäulnisherdes kam. Am folgenden Tag, dem Abreisetag des Beklagten, behandelte dieser das Pferd ohne Ansprache mit der Klägerin neuerlich, öffnete den Huf und unterließ in der Folge das Anlegen eines Druckverbandes. Die Klägerin rief schließlich einen Tierarzt und macht Aufwendungen für die Heilbehandlung des Pferdes von € 13.441,63 als Schadensersatz geltend.

Das Landgericht gab der Klage nur teilweise statt und hat insbesondere ein Mitverschulden der Klägerin zu ½ mit der Begründung angenommen, diese hätte zügig einen Tierarzt zu Rate ziehen müssen.  Die Berufung der Klägerin war im Wesentlichen erfolgreich.

Die Öffnung des Hufes durch den Beklagten am Tag seiner Abreise sei ohne Einwilligung der Klägerin unternommen worden und damit rechtswidrig. Der Umstand, dass die Klägerin zwei Tage vorher mit den Maßnahmen des Beklagten einverstanden gewesen sei, würde nicht zu einer generellen Bewilligung sämtlicher Behandlungsmaßnahmen führen können, zumal es sich um einen neuen invasiven Eingriff gehandelt habe. Zudem habe es sich um einen veterinärmedizinischen Eingriff gehandelt, den ein Huforthopäde gar nicht hätte vornehmen dürfe. Und der Eingriff sei auch nicht lege artis ausgeführt worden, da zu groß und ohne Druckverband.

Eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens nach § 254 BGB scheide aus. Wegen der Tätigkeit des Beklagten selbst war die Klägerin nicht veranlasst, unverzüglich einen Tierarzt zu rufen. Auch wenn sie als Pferdehalterin wohl einige Erfahrung habe, sei der der Beklagte als Huforthopäde weitaus erfahrener und hätte für sich keine Veranlassung für die Klägerin bestanden, noch einen Tierarzt (kurzfristig) hinzuzuziehen. Auch der Umstand, dass die Klägerin den Druckverband nicht anlegte, könne ihr entgegen der landgerichtlichen Entscheidung nicht zum Vorwurf gemacht werden, da sie das Erfordernis nicht habe erkennen können.


OLG Koblenz, Urteil vom 18.01.2017 - 5 U 1021/16 -

Freitag, 1. September 2017

Abwägungsgebot zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Tatsachenbehauptung

In dem Verfahren war streitgegenständlich, ob Ausführungen der Beschwerdeführerin (Verlegerin der taz) einen Unterlassungsanspruch des Kläger des Ausgangsverfahrens (einem Journalisten der BILD-Zeitung) rechtfertigen können. Dieser wurde in Bezug auf folgende Darstellung durch das Hans. OLG Hamburg (letztinstanzlich) stattgegeben: „Ob [der Kläger] die Wahrheit sagt oder lügt, ob er vom Wulff-M.-Sumpf wusste (oder womöglich selbst darin schwamm), ist kaum herauszufinden. In der großen Affäre um den Bundespräsidenten bleibt diese Frage allenfalls eine Randnotiz. [Der Kläger] muss, anders als der Bundespräsident, kaum fürchten, dass seine Verstrickungen enthüllt und seine Abhängigkeiten öffentlich werden. Er ist Journalist, nicht Politiker. Das ist, in diesem Fall, sein Glück.“

Das BVerfG sah darin eine Verletzung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und hob das Urteil des OLG auf unter gleichzeitiger Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung.

Vom Grundsatz hielt das BVerfG fest, dass Tatsachenbehauptungen durch objektive Beziehungen zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt würden und der Überprüfung durch Beweismittel zugänglich seien, demgegenüber eine Meinungsäußerung durch „Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens“ geprägt sei. Für die Feststellung des Schwerpunktes der Äußerung käme es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an.

Das OLG habe verfassungsrechtlich nicht vertretbar eine Äußerung der Beschwerdeführerin als Tatsache eingeordnet und damit vorliegend die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zur Anwendung gebracht, obwohl es zunächst selbst das Vorliegen einer Meinungsäußerung mit der Begründung verneint habe, die Beschwerdeführerin habe eine Bewertung vorgenommen. Eine Bewertung sei aber eine Meinungsäußerung, da sie keinem Beweis zugänglich sei. Deshalb sei die Ausführung unschlüssig. Im Übrigen habe das OLG verkannt, dass die kritische Bewertung der Äußerung des Klägers  und die auch nur als bloße Vermutung ausgewiesenen Zweifel an der Wahrheit des Klägers geprägt wären von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens und auch aus der Nähe des Klägers zu den in Frage stehenden Ereignissen ein Werturteil darstellen würden.

Da nicht auszuschließen sei, dass das OLG bei einer erneuten Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommt, sei der Rechtstreit unter Aufhebung des Urteils zurückzuverweisen.


BVerfG, Beschluss vom 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15