Freitag, 22. Dezember 2017

Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB: Nachweis des dem Vermieter entstehenden erheblichen Nachteils

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis über Wohnraum gegenüber den Beklagten  und begründete die Kündigung damit, dass das Gebäude abgerissen werden solle, eine Abrissgenehmigung auch bereits vorläge. Auf dem Gelände solle ein Objekt mit Gewerberäumen zur Erweiterung eines Modegeschäfts, deren Geschäftsführerin die Klägerin sei, errichtet werden. Nur der Abriss mit der Neuerrichtung von Gewerberaum würde eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks ermöglichen.

Der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage wurde in den Vorinstanzen stattgegeben. Der BGH hat auf die zugelassene Revision der Beklagten das Urteil aufgehoben  und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass die von der Klägerin geltend gemachten Gründe eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht rechtfertigen könne. Es ermangele hier an dem erheblichen Nachteil, der ohne die Verwertungskündigung drohe. Die Frage des Nachteil sei vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und dem damit einhergehenden Bestandsinteresse des Mieters zu prüfen. Das Eigentum gewähre dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder Nutzung mit größtmöglichen Vorteil. Die Nachteile des Vermieters bei Versagung einer Verwertungskündigung dürften aber auch keinen Umfang annehmen, der die Nachteile des Mieters bei Verlust der Wohnung wesentlich übersteige. Eine Generalisierung sei nicht möglich, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Es handele sich dabei um eine tatrichterliche Frage, die im Revisionsverfahren nur eingeschränkt geprüft werden könne.

Weder seien von dem Berufungsgericht tatsächliche Umstände festgestellt worden, die begründen könnten, dass die Klägerin mit der Verwertung langfristig Pachteinnahmen aus allen ihren Grundstücken zu sichern noch dafür, dass es sich bei der Erweiterung des Modegeschäfts um eine „existentielle Frage“ handele, noch sei von der Klägerin dazu etwas vorgetragen worden. Es würden insbesondere Feststellungen zu konkreten Nachteilen für die wirtschaftliche Situation der Klägerin fehlen. Eine vom Berufungsgericht vorgenommene pauschale Betrachtungsweise sei verfehlt, da dies letztlich dazu führe, dass der Vermieter zur bloßen Gewinnoptimierung nach Belieben verfahren könne.

Auch soweit seitens der Klägerin die Sicherung einer Schwestergesellschaft benannt worden sei, würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen können. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB stelle auf den Vermieter ab, nicht auf ein mögliches Interesse eines Dritten. Damit unterscheide sich dieser Kündigungsgrund von der Eigenbedarfskündigung, mit der auch zugunsten eines bestimmten Personenkreises die Kündigung ausgesprochen werden könne.

Im Rahmen des Gerichtsverfahrens könnten nur solche Gründe berücksichtigt werden, die der Vermieter in der Kündigungserklärung mitteilt. Die Interessen der Schwestergesellschaft seien nicht einmal in dem Kündigungsschreiben benannt worden.

Eine Zurückverweisung erfolgte, da sich das Landgericht mit anderen Kündigungsgründen (aus seiner Warte richtig) nicht auseinandergesetzt hat und dies nun nachzuholen hat.


BGH, Urteil vom 27.09.2017 - VIII ZR 243/16 -

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Rechtliches Gehör: Die Folgen des Übergehens des Bestreitens einer Zinsforderung im Berufungsverfahren

Die Nebenintervenientin zu 2. hatte zunächst Klage gegen fünf Beklagte im unterschiedlichen Umfang auf Honorar für Architektenleistungen erhoben. Die Forderung wurde zuzüglich Zinsen von 13% mit der Begründung der Inanspruchnahme von Bankkredit in entsprechender Höhe zu dem benannten Zinssatz geltend gemacht. Diese Behauptung blieb erstinstanzlich unstreitig. . Nach Insolvenz der Nebenintervenientin führte der Insolvenzverwalter als Kläger das Verfahren weiter.  Das Landgericht hatte die Beklagten mit Urteil vom 26.01.2001 in unterschiedlicher Höhe zuzüglich der Zinsen verurteilt. Während des Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Nebenintervenientin zu 2. am 15.04.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Insolvenzverwalter nahm das Verfahren auf. Die Berufung (hier der Beklagten) wurde zurückgewiesen. Im Berufungsverfahren wurde von den Beklagten die behauptete Inanspruchnahme von Bankkredit zu dem Zinssatz bestritten.

Das OLG wies diese Berufung zurück. Zu den Zinsen führte es aus, es sei unwahrscheinlich, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch weiter mit einem Zinssatz von 13% ein Verzugsschaden vorläge. Dies müsse aufgeklärt werden.

Der BGH hat auf die Revision der Beklagten das Urteil zum Zinsausspruch teilweise aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen. Es läge ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor, soweit das OLG für einen Zeitraum vom 06.03.2000 bis 15.04.2003 Zinsen in Höhe von 13% zugesprochen habe. Insoweit sei das OLG nicht auf das Bestreiten der Beklagten eingegangen.

Anmerkung: Aus den Entscheidungsgründen erschließt sich, dass die Beklagten erst im Berufungsverfahren den behaupteten Bankkredit (jedenfalls) zu dem benannten Zinssatz) bestritten haben. Der BGH geht nicht auf § § 531 ZPO (Zurückweisung von neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln) ein. Zwar ist neues Verteidigungsvorbringen in der Berufung nach § 531 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Der BGH geht darauf auch nicht ein. Er konnte auch darauf nicht eingehen, da das Berufungsgericht gar nicht auf das Bestreiten einging und es auch nicht nach § 531 ZPO zurückgewiesen hatte. Geht aber das Gericht auf Vortrag nicht ein, so auch auf neuen erheblichen (Verteidigungs-) Vortrag in der zweiten Instanz, liegt ohne weiteres die Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Denn es kann vom Revisionsgericht (BGH) nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht  bei Beachtung des Bestreitens zu einem für die Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre.


BGH, Beschluss vom 03.08.2017 - VII ZR 233/13 -

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Zur Modernisierungs-Mieterhöhung wegen Aufzugseinbau und Mietminderung wegen Entfalls des Trockenbodens

Die Klägerin vermiete an die Beklagten eine im 1. OG eines Hauses belegene Wohnung. Zum Einbau eines Fahrstuhls im Treppenhaus, der allerdings nicht im 1. OG sondern im Zwischenstock einen Stopp hat, nutzte die Klägerin einen Trockenboden, der bis dahin den Mietern zum Trocknen von Wäsche zur Verfügung stand.

Das Amtsgericht wies die Klage auf Erhöhung der Miete wegen Modernisierung (Aufzug) zurück und gab der Widerklage der Beklagten auf Minderung der Miete in Höhe von 2% (von der Bruttomiete) wegen Fortfalls des Trockenbodens statt. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung beabsichtigte das Landgericht zurückzuweisen; nach dem Hinweisbeschluss wurde die Berufung zurückgenommen..

Grundsätzlich kann bei Modernisierungsmaßnahme der Vermieter eine Erhöhung der Miete begehren, § 559 Abs. 1 BGB. Nach § 555b BGB kann eine Mieterhöhung erfolgen, wenn der Gebrauchswert der Wohnung nachhaltig erhöht und die Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurden vom Landgericht negiert (welches zwar nach § 559 Abs. 1 BGB a.F. urteilte, was aber zur jetzigen Rechtslage in der Sache keinen Unterschied darstellt.

Für die im 1. OG belegene Wohnung sei der kein Haltepunkt des Fahrstuhls eingebaut worden. Der vom Gesetz verlangte Gebrauchsvorteil könne aber nur angenommen werden, wenn die Wohnung aufgrund des Aufzugs besser, schneller und barrierefrei erreicht werden könnte, was hier nicht der Fall sei. Ein barrierefreier Zugang war weder vor Einbau des Fahrstuhls noch danach möglich gewesen. Es käme nicht darauf an, dass sich eventuell die Anzahl der Treppenstufen durch den Fahrstuhl verringert hätte.

Ebenfalls stelle der Einbau des Fahrstuhls keine Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse dar. Die Maßnahme müsse allen Wohnungen zugute kommen (wie z.B. Kinderspielplätze oder Grünanlagen im Außenbereich).

Da durch den Einbau des Fahrstuhls der Trockenboden nicht mehr nutzbar sei, hätten zudem die Beklagten ein Mietminderungsrecht, wobei offen bleiben könne, ob Grundlage § 573b Abs. 4 oder § 536 Abs. 1 BGB sei. Entscheidend sei, dass die Beklagten (unabhängig davon, ob sie dies nutzten oder nicht) die Möglichkeit hatten. Ihre Wäsche nicht in der Wohnung mittels Trockner oder aufgestellten Wäscheständer zu trocknen, sondern außerhalb derselben.


LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 16.05.2017 - 67 S 81/17 -

Dienstag, 19. Dezember 2017

Überschreiten der privaten Vermögensverwaltung (zur Abgrenzung § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu § 15 EStG nach der „Klammerrechtsprechung“)

Die Klägerin (eine 1978 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GBR))erklärte 2003 wie in den Vorjahren im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wozu u.a. ein Rathauserweiterungsbau und ein Straßenverkehrsamt (sogen. Dienstgebäude) gehörten. Daneben erklärte sie aus einer Beteiligung an einer GbR weitere Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie geringe Einnahmen aus Kapitalvermögen. In Bezug auf das Dienstgebäude Rathauserweiterungsbau lag dem zugrunde, dass die Stadt mit der Klägerin einen 1986 Erbbaurechtsvertrag schloss mit der Pflicht der Klägerin, auf dem Grundstück die Dienstgebäude zu errichten. Im Falle des Erlöschens des Erbbaurechts durch Zeitablauf sollte die Stadt gegen Zahlung eine bestimmte Entschädigung zahlen. Auch war vorgesehen, dass die Stadt die Übertragung des Erbbaurechts an sich verlangen konnte, wenn der Mietvertrag über die Vermietung an die Stadt unwirksam wäre oder endet. Das Mietverhältnis war auf die Dauer des Erbbaurechts von 20 Jahren ausgerichtet und endete 2007. Entsprechend schloss die Klägerin in 1002 einen Erbbaurechtsvertrag mit dem Landkreis; Erbbaurecht und Mietvertrag endeten 2013.

Im Rahmen einer Außenprüfung des Finanzamtes 1997 bis 2001 wurden die Einnahmen nach § 21 EStG festgestellt. Anlässlich einer Folgeprüfung 2003 – 2009 wurden die Einnahmen nach § 15 EStG als gewerbliche Einnahmen festgestellt und erging in 2013 ein entsprechender Änderungsbescheid (Feststellungsbescheid) für 2003.

Die Klägerin legte Einspruch und erhob gegen den Einspruchsbescheid iVm. dem Änderungsbescheid Klage. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamtes war erfolgreich und führte zur Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung und Zurückverweisung an das Finanzgericht.

Der BFH wies darauf hin, dass die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb bei der Vermietung von Grundstücken dann überschritten sei, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung des Grundbesitzes im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (so durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund trete.

Nicht im Hinblick auf eine von vornherein geplante Veräußerung (bzw. entgeltlichen Übertragung) der Dienstgebäude infolge Erlöschens des Erbbaurechts gegen Zahlung einer Entschädigung alleine sei der rahmen zur privaten Vermögensverwaltung überschritten worden. Auch sei kein gewerblicher Grundstückshandel (so z.B. die Überschreitung der 3-Objekte-Grenze als Indiz) anzunehmen. Allerdings habe hier die Tätigkeit der Klägerin über die private Vermögensverwaltung deshalb hinausgegangen sein können, wenn das Gesamtkonzept der Klägerin darin bestanden habe, auf den Erbbaugrundstücken Bauwerke zu errichten, diese an den Grundstückseigentümer zu vermieten und nach Ablauf der Vermietzeit einer von vornherein fest vereinbarten Entschädigung entgeltlich zu übertragen. Diese „Verklammerungsrechtsprechung“ sei für bewegliche Wirtschaftsgüter anerkannt (BFHE 258, 403). Diese Rechtsprechung sei entgegen der Annahme  des Finanzgerichts auch auf unbewegliche Wirtschaftsgüter übertragbar. Die Umschichtung trete in diesen Fällen klar in den Vordergrund gegenüber der Fruchtziehung aus den Substanzwerten. Dem stünde die Haltefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 EStG nicht entgegen. Auch eine Reinvestition des Veräußerungserlöses in ein nämliches Objekt würde hier nicht dazu führen, noch eine private Vermögensverwaltung anzunehmen.

Entscheidend sei (und dazu hatte das Finanzgericht keine Feststellungen getroffen, weshalb es zu einer Zurückverweisung kam), ob bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Vertragsabschlüsse feststand, ob das zu erwartende positive Gesamtergebnis sich nur unter Einbeziehung der am Schluss zu zahlenden Entschädigung durch die Grundstückseigentümer realisieren ließ.


BFH, Urteil vom 28.09.2017 - IV R 50/15 -

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Einziehung von Sachverständigenkosten nach Abtretung derselben

Die Klägerin, ein anerkanntes Inkassounternehmen, machte Forderungen eines Sachverständigen gegen die beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend. Grundlage war die Erstellung eines Gutachtens durch den Sachverständigen für einen Unfallbeteiligten. Der Sachverständige ließ durch seinen Auftraggeber ein Auftragsformular unterschreiben, in dem zur Sicherung des Honorars des Sachverständigen dieser sich die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers auf Erstattung der Sachverständigenkosten abtreten ließ.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, die Abtretung  dieser Forderung würde einen Verstoß gegen §§ 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 RDG darstellen und daher nichtig sein, § 134 BGB. Dem folgt der BGH nicht.

Der BGH ließ offen, ob es sich bei der Einziehung der abgetretenen Schadensersatzforderung um eine Rechtsdienstleistung handelt, ließ der BGH offen. Jedenfalls würde dies kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 5 RDG darstellen. Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zu Mietwagenunternehmen (so z.B. BGH vom 31.01.2012 - VI ZR 143/11 -) sei die Geltendmachung der abgetretenen Forderung auf Erstattung Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen dann nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, wenn nur die Höhe der Mietwagenkosten streitig sei. Für den Sachverständigen könne nichts anderes gelten. Da vorliegend nur die Höhe der Sachverständigenkosten im Streit stand (insbes. also nicht die Haftung), dürfte der Sachverständige seine abgetretenen Honoraransprüche als Schadensersatz bei dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer geltend machen.

Bedenken hatte allerdings der BGH an der weiteren Zession durch den Sachverständigen an das Inkassounternehmen. Die Weiterabtretungsklausel,  nach der der Sachverständige „die vorstehend vereinbarte Forderung inkl. aller Nebenrechte und Surrogate zur Abtretung“ der Klägerin anbiete, enthalte nicht das Angebot auf Übertragung der dem Sachverständigen vom Geschädigten abgetretenen Schadensersatzansprüche. Entscheidend bei der Auslegung einer Formularklausel sei aber der Wortlaut. Ist damit unklar, ob auch die Schadensersatzansprüche mit abgetreten wurden, käme § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung (Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders). Damit aber hatte sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt und mithin auch keine notwendigen Feststellungen getroffen, weshalb eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht erfolgte. Unklar blieb, wer Verwender der Klausel ist, ferner, ob die Beteiligten sich über die Auslegung einig waren.


BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

Sonntag, 3. Dezember 2017

Gewerberaum-Mietrecht: Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel und treuwidrige Kündigung

Die Klägerin begehrte die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen.  Beklagte hatte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 08.12.1998 einen Mietvertrag geschlossen (der u.a. vorsah dass die Müllgebühren zu den vom Mieter zu tragenden Betriebskosten gehören) und am 11.10.2006 einen „1. Nachtrag zum Mietvertrag“. In dem Nachtrag wurde eine Indexierung vereinbart. Ferner enthielt der Nachtrag eine Regelung, dass den Parteien bekannt sei, dass „dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat… der Schriftform bedarf.“ Damit im Zusammenhang heißt es: „Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen, und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun. Dies gilt sowohl für den Mietvertrag, als auch sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen.“

Mit der Klägerin wurde am 16.12.2009 ein 2. Nachtrag geschlossen, nach der die Mietzeit bis zum 31.05.2020 (mit Verlängerungsoption für den beklagten) verlängert wurde. Auch hier wurde eine Klausel in Bezug auf das ausdrücklich benannte Schriftformerfordernis nach § 550 BGB aufgenommen mit der Ergänzung dahingehend, bis zur Vornahme eventuell notwendiger Handlungen und Erklärungen das Mietverhältnis nicht unter Berufung auf die fehlende Schriftform zu kündigen. Mit einem Schreiben vom 15.01.2011 bat die Klägerin den Beklagten um eine Veränderung der Indexklausel, wonach statt 10%-Punkte nunmehr 5%-Punkte für eine Anpassung ausreichend sein sollten und der Beklagte dies mit dem handschriftlichen Zusatz „6% einverstanden“ zurücksandte.

Mit Schreiben vom 20.06.2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.12.2014. Im Berufungsverfahren legte sie ein Schreiben des Beklagten vom 24.12.2015 vor, mit dem dieser sich gegen die Abrechnung von Müllgebühren wandte mit Hinweis darauf, sich mit dem vormaligen Eigentümer geeinigt zu haben, dass für ihn eine Mülltonne nicht angeschafft würde.

Der BGH sah das Schriftformerfordernis des Vertrages, welches für die vereinbarte Mietzeit bis  2020 erforderlich wäre und der hier vorliegenden ordentlichen Kündigung entgegenstehen würde, als nicht gegeben an.  Er verwies darauf, dass das Schriftformerfordernis bedeute, dass sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen  (so insbes. Mietgegenstand, Miethöhe, Mietdauer und Parteien) aus der von beiden Parteien zu unterzeichnenden Urkunde ergeben müsse. Ergibt sich dies nur aus möglichen Anlagen, sei eine zweifelsfreie Verbindung (die nicht notwendig körperlich sein müsse) erforderlich. Dem entsprächen die Bezugnahmen in den zwei Nachträgen und dem ursprünglichen Mietvertrag. Auch die Müllgebühren würden hier der Schriftformklausel nicht entgegenstehen, da der Beklagte ohnehin nur die Kosten zu tragen habe, die (für ihn auch) anfallen. Allerdings sei die Änderung der Indexierung nicht von der Schriftformklausel gedeckt, da hier (auch nicht gedanklich) auf die wesentlichen Grundlagen der vertraglichen Regelungen verwiesen wurde, sondern lediglich diese Klausel angesprochen wurde.

Dies konnte vorliegend nach Auffassung des BGH auch nicht durch die Schriftformklausel geheilt werden. Derartige Schriftformklauseln wären möglich, wenn z.B. in einem Vorvertrag ein langfristiges Mietverhältnis vereinbart worden wäre oder wenn bei nachträglichen Vereinbarungen dafür Sorge getragen werden solle, dass die Schriftform gewahrt wird und dadurch die langfristige Bindung gesichert würde. In diesen Fällen würde es darum gehen, den Vorgaben des Vorvertrages zu entsprechen und einen formwirksamen Vertrag zu schaffen oder um einem konkret befürchteten Formmangel entgegenzuwirken. Vorliegend sei dies aber anders. Hier sollte für jedweden fall des Verstoßes eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Schriftform bestehen. Im Übrigen aber sei mit Blick auf den Schutzzweck des § 550 BGB die Schriftformheilungsklausel nicht wirksam abdingbar. Denn im Falle ihrer Gültigkeit würde der von ihr vorgesehene Übereilungsschutz ausgehöhlt und die wichtige Warnfunktion letztlich leerlaufen.  

Allerdings wäre dies hier für die Klägerin nicht weiterführend. Denn insoweit nahm der BGH einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) an. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läge dann vor, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Vereinbarung, die nur ihrem Vorteil diene, nur wegen der fehlenden Schriftform zum Anlas nähme, sich von einem ihr zwischenzeitlich als lästig angesehenen Mietvertrag zu lösen. Die Neureglung der Indexierung, für der es an der Schriftform fehlt, was sich auf den Mietvertrag insgesamt auswirkt, wäre hier für die Klägerin vorteilhaft gewesen, da die Erhöhung statt erst nach einer Indexänderung von 19%-Punkten schon ab (so die Zustimmung des Beklagten) 6%-Punkten möglich wurde.


BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -

Donnerstag, 30. November 2017

Eigenbedarfskündigung, Anbietpflicht und „fliegender Wohnungswechsel“

Die Tochter der Klägerin bewohnte im Haus der Klägerin  im 4, OG eine 100qm große 4-Zimmer- Wohnung mit ihrem Ehemann. Die Beklagten waren Mieter einer ca. 170qm großen 6-Zimmer-Wohnung im EG und wohnten dort mit ihrer erwachsenen Tochter. Die Klägerin kündigte den Beklagten wegen Eigenbedarfs zur Nutzung durch ihre Tochter und legten dar, dass diese aus gesundheitlichen Gründen auf die Wohnung angewiesen sei. Der Kündigungsgrund wurde von den Beklagten bestritten.

Die Räumungsklage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens der Klägerin vor den BGH räumten die Beklagte und die Hauptsache wurde für erledigt erklärt. Der BGH entschied auf Kostenaufhebung, da der Kündigungsgrund streitig sei.

In der Sache hatte das Landgericht die Räumungsklage nicht deshalb zurückgewiesen, da der Kündigungsgrund nicht bestünde. Vielmehr ist das Landgericht davon ausgegangen, die Klägerin hätte den Beklagten die durch den Umzug der Tochter freiwerdende Wohnung im 4. G anbieten müssen. Dies, so der BGH, sei unzutreffend.

Der BGH verweist darauf, dass eine Anbietpflicht dann nicht bestünde, wenn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine Wohnung nicht frei wird. Vorliegend wäre die Wohnung der Tochter der Klägerin erst mit deren Umzug in das EG und damit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei geworden, weshalb die Klägerin diese Wohnung nicht hätte anbieten müssen. Eine solche Pflicht ließe sich auch nicht aus dem Gebot der Rücksichtnahme herleiten. Es könne entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht ein „fliegender Wohnungswechsel“ vom Vermieter erwartet werden; eine solche Erwartung beruhe auf einer einseitig an den Interessen des Mieters ausgerichteten, den Charakter der Rücksichtnahmepflichten grundlegend verkennenden Bewertung.

Dies würde ungeachtet der weiteren Frage gelten, ob hier nicht die Initiative von dem Mieter hätte ausgehen müssen, da die Wohnung im 4. OG nach Größe, Zuschnitt und Lage nicht ernsthaft als vergleichbar mit jener im EG angesehen werden könne.


BGH, Beschluss vom 19.07.2017 - VIII ZR 284/17 -

Mittwoch, 22. November 2017

Beschaffenheitsvereinbarung einer beauftragten Werkleistung ist durch Auslegung festzustellen

Der Beklagte beauftragte die Klägerin mit Malerarbeiten in einer Produktionshalle. Dort legte die Klägerin eine ca. 20mm² große Probefläche an, nachdem sie diese Fläche zunächst gereinigt und vorbereitet hatte. Die Fläche war dann schneeweiß. Nach Besichtigung erteilte der Beklagte den Auftrag. Als sich während der  Arbeiten Vergilbungen und Flecken zeigten, haben die Parteien einvernehmlich den Vertrag vor Fertigstellung aller Arbeiten aufgehoben. Der Beklagte verweigerte die Abnahme der erbrachten Leistungen wegen der Vergilbungen und begehrte Mangelbeseitigung. Die Schlussrechnung der Klägerin, bei der sie ordnungsgemäß die Abschlagszahlungen des Beklagten berücksichtigte, wurde von ihm nicht gezahlt. Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen; auf die Berufung gab ihr das OLG dem Grunde nach statt. Auf die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde die Revision vom BGH zugelassen und das Urteil aufgehoben sowie der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Der BGH geht in seiner Entscheidung mangels anderweitiger Feststellungen des OLG davon aus, dass sich die Parteien auf den Weiß-Farbton verständigt hätten, den die Probefläche hatte. Es sei nicht über eine mögliche Vergilbung gesprochen worden und der Beklagte habe auch über kein besonderes Wissen bezüglich der Vergilbung von Weißanstrichen verfügt.

Mangelhaft ist ein Werk, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit nicht hat, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB. Zur Beschaffenheit würden alle Eigenschaften gehören, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Gegenstand der Beschaffenheit könne auch die Farbe des Anstrichs sein. Die Beschaffenheitsvereinbarung könne ausdrücklich getroffen werden oder durch schlüssiges Verhalten. Ob in diesem Sinn eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden sei, sei durch Auslegung zu ermitteln.

Die Auslegung von Willenserklärungen sei Angelegenheit des Tatrichters. Eine Überprüfung im Revisionsverfahren finde nur zur Prüfung statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, aberkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehöre der Grundsatz der beiderseitigen interessensgerechten Vertragsauslegung.

Danach halte die Auslegung des OLG revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Ergebnis des OLG, hinsichtlich der Farbstabilität habe es keine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung gegeben, beruhe auf dem Verstoß gegen den Grundsatz der beiderseits interessensgerechten Vertragsauslegung. Hier sei die berechtigte Erwartung des Bestellers von Bedeutung. Mangels Erörterung eines Vergilbungsrisikos und mangels eigenen Fachwissens und der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten hätte dieser die berechtigte Erwartung hegen dürfen, dass nicht innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Jahr eine nicht unwesentliche Vergilbung auftritt. Da das OLG diesen bedeutsamen Gesichtspunkt nicht hinreichend gewürdigt habe, habe es zum Nachteil des Beklagten entschieden.

Das OLG müsse nunmehr klären, ob und ggf. wie der Beklagte von der Klägerin vor oder bei Vertragsschluss auf das Risiko hingewiesen worden sei und wie sich der Beklagte dazu ggf. geäußert habe.


BGH, Urteil vom 31.08.2017 - VII ZR 5/17 –

Montag, 20. November 2017

Betriebskostenabrechnung und deren formelle Ordnungsgemäßheit gem. § 556 BGB

Im Rahmen einer vom Landgericht zugelassenen Revision musste sich der BGH u.a. mit der Frage der Ordnungsgemäßheit von zwei Betriebskostenabrechnungen auseinandersetzen. Da das klageabweisende Urteil des Landgerichts erhebliche formelle Fehler aufwies, erfolgte eine Aufhebung und Zurückverweisung, wohl der Senat allerdings die Gelegenheit nutzte, dem Landgericht einige Hinweise zu erteilen, wohl erkennend, dass dieses hier fehlerhaft bei der rechtlichen Beurteilung vorgegangen sein könnte:

Die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung würde sich an den nach § 556 Abs. 3 S. 1 BGB entwickelten Kriterien orientieren, die das Landgericht außer Acht gelassen habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die an eine solche Abrechnung zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden dürften.  

Die ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung stelle sich als eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben dar, ohne dass zu hohe Anforderungen gestellt werden dürften. Entscheidend sei alleine, ob sie dem Mieter die Möglichkeit eröffne, die einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil daran gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Grundsätzlich seien daher mangels anderweitiger Abreden für ein Mehrfamilienhaus anzugeben:

-          Zusammenstellung der Gesamtkosten
-          Angabe (und erforderlichenfalls Erläuterung) des Verteilungsschlüssels
-          Berechnung des auf den Mieter entfallenden Anteils
-          Abzug von geleisteten Vorauszahlungen

Dem seien die hier streitgegenständlichen Abrechnungen gerecht geworden. Es sei notwendig aber auch ausreichend, dass der Mieter die ihn treffenden Kosten bereits aus der Abrechnung ersehen und überprüfen könne und eine Einsichtnahme in belege nur noch der Kontrolle und Beseitigung von Zweifeln dienen würde.

Die Nachvollziehbarkeit für den Mieter sei hier auch nicht deswegen gestört gewesen, da der Mieter die auf der 3. Seite aufgeführten und ihn treffenden Kostenanteile nur habe nachvollziehen können, wenn er die auf den zwei vorherigen Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführe. Denn der Zusammenhang würde sich auch einen Laien ohne weiteres erschließen: Auf der ersten Seite wären 15 genau bezeichnete Kostenpositionen aufgelistet, auf der zweiten Seite dann diese unter gleicher Bezifferung auf vier verschiedene Umlagearten (Nutzfläche, Einheiten, Techem, Wasser) aufgeschlüsselt worden. Auf der dritten Seite schließlich wären aus den Gliederungspunkten der zweiten Seite die Umlagearten tatsächlich mit den auf den Mieter entfallenden Beträgen benannt. Unschädlich sei, dass die auf den Mieter entfallenden Anteile bei der gewählten Abrechnungsweise  die auf den Mieter entfallenden Kosten nur zusammengefasst nach dem jeweiligen Umlageschlüssel und nicht für alle 15 Kostenpositionen getrennt aufgeführt wären.

Im Übirgen würde sich ein formeller Mangel auch nicht dadurch ergeben, dass bei der Treppenhausreinigung nicht der Umlageschlüssel Wohn- und Nutzfläche sondern Laden bzw. Wohneinheiten verwandt wurde, ebenso wie es unschädlich sei, dass in der Abrechnung 2013 bei wasser- und Kanalkosten zwei unterschiedliche Beträge benannt worden seien, von denen nur der höhere Betrag umgelegt worden sei. Für die entscheidende formelle Ordnungsgemäßheit sei es lediglich erforderlich, dass der Mieter wisse, welcher Abrechnungsmaßstab oder Betrag in Ansatz gebracht wurde; die Richtigkeit der gewählten Bemessungsgrundlage bzw. des ausgewiesenen und zugrunde gelegten Betrages ist keine Frage der formellen Ordnungsgemäßheit, sondern der davon unabhängigen Frage der inhaltlichen Ordnungsgemäßheit (die aber nichts mehr mit der Frist zur Vorlegung der formal ordnungsgemäßen Abrechnung binnen Jahresfrist gemäß § 556 Abs. 3 BGB  zu tun hat).  


BGH, Urteil vom 19.07.2017 - VIII ZR 3/17 -

Kaskoversicherung: Erstattung des Bruttowiederbeschaffungswerts bei Ersatzbeschaffung unabhängig vom Anfall von Umsatzsteuer

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Nach einem Unfallschaden mit Totalschaden des versicherten Fahrzeuges begehrt er von der Beklagten Zahlung von € 9.579,83 (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und abzüglich Selbstbeteiligung). Tatsächlich hatte der Kläger Wiederbeschaffung Kosten mit netto € 64.500,00 oberhalb der Brutto-Wiederbeschaffungskosten aufgewandt.

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger den mit Umsatzsteuer berechneten Wiederbeschaffungswert zugrunde legen kann, wenn er für die Wiederbeschaffung (wie hier) keine Umsatzsteuer gezahlt hat, obwohl die Wiederbeschaffungskosten insgesamt höher waren als der zugrunde gelegte Bruttowert. Der diesen Erstattungsanspruch auf Bruttobasis negierenden Beklagten Versicherung folgte das Landgericht. Auf die Berufung des Klägers gab das OLG allerdings der Klage statt.

Das OLG sah einen Erstattungsanspruch auf Grund der dem versicherungsvertrag zugrundeliegenden AKB [hier: A.2.6.1.a), e) AKB 2013] als begründet an. Dabei verwies es auf eine eine ähnliche Klausel eines Versicherers (dort § 13 AKB) betreffende Entscheidung des Saarländischen OLG vom 28.01.2009 - 5 U 278/08 -, in der das Saarl. OLG zutreffend darauf hingewiesen habe, dass (wie vorliegend auch) die Klausel mit ausreichender Klarheit zum Ausdruck bringen würde, dass ebenso wie im Schadensrecht der tatsächlich aufgewandte Betrag bis zur Höhe des Bruttowiderbeschaffungswertes ersetzt werde, und zwar unabhängig davon, ob im Kaufpreis eine Regelumsatzsteuert, eine Differenzsteuer oder gar keine Umsatzsteuer enthalten sei. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde die Formulierung auf die fiktive Abrechnung beziehen, also den Fall, dass eine Ersatzbeschaffung oder Reparatur nach Vorlage eines Gutachtens doch nicht erfolge. Er käme nicht auf den Gedanken, dass im Falle eines Kaufs von Privat (ohne Anfall der Umsatzsteuer) dies von der Regelung in den AKB erfasst werde.

Ferner, so das OLG, müsse man auch den Fall bedenken, dass der Versicherungsnehmer ein Ersatzfahrzeug exakt zu dem Kaufpreis des ermittelten Wertes für das beschädigte Fahrzeug erwerbe, nur eben ohne Umsatzsteuerausweis sondern, da von Privat, auf Nettobasis. Er würde nicht auf den Gedanken kommen, dass ihm die Kosten nicht in voller Höhe erstattet würden, sondern die nach Gutachten ermittelte Umsatzsteuer fiktiv abgesetzt würde.

Darüber hinaus spräche auch der Zweck einer Kaskoversicherung für die Auslegung zu einen Gleichlauf mit der schadensrechtlichen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Versicherungsnehmer erstrebe mit dieser Versicherung regelmäßig nicht nur Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens, sondern auch Befreiung vom Risiko der Durchsetzung beim Gegner bei unklarer Haftungslage. Er könne der an § 249 Abs. 2 S. 2 BGB angelehnten Klausel nicht entnehmen, dass der Umfang des Anspruchs gegen den Versicherer generell gegenüber dem Anspruch gegen den (alleine haftenden) Schädiger zurückbleibe.


OLG Celle, Urteil vom 06.10.2016 - 8 U 111/16 -

Samstag, 18. November 2017

Auslegung der Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich

Der Kläger begehrte Maklergebühren wegen Vermittlung von Kaufverträgen über Eigentumswohnungen aus einem Bauvorhaben des Beklagten  und erhob eine Teilstufenklage. Nach Erörterung im Termin vor dem Landgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, nach dem der Beklagte € 107.100,00 zur Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Bauvorhaben und einer dazu getroffenen Vereinbarung. Die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben wurden, sollte der Beklagte tragen. Der Kläger legte seinem Kostenfestsetzungsantrag für die termingebühr einen Wert von € 107.200,00 zugrunde, die Rechtspflegerin setzte sie allerdings nur aus einem Wert von € 10.000,00 fest. Die Beschwerde des Klägers und die zugelassene Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.

Der BGH wies darauf hin, dass die Terminsgebühr nicht unter Einbeziehung der vom Vergleich umfassten, bis dahin jedoch nicht rechtshängigen Ansprüchen festzusetzen sei. Richtig sei zwar, dass durch die Erörterung nicht rechtshängiger Ansprüche mit dem Ziel einer Einigung die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG aus einem Streitwert von € 107.100,00 entstanden sei. Daraus ergäbe sich aber nicht, in welchem Umfang die eine oder andere Partei nach einem Vergleichsschluss diese Kosten zu tragen habe. Entscheidend sei die im Vergleich getroffene Kostenregelung und ihre Auslegung, wobei ein Rückgriff auf § 98 ZPO wegen der Kostenvereinbarung ausscheide.

Vorliegend hätten die Parteien vereinbart, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden sollten, also eine wechselseitige Erstattung nicht stattfinden sollte. Zwar werde die Auffassung vertreten, dass die Terminsgebühr insgesamt zu den Kosten des Rechtsstreits zähle und unabhängig vom Vergleichsabschluss anfalle;  aber es werde auch die Ansicht vertreten, dass die nur durch die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in den Vergleich entstehenden Teile der Verfahrens- und Terminsgebühr nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Wert regelmäßig zu den Kosten des Vergleichs gehöre würden.

Der letzteren Ansicht folgt der BGH. Es sei zwischen der Entstehung der Terminsgebühr und ihrer Erstattung aufgrund der Kostenregelung im Vergleich zu unterscheiden. Die Terminsgebühr würde unabhängig vom Vergleichsschluss nur in Höhe der bis zum Beginn der Erörterungen über den Vergleichsabschluss bereits rechtshängigen Ansprüche anfallen. Ohne den Willen der Parteien, eine umfassende vergleichsweise Regelung zu finden, käme es nicht zu einer Erörterung dieser weiteren Ansprüche und würde deswegen auch keine erhöhte Terminsgebühr anfallen.


BGH, Beschluss vom 14.06.2017 - I ZB 1/17 -

Freitag, 17. November 2017

Insolvenzeröffnung: Kein Grund zur Kündigung aus wichtigem Grund eines nach Eröffnungsantrag abgeschlossenen Werklieferungsvertrages

Die Schuldnerin war aus einem Rahmenvertrag aus dem Jahr 2008 zur Lieferung von Metallgussteilen gegenüber der Beklagten verpflichtet. Im Oktober 2012 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und  der Kläger wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt mit weitergehender Verfügung dahingehend, dass Verfügungen der Schuldnerin seiner Zustimmung bedürfen. Der Kläger machte eine Fortsetzung der Lieferung von einem Preisaufschlag von 30% abhängig, was dann entsprechend auch am 01./04.03.2013 vertraglich mit einer Laufzeit bis zum 31.03.2013 vereinbart wurde. Am 26.03.2012 wurde der Kläger vom Insolvenzgericht zum starken Verwalter bestellt. Am Folgetag wies er die Beklagte auf die zum 01.04.2012 geplante Eröffnung des Insolvenzverfahrens hin und forderte für Lieferungen ab dem 01.04 einen Aufschlag von 38% auf die ursprünglichen Preise mit Hinweis darauf, dass er im Falle einer entsprechenden Vereinbarung sein Wahlrecht nach § 103 InsO nicht ausüben würde. Die Beklagte lehnte mit beim Kläger am 02.04. eingegangenen Schreiben vom 28.03. ab, da sie sich nicht weiter unter Druck setzen lassen wolle und keine Grundlage für eine weitere Geschäftsbeziehung sähe, worauf der Kläger antwortete, er werde die Produktion einstellen. Die beklagte wies darauf hin, nach ihrer Ansicht läge in den seit 01.04. ausbleibenden Lieferungen implizite eine Wahl der Nichterfüllung.

Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen Nichtabnahme abzüglich ersparter Aufwendungen. Seine Klage war in allen Instanzen erfolgreich.

Es bestand, so der BGH, ein Vertrag auf der Grundlage des Rahmenvertrages aus 2008 mit der Änderung vom 01./04.03.2013. Es würden daher §§ 651 S. 3, 649 BGB gelten. Das Schreiben der Beklagten vom 28.03.2013 sei als Kündigung auszulegen. Das Kündigungsrecht des § 649 BGB bestehe auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Kündigung sei auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 27.03.2013 unwirksam.

Der Insolvenzverwalter könne nach § 103 InsO die Erfüllung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen, beidseits nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangen oder ach auch die Erfüllung ablehnen; eine inhaltliche Änderung durch den Insolvenzverwalter sei ausgeschlossen. Ein unter Vorbehalten erklärtes Erfüllungsverlangen werde daher häufig als Ablehnung der Erfüllung angesehen. Allerdings entstünde das Wahlrecht des Insolvenzverwalters erst nach Insolvenzeröffnung, bestand mithin hier am 27.03.2013 nicht. Auch bestand kein Vertrauensschutz.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund waren nach Ansicht des BGH nicht erfüllt.

So lägen die Voraussetzungen des § 314 BGB nicht vor. Zwar habe es sich bei dem Rahmenvertrag um ein Dauerschuldverhältnis gehandelt, do sei dessen Kündigung nicht streitgegenständlich. Es ginge vorliegend um den Schaden aus der Nichterfüllung der einzelnen darauf beruhenden Werklieferungsverträge.

Auch läge kein wichtiger Grund iSv. § 648a Abs. 1 S. 2 BGB vor. Zwar sei vom BGH bereits entscheiden worden, dass bereits ein Eigenantrag eines Unternehmens auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als wichtiger Grund angesehen werden könne (Urteil vom 07.04.2016 - VII ZR56/15 -), da der Gläubiger ein schwerwiegendes, die Interessen des Schuldners überragendes Interesse daran habe, im Falle des Eigeninsolvenzantrages frühzeitig aus dem Vertrag herauszukommen und einen möglichen Schaden geltend machen zu können, ohne gem. § 649 S. 2 BGB gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung ohne Leistung verpflichtet zu sein. Ein solcher Fall habe aber hier nicht vorgelegen, da vorliegend die Kündigung einzelne Werklieferungsverträge betraf, die erst nach dem Insolvenzantrag und in dessen Kenntnisabgeschlossen worden wären. 

Die Insolvenzeröffnung selbst stelle hier keinen wichtigen Grund für eine Kündigung durch die Beklagte dar. Mit der Eröffnung hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Verwalter zur Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO aufzufordern, was nicht erfolgte. Aber selbst wenn er aufgefordert worden wäre und sich für die Erfüllung entschieden hätte, wäre aus Sicht der Beklagten möglicherweis zu befürchten gewesen, dass die geschuldeten Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht werden. Dies sei aber ein allgemeines Risiko, welches die Kündigung nicht rechtfertigen könne.

Auch vermag sich die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht erfolgreich auf das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 27.03.2013 berufen, er würde sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr an die Vereinbarung vom 01./04.03. 2013 gebunden fühlen. Das Wahlrecht entstünde erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (hier: 01.04.2013) und hätte vorher nicht ausgeübt werden können mit der Folge, dass der Verwalter also an der vertraglichen Abrede vom 01./04.03.2013 gebunden war.

Für den Anspruch nach § 649 S. 2 BGB wäre eine Erfüllungswahl nicht erforderlich. Der Kläger könne  zwar nur solche Ansprüche geltend machen, bei denen er die Erfüllung gewählt habe; hier aber habe die Beklagte wirksam gekündigt, weshalb eine Erfüllung für ihn aus Rechtsgründen nicht mehr möglich war.

Fazit: Ein Kündigungsrecht aus wichtigen Grund besteht, wenn nach Vertragsabschluss ein (Eigen-) Insolvenzantrag über das Vermögen des Vertragspartners gestellt wird. Kommt es aber zu einem Vertrag mit dem Gemeinschuldner nach dem Insolvenzeröffnungsantrag, besteht auch bei Eröffnung der Insolvent kein wichtiger Grund. Der Gläubiger kann nach Eröffnung allenfalls den Insolvenzverwalter auffordern, von seinem Wahlrecht nach § 103 InsO (Wahl zwischen Erfüllung und Nichterfüllung) Gebrauch zu machen.



BGH, Urteil vom 14.09.2017 - IX ZR 261/15 -

Dienstag, 14. November 2017

Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt grundsätzlich tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers sowie Leistungsfähigkeit voraus

Streitgegenständlich in dem Verfahren vor dem BAG war, ob der Arbeitgeber  (Beklagter) in Annahmeverzug mit der von der Arbeitnehmerin (Klägerin) angebotenen Arbeitsleistung war. Die Klägerin machte mit ihrer Klage Vergütungsansprüche geltend. Das BAG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wenn ein Verzug des Arbeitgebers vorliegt, der (trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung auch bei einem Angebots zur Erbringung) vorliegt. Hintergrund war, dass die Klägerin erkrankt war und für längere Zeit arbeitsunfähig war. Am 06.02.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten schriftlich mit, sie könne ihre Tätigkeit in der Grundpflege nicht mehr ausüben, andere leichtere Tätigkeiten, wie Behandlungspflege oder Bürotätigkeiten seien ihr aber möglich. In einem Protokoll über ein Gespräch vom 03.06.2913 heißt es zur Vorstellung der Klägerin für weitere Tätigkeiten: „reine Behandlungspflege, nichts heben“. Am 31.01.2014 erschien die Klägerin weisungsgemäß im Altenpflegeheim des Beklagten und bot ihre Arbeitsleistung an; nach Klärung ihrer Einsatzmöglichkeiten wurde sie wieder nach Hause geschickt. Nach Kündigung durch den beklagten wurde in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren am 11.96.2014 ein Vergleich geschlossen, demzufolge die Klägerin zu geänderten Bedingungen ab dem 01.06.2014 als Verwaltungskraft weiter tätig wurde. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs des Beklagten für den Zeitraum Februar bis Mai 2014.

Zunächst stellt das BAG fest, der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs würde nicht an dem Erfordernis eines Angebotes der geschuldeten Arbeitsleistung durch die Klägerin scheitern. Tatsächlich habe die Klägerin bei ihrem Erscheinen am 31.01.2014 ihre Arbeitsleistung für ihre bisherige Arbeit in der stationären Pflege angeboten. Zwar ließe sich nicht feststellen, dass sie ihre Leistung als Pflegekraft in einem Team W., wie es an sich notwendig gewesen wäre,  angeboten habe. Allerdings sei sie der Weisung nachgekommen, sich bei der Leiterin des Altenpflegeheims zu melden. Deshalb sei sie so zu stellen, als habe sie die geschuldete Leistung ordnungsgemäß angeboten.

Gleichwohl sei der Beklagte dadurch nicht in Annahmeverzug geraten, da die Klägerin im Streitzeitraum außerstande war, die geschuldete Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die Leistungsfähigkeit sei eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit (entbehrlich, wenn von vornherein dieses abgelehnt worden wäre) unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums bestehen müsse. Die Klägerin war nach eigner Angabe nicht in der Lage, eine Arbeit in der stationären Pflege zu erbringen, wie auch nicht in der Lage, alle in der ambulanten Pflege des Team W. anfallenden Arbeiten zu verrichten. Ginge es nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, sondern darum, die Arbeitsplätze der im Team W. Beschäftigten so zuzuschneiden, dass dadurch für sie dort eine Arbeitsplatz mit nach  ihrer Ansicht „nicht-schwerer Tätigkeit entstünde, wäre der beklagte nach § 241 Abs. 2 BGB nicht verpflichtet.

Anderes würde nur dann gelten, wenn im Team W. beschäftigte Arbeitnehmer keine inhaltlich klar definierten Arbeitsplätze zugewiesen worden wären, wäre es an dem Arbeitgeber, im Rahmen der Möglichen und Zumutbaren auf gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Entscheidend wäre, ob dies im konkreten Fall möglich gewesen wäre (was von den Vorinstanzen nicht geprüft wurde).  Auch habe sich (ohne dass dem bisher nachgegangen wurde) die Klägerin darauf berufen, dass am 01.02.2014 freie Arbeitsplätze  außerhalb der Pflege bzw. ohne Pflegetätigkeiten vorhanden gewesen seien, auf denen sie hätte eingesetzt werden können. Da diesen Aspekten das Landesarbeitsgericht noch nachgehen müsse, erfolgte eine Zurückverweisung an dieses.


BAG, Urteil vom 28.06.2017 - 5 AZR 263/16 -

Mittwoch, 8. November 2017

Keine Aufhebung des rechtskräftigen Zwangsgeldbeschlusses nach Erfüllung

Im Scheidungsverbundverfahren war ein Verfahren über den Versorgungsausgleich anhängig. Die Antragsgegnerin kam der gerichtlichen Aufforderung, ein Formular auszufüllen und unterschrieben einzureichen, nicht nach. Nach Erinnerung und Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung eines Zwangsgeldes, setzte das Amtsgericht (AG)  gegen die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29.01.2015 ein Zwangsgeld in Höhe von € 500,00 fest. Nachdem das Formular weiterhin nicht eingereicht wurde, erteilte das AG am 12.05.2015 Vollstreckungsauftrag. Daraufhin zahlte die Antragsgegnerin am 22.06.2015 das Zwangsgeld sowie die Gerichts- und Vollstreckungskosten und reichte am 19.08.2015 das ausgefüllte Formular nebst Anlagen (dies am 10.10.2015) beim Amtsgericht ein.

Nach Scheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs mit Beschluss vom 28.04.2016 (rechtskräftig seit dem 21.06.2016) beantragte die Antragsgegnerin am 12.05.2016 die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung und dessen Erstattung. Der Antrag wurde zurückgewiesen; die Beschwerde blieb erfolglos. Auch die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der die Aufhebung versagende Beschluss stelle ebenso wie der ursprüngliche Zwangsmittelfestsetzungsbeschluss nach § 35 FamFG eine Entscheidung nach § 38 Abs. 1 S. 1, 58 FamFG dar, was dazu führe (da es sich nicht um Endentscheidungen handele), dass keine Beschwerdemöglichkeit gegeben sei; mit dem begehren auf Aufhebung des Zwangsmittelbeschlusses verfolge die Antragsgegnerin dasselbe Ziel wie sie es mit einer Anfechtung des Zwangsmittelbeschlusses ursprünglich hätte verfolgen können. Für letzteres habe der Gesetzgeber das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde vorgesehen, § 35 Abs. 5 FamFG, weshalb folgerichtig dies auch das Rechtmittel im vorliegenden Verfahrens sei, wobei der BGH darauf hinweist, dass für ein Vorgehen entsprechend §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO sich gleiches aus § 793 ZPO ergäbe.

In der Sache könne die sofortige Beschwerde aber keinen Erfolg haben. Die Erfüllung der gerichtlichen Auflage, derentwegen das Zwangsgeld festgesetzt wurde, nach Beitreibung des Zwangsgeldes ließe keinen Erstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB begründen. Zwar habe das Zwangsgeld anders als das Ordnungsgeld keinen Sanktionscharakter. Daraus würde aber nur folgern, dass die weitere Beitreibung desselben zu unterbleiben habe, sobald es der Beugewirkung nicht mehr bedürfe. Sei zu diesem Zeitpunkt der Zwangsgeldbeschluss noch nicht rechtskräftig, können gegen ihn erfolgreich sofortige Beschwerde eingelegt werden und darauf aufzuheben. Offen ließ der BGH, ob eine Aufhebung entsprechend § 48 Ans. 1 FamFG erfolgen müsse, wenn der Zwangsgeldbeschluss schon rechtskräftig aber noch nicht vollzogen sei.  Denn vorliegend wurde auf den rechtskräftigen Zwangsgeldbeschluss erfolgreich vollstreckt und danach  der Abforderung genügt, um derentwillen der Beschluss erging.

Es könne nicht argumentiert werden, mit Durchführung der Handlung sei der Anlass zur Willensbeugung und damit Erzwingung derselben weggefallen. Habe es dieser Zwangsmaßnahme bedurft, entfalle die Rechtfertigung nicht nachträglich. Zu beachten sei, dass der Schuldner nicht in Ansehung der drohenden Maßnahme seiner Verpflichtung nachkam, sondern erst nach deren Vollzug. Im übrigen sei mit einem Zwangsgeld, von dessen Rückerstattung der Schuldner nach Erfüllung ausgehen könne, kein entsprechender Druck auszuüben.


BGH, Beschluss vom 06.09.2017 - XII ZB 42/17 -

Montag, 6. November 2017

Anwaltshaftung: Zwangsvollstreckung und Aufklärung über Insolvenzanfechtung

Es ist vom Ausgangspunkt einer der alltäglichen Fälle in der zivilrechtlichen Praxis: Die beklagten Anwälte erwirkten zugunsten des Klägers ein Urteil gegen die S. AG. Das OLG Stuttgart verurteilte am 30.08.2015 die S. AG antragsgemäß auf Zahlung von € 23.576,90 zuzügl. Zinsen. Am 23./27.12.2015 schlossen die Beklagten sowohl namens des Klägers als auch anderer Vertretener gegenüber der S. AG mit der S. AG eine Verpfändungsvereinbarung, derzufolge Aktien der S. AG an einer anderen Gesellschaft am 30.10.2006 verkauft wurden und der auf Notaranderkonto eingehende Erlös vom Notar aufgrund Treuhandvertrages vom gleichen Tag an den Kläger und weitere von den Beklagten vertretene Gläubiger ausgezahlt wurde. Damit war an sich der Kläger mit € 31.578,36 befriedigt. Allerdings beantragte am 07.04.2007 ein Gläubiger der S. AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S. AG; die Eröffnung erfolgte am 14.06.2007. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung an den Kläger an und der zwischenzeitlich anwaltlich anderweitig vertretene Kläger zahlte an diesen € 18.921,87 zu Masse zurück. Im folgenden Verfahren begehrte der Kläger Schadensersatz von den beklagten Anwälten. Das Landgericht gab der Klage mit € 23.736,61 statt; das OLG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Für das Revisionsverfahren ging der BGH mangels Eingehens des OLG auf eine Pflichtverletzung der Beklagten vom Vortrag des Klägers aus, die Beklagten mit der Durchsetzung seiner Forderung gegen die S. AG beauftragt zu haben und trotz absehbarer Insolvenz und einem daraus drohenden Anfechtungsrisiko die titulierte Forderung nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu haben. Dies sei ein schlüssiger Vortrag zu einer anwaltlichen Pflichtverletzung.

Der Anwalt habe einen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden würden. Das beinhalte, dass der Anwalt aus dem Titel möglichst zügig die Zwangsvollstreckung betreibe. Bestünden Anhaltspunkte für eine bevorstehende Insolvenz, müsse der Anwalt den Mandanten auf die fehlende Insolvenzfestigkeit auf die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder danach durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit nach § 88 InsO ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gem. §§ 130, 131 InsO. Er müsse jede Kosten verursachende Maßnahme unterlassen und den Mandanten auf Anmeldung seiner Forderung zur Tabelle im Insolvenzverfahren hinweisen. Der Anwalt trage zwar nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit und für nicht vorhersehbare Risiken würde er auch nicht haften. Die Beratung müsse sich an die Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken orientieren, damit der Mandant eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen könne.

Nach dem Vortrag des Klägers, der revisionsrechtlich zugrunde gelegt wurde, hielten die Beklagten die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für möglich. Vor diesem Hintergrund hätten sie den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung außerhalb des kritischen Zeitraums von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag bestand haben würde. Zur vollständigen Unterrichtung des Mandanten gehöre auch der Hinweis auf die besonderen Risiken, die mit einem Vergleichsschluss und einer freiwilligen Zahlung des Schuldners verbunden seien. Daran hätte es vorliegend nach dem Vortrag des Klägers ermangelt.

Die unterlassene Zwangsvollstreckung sei nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares Vermögen vorhanden war. Welches bekannt war oder mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung hätte in Erfahrung gebracht werden können. Da kein Fall der Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist vorläge greife nicht die Erleichterung des § 287 ZPO. Allerdings habe der Kläger hinreichend zu Forderungen der S. AG (so zum Käfer der Aktien der anderen Gesellschafter) hingewiesen.  Nach seinem Vortrag wären die Pfändung der Forderung wie auch Kontenpfändungen erfolgreich gewesen. Dies reiche zur Schlüssigkeit aus.

Die Beklagten hatten geltend gemacht, sie hätten 200 Anleger vertreten und eine Zwangsvollstreckung für alle hätte unweigerlich einen Insolvenzantrag nach sich gezogen. Sie wären allen Mandanten gegenüber in gleicher Weise verpflichtet, weshalb sie nicht eine Maßnahme für den Kläger hätten durchführen können, die diesem zwar nütze, den anderen aber schade. Insoweit wies der BGH darauf hin, dass der Anwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter des Mandanten sei und nur den Interessen des eigenen Mandanten gegenüber verpflichtet sei. Ein Mandant dürfe bei Abschluss des Anwaltsvertrages von diesem Leitbild ausgehen. Mit Annahme des Mandats würde der Anwalt erklären, die Interessen dieses Mandanten unabhängig von Interessen Dritter wahrzunehmen. Will der Anwalt nur eingeschränkt für den Mandanten tätig werden, habe er dies vorab dem Mandanten mitzuteilen. Gleiches gelte für nachträgliche Interessenskonflikte, die nur ein eingeschränktes Tätigwerden erlauben würden. Zu dieser Problematik müsste den Parteien noch ergänzend die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt werden.


BGH, Urteil vom 07.09.2017 - IX ZR 71/16 -

Samstag, 4. November 2017

Kein Schadensersatzanspruch eines Wohnungseigentümers gegen einen zahlungssäumigen anderen Wohnungseigentümer

Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Der Beklagte entrichtete nicht das von ihm geschuldete Wohngeld. Nach Behauptung des Klägers hatte daher die Gemeinschaft nicht genügend Geld um an die Versorgungsunternehmen für Allgemeinstrom und Wasser Zahlungen zu leisten, die die Lieferung wegen der Zahlungsrückstände schließlich einstellte. Mit der Behauptung, er habe seine Eigentumswohnung vermietet und wegen der Sperrung seien ihm Mieteinnahmen von € 1.300,00 entgangen, begehrte der Kläger vom Beklagten Schadensersatz. Das Amtsgericht wies die Klage ab; auf die Berufung gab das Landgericht ihr statt. Der BGH hat auf die vom Landgericht zugelassene Berufung das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage sei hier nach Auffassung des BGH ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 iVm. 286 BGB. Dies würde aber voraussetzen, dass der Beklagte durch die Nichtzahlung des Wohngeldes eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Pflicht verletzt haben müsste. Dies sei, entgegen der Annahme des Landgerichts, nicht der Fall.

Der Kläger selbst habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Rückstände gehabt. Die Ansprüche auf Zahlung würden mit den Beschlussfassungen zu dem Wirtschaftsplan und der Jahresabrechnung begründet. Dieses stünde aber nicht den einzelnen Wohnungseigentümern zu, sondern dem teilrechtsfähigen Verband (§ 10 Abs. 7 S. 1 und 3 WEG). Auch könne der einzelne Wohnungseigentümer nicht nach den Grundsätzen der actio pro socio die Wohngeldansprüche im eigenen Namen geltend machen (BGHZ 111, 148m 152).

Die Nichtzahlung des Wohngeldes durch den Beklagten verletzte auch keine Pflicht des Beklagten aus dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis.  Zu den Treuepflichten, die zwischen allen Wohnungseigentümern bestünden, gehöre auch die Pflicht, dem Verband die finanzielle Grundlage zur Begleichung der laufenden Verbindlichkeiten zu verschaffe. Dies beträfe insbesondere die Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan, seine eventuelle Ergänzung (Sonderumlage) und die Jahresabrechnung (BGHZ 163, 154, 175). Um eine Verletzung einer entsprechenden Mitwirkungspflicht im Rahmen der internen Willensbildung des Verbandes würde es hier aber nicht gehen.  Die Beschlüsse wurden gefasst. Der Verband, vertreten durch den Verwalter, habe für deren Einziehung zu sorgen. Demgemäß bestehe auch nur eine Zahlungspflicht gegenüber dem Verband.

Danach aber sei es mit der vom Gesetz vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen Verband und Wohnungseigentümern unvereinbar, wenn die Pflicht zur Zahlung des Wohngeldes als Bestandteil der gegenseitigen Treuepflicht qualifiziert würde und mithin die Nichtzahlung nicht nur eventuelle Schadensersatzansprüche des Verbandes, sondern auch einzelner Wohnungseigentümer zur Folge haben könnte. Alleine das Interesse der anderen Wohnungseigentümer an der (rechtzeitigen) Erfüllung der Wohngeldforderungen würde (die gerade in größeren Wohnungseigentümergemeinschaften unkalkulierbare) Haftungserweiterung nicht  rechtfertigen.

Auch würden vorliegend nicht die Grundsätze der Drittschadensliquidation greifen. Die Drittschadensliquidation solle verhindern, dass der Schädiger einen Vorteil daraus ziehen könnte, dass ein Schaden, der an sich bei dem Vertragspartner eintreten würde, zufällig aufgrund eines mit einem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses bei dem Dritten eintritt.  Dieser Fall läge deshalb nicht vor, da hier bei Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung von vornherein nur Schadensersatzansprüche des Verbandes, nicht aber einzelner Wohnungseigentümer in Betracht kämen. Erleide ein Wohnungseigentümer wegen der Versorgungssperre einen Schaden und beruhe dieser auf einer unterlassenen oder verspäteten Einforderung des Wohngeldes durch den verband, käme ein Schadensersatzanspruch des geschädigten Wohnungseigentümers gegen den Verband in Betracht (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 94/11 -; BGHZ 202, 375 Rn. 25).  Im übrigen wäre der Verwalter im Falle einer drohenden Deckungslücke gehalten, eine Sonderumlage beschließen zu lassen, § 28 Abs. 2 WEG. Sei kein Verwalter (wie hier) vorhanden, könne jeder Eigentümer gem.  § 21 Abs. 4 WEG eine entsprechende Beschlussfassung erzwingen.


BGH, Urteil vom 10.02.2017 - V ZR 166/16 -

Freitag, 3. November 2017

WEG: Kein Stimmrechtsverbot wegen Majorisierung nach Veräußerung einer Einheit an beherrschtes Unternehmen

Die Gemeinschaftsordnung der mit vier Wohneinheiten versehenen WEG enthielt keine Regelungen zum Stimmrecht. Ein Eigentümer hatte zwei Wohnungen und übertrag das Eigentum an einer der Wohnungen auf eine vom ihm beherrschte UG & Co. KG. In einer Eigentümerversammlung beschlossen die zwei weiteren Eigentümer, dass die Gesellschaft vom Stimmrecht ausgeschlossen sei. Danach beschlossen sie u.a. die Jahresabrechnung und die Verwalterbestellung. Die Beschlussanfechtungsklage des Klägers wurde vom Amtsgericht abgewiesen, seine Berufung vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene Revision erfolgte eine Abänderung und die Beschlüsse wurden für ungültig erklärt.

Kernpunkt der Auseinandersetzung war, ob die unterlassene Wertung der Stimme der Gesellschaft einen formellen Mangel der Beschlussfassung darstellt. Das Unterlassen kann von dem Kläger, der gegen die Beschlüsse gestimmt hatte und deren Unwirksamkeit geltend machte, gerügt werden. Amts- und Landgericht waren allerdings der Ansicht, der Gesellschaft stünde (qua vorangegangener Beschlussfassung gegen die Stimmen des Klägers und der Gesellschaft) kein Stimmrecht zu. Dies beurteilte der BGH anders.

In Ermangelung anderweitiger Regelungen in der Gemeinschaftsordnung stand jedem Miteigentümer eine Stimme zu (Kopfstimmrecht). Damit kann, worauf der BGH Hinweis, eine nachträgliche Vermehrung des Stimmrechts eintreten, wenn ein Eigentümer, der mehrere Einheiten hält, einzelne veräußert. Auch wenn einzelne Einheiten an nahe Angehörige veräußert würden, hätte der neue Eigentümer ein (neu hinzukommendes) Stimmrecht.

Danach würde ein neues Stimmrecht auch dann entstehen, wenn ein Eigentümer eine von mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person übertrage; nicht zu klären sei hier die in der Rechtsprechung noch offene Frage, ob dies auch dann gilt, wenn der übertragende Eigentümer (anders als hier) noch anteilig Miteigentümer an der übertragenen Einheit verbleibe. Selbst wenn der Kläger hier die Übertragung vorgenommen haben sollte, um so ein weiteres Stimmrecht für sich zu generieren, läge kein Scheingeschäft iSv. § 117 Abs. 1 BGB vor. Die Entstehung des Stimmrechts setze nur eine wirksame Veräußerung voraus. Die Vermehrung des Stimmrechts nach Kopfanteilen sei nur Folge und hinzunehmen, auch dann, wenn der Veräußernde beherrschenden Einfluss auf den Erwerber ausübe.

Die Gesellschaft sei auch nicht allgemein vom Stimmrecht (unabhängig vom Beschlussgegenstand) ausgeschlossen. Das Stimmrecht gehöre zum Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts in der WEG. Es dürfe nur ausnahmsweise in eng begrenzten Fällen begrenzt werden. § 25 Abs. 5 WEG als Sondervorschrift des § 181 BGB sähe daher keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss vor, sondern beschränke diesen auf Fälle der schwerwiegenden Interessenskollision. Auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne allenfalls dazu führen, dass die Stimmabgabe unbeachtlich sei (BGHZ 152, 46, 61ff).  Damit käme ein allgemeiner Stimmrechtsausschluss selbst bei einer konkreten Gefahr der Majorisierung nicht in Betracht.

Der Einwand der Beklagten, durch das zusätzliche Stimmrecht erlange der Kläger, der seit Jahren keine Hausgeldzahlungen leiste und die Gesellschaft würde auch keine leisten, eine Blockadeposition, würde den Stimmrechtsausschluss auch nicht rechtfertigen; soweit dies nicht in § 25 Abs. 5 WEG geregelt sei, müssten die übrigen Wohnungseigentümer die ihnen eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen.  Ein Wohnungseigentümer, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkäme, wäre nach § 25 Abs. 5 2. Alt. WEG von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen, soweit es um die Einleitung darauf gerichteter gerichtlicher Maßnahmen ginge.

Der Minderheitenschutz sei durch das Prinzip der ordnungsgemäßen Verwaltung gewährleistet (§ 21 Abs. 5 WEG), welches im Wege der Beschlussmängelklage geltend gemacht werden könne. Majorisierende Beschlüsse könnten im Hinblick auf Willkür und Rechtsmissbrauch u.ä, einer ordnungsgemäßen Verwaltung widersprechen.  Auch könne eine Beschlussersetzungsklage erhoben werden, die dann möglich sei, wenn ein zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlicher Beschluss verhindert würde.

Die Stimmabgabe der Gesellschaft sei hier im Hinblick auf die Beschlüsse zur Jahresabrechnung und Verwalterbestellung auch nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Dies sei nur anzunehmen, wenn sich die darin zum Ausdruck kommende Majorisierung als Verstoß gegen die Rücksichtsnahme auf Interessen der Gemeinschaft und damit gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung darstelle. Dies erfordere, dass die Stimmrechtsausübung die übrigen Eigentümer treuwidrig so benachteilige, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden könne, was in der Regel nur bei positiven Stimmabgaben vorläge (z.B. stimmen für einen wegen Vermögensdelikts vorbestraften Verwalter).


BGH, Urteil vom 14.07.2017 - V ZR 290/16 - 

Mittwoch, 1. November 2017

Haftpflichtversicherung: Ausschluss von Ansprüchen wegen „übermäßiger Benutzung“ der Wohnräume trotz behaupteter normaler Nutzung

Der Kläger unterhielt eine private Haftpflichtversicherung bei der Beklagten. In den Besondere Bedingungen wurden Haftpflichtansprüche wehen „Abnutzung, Verschleißes oder übermäßiger Beanspruchung“ ausgeschlossen. Der Vermieter machte ihm gegenüber Ansprüche wegen „übermäßiger Benutzung“ geltend. Der Kläger, der sich im Deckungsprozess gegen die Beklagte auf eine Abnutzung und einen verschleiß im Rahmen eines üblichen Gebrauchs der Mietsache berief, wurde vom Landgericht mit seiner Klage abgewiesen. Auf den Hinweisbeschluss des OLG nahm er die Berufung zurück.

Aus dem Hinweisbeschluss ergibt sich nicht, welcher Art die vom Vermieter geltend gemachte  Schädigung durch „übermäßige Benutzung“ sein soll. Es prüfte, ob hier in der Art der Geltendmachung der Ausschlussgrund nach den Besonderen Bedingungen (Nr. V Nr. 1a BBR PHV) vorliegt. Es schloss sich insoweit ausdrücklich der Rechtsauffassung es Landgerichts an, der Versicherungsschutz entfalle, da es sich nach der Ausschlussklausel um vom Vermieter geltend gemachte Ansprüche aus Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung handele. Dieser Ausschlussregel unterfalle auch ein grundsätzlich vertragsgemäßer, in der Intensität aber gesteigerter Gebrauch der Mietsache. Um solche Ansprüche würde es sich hier handeln, die ausweislich des Schreibens des Vermieters von diesem geltend gemacht würden.

Auch der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, sachlich läge keine übermäßige Benutzung der Wohnung vor, sondern ein üblicher vertragsgemäßer Gebrauch, würde die Ausschlussregelung nicht tangieren können. Denn diese Klausel im Bedingungswerk umfasse auch die Situation, dass der Vermieter die übermäßige Beanspruchung lediglich behaupte.

Der Mieter würde für die Abnutzung und den Verschleiß der Mietsache durch einen vertragsgemäßen Gebrauch ohnehin nicht haften, § 538 BGB. Damit würden die Ausschlusstatbestände der Abnutzung und des Verschleißes gerade nur einen Ausschluss für eine ohnehin ungerechtfertigte Forderung des Vermieters darstellen. Damit aber wäre der Versicherungsschutz gerade in der vom Kläger behaupteten Art der Nutzung ohnehin nicht einen Versicherungsschutz begründen können.


OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 22.05.2017 - 6 U 51/17 -

Gesamtschuldnerausgleich bei der Schenkungssteuer gem. § 426 BGB ?

Der Beklagte überließ in 2009 der Klägerin einen Betrag von € 120.000,00, auf Grund dessen das Finanzamt am 13.11.2015 gegen die Klägerin einen Schenkungssteuerbescheid über € 30.000m00. Diesen nahm die Klägerin zum Anlass den Beklagten als Gesamtschuldner der Schenkungssteuer auf Zahlung von € 15.000,00 in Anspruch zu nehmen, § 426 BGB.

Das Landgericht wies die Klage zurück. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Zwar seien nach § 20 Abs. 2 ErbStG sämtliche am Schenkungsvorgang als vertragsteile beteiligten Personen Steuerschuldner und würden dem Finanzamt gegenüber als Gesamtschuldner haften. Allerdings sehe § 426 Abs. 1 S. 1 BGB eine Ausgleichspflicht unter den Gesamtschuldnern zu gleichen Verhältnissen nur insoweit vor, als nichts anderes bestimmt sei. Dabei käme es für die Anwendbarkeit des § 426 BGB nicht darauf an, ob die Verpflichtung im Außenverhältnis auf öffentlich-rechtlicher (steuerrechtlicher) Grundlage beruhe. Der Ausschluss der (Ausgleichungspflicht zu gleichen Teilen könne sich aus einer (auch stillschweigend getroffenen) Vereinbarung wie auch aus der Natur der Sache ergeben.

Bei einer Schenkung als unentgeltlicher Zuwendung, durch die der Schenker das Vermögen des Beschenkten bereichere, spräche vieles dafür, dass sich die Beteiligten der Schenkung im Hinblick auf die Schenkungssteuer jedenfalls stilölschweigend darüber einig wären, dass diese alleine vom Beschenkten getragen werden müsse. Zudem ergäbe sich auch aus dem Sinn und Zweck der Schenkungssteuer nach § 20 ErbStG und dem ihr zugrunde liegenden Normengefüge, dass die Schenkungssteuer im Innenverhältnis der Parteien alleine von der Klägerin als Beschenkter zu tragen sei. Mit ihr solle nämlich der durch die Schenkung hervorgerufene Vermögenszuwachs erfasst und die dadurch gesteigerte Leistungsfähigkeit des Beschenkten besteuert werden. Daraus folge auch, dass in erster Linie der beschenkte von den Finanzbehörden in Anspruch genommen werden müsse (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18.12.2012 - 1 BvR 1509/10 -; BFH BStBl III 1962, 33). Der Schenker würde nicht gleichsam mitbesteuert, sondern hafte faktisch nur für die Steuerschuld. Von daher sei nach Sinn und Zweck der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Schenkungssteuer kein Raum für den gesamtschuldnerausgleich.

Für die „anderweitige Bestimmung“ im Rahmen des § 426 BGB spräche auch der Umstand, dass der Schenker dem Beschenkten unentgeltlich etwas zukommen lasse und dem Vermögensverlust auf Seiten des Schenkers der Vermögenszuwachs auf Seiten des Beschenkten korrespondiere. Dem Beschenkten wäre (daher) ohne weiteres zumutbar im Innenverhältnis alleine die Schenkungssteuer zu tragen, zumal ihm regelmäßig auch Freibeträge zugute kämen, weshalb er aus dem übernommenen Vermögen ohne weiteres in der Lage sei, die Steuer zu entrichten. Demgegenüber würde den Schenker eine weitere Vermögenseinbuße entstehen, wenn er im Verhältnis der Parteien ausgleichspflichtig wäre.


OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.04.2017 - 1 U 102/16 -