Montag, 7. November 2016

Werkvertrag: Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages

Der Beklagte hatte die Schuldnerin mit der Erstellung eines Mehrfamilienhauses zu  einem Pauschalpreis von €  1.985.000,00 beauftragt. 

Von Juni 2006 bis April 2007 erbrachte die Schuldnerin einen Großteil der vereinbarten Leistungen.  Im 03.04.2007 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag; das Verfahren wurde mit Beschluss vom 01.06.2007 eröffnet.

Bereits am 03.05.2007 hatten die Parteien eine mit „Bautenstandsbericht“ überschriebene Liste verfasst, bezüglich der die Parteien darüber streiten, ob die Liste den Bautenstand enthält oder eine Mängelliste darstellt. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und hat am 21.06.2007 eine Schlussrechnung, am 17.09.2010 eine korrigierte Schlussrechnung erstellt, in der er die behaupteten Leistungen der Schuldnerin unter Abzug näher bezeichneten Mängel und einer von der Beklagten erbrachten Zahlung aufnahm und, wie auch mit der Klage, € 213.781,24 fordert. Der Klage wurde statt gegeben und die von dem Beklagten dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung an das OLG zurück.

Der BGH hielt in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest, dass der Beklagte in Ansehung der Insolvenz der Schuldnerin zur Kündigung des Werkvertrages berechtigt war, § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B. Festgehalten wird ferner, dass das OLG, ohne dass dies von der Revision angegriffen worden wäre, festgehalten habe, dass die Schlussrechnungsforderung schlüssig dargelegt sei. Allerdings sei das Bestreiten des Beklagten in Bezug auf die vom Kläger zur Abrechnungsgrundlage gemachte Kalkulation nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Der BGH hält fest, dass im Falle einer prüfbaren Abrechnung eines Pauschalpreisvertrages nach Kündigung durch den Auftragnehmer das Gericht in die Sachprüfung eintreten müsse, ob und in welcher Höhe der geltend gemachte Werklohnanspruch berechtigt ist. Bestreitet der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert, muss das Gericht darüber Beweis erheben. Für eine substantiiertes Bestreiten sei entgegen der Annahme des Berufungsgerichts keine vollständige Gegenrechnung erforderlich.

Hier hatte der Beklagte für einzelne Leistungen aus dem erteilten Auftrag Angebote einzelner Handwerksunternehmer vorgelegt und damit die Überhöhung der vom Kläger in Ansatz gebrachten Einheitspreise behauptet. Mit diesem Vortrag habe der beklagte den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten genügt.


BGH, Urteil vom 25.08.2016 – VII ZR 193/13 –

Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. & T. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er fordert vom Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns. Der Beklagte beauftragte die Schuldnerin mit Generalunternehmervertrag vom 2. März 2006 unter Einbeziehung der VOB/B (2002) mit der Errichtung von vier Mehrfamilienhäusern in K.   zu einem Nettopauschalpreis von 1.985.000 €. Im Vertrag ist in § 4 unter anderem folgende Regelung enthalten:
"Sofern sich während der Bauzeit die Höhe der gesetzlichen Mehrwertsteuer ändert, erstellt der AN für die bis zum Zeitpunkt der Mehrwertsteueränderung erbrachten und berechenbaren Teilleistungen eine Abrechnung entsprechend den steuerlichen Vorschriften. Für die nach diesem Zeitpunkt noch zu erbringenden Teilleistungen erfolgt die Berechnung der Mehrwertsteuer mit den dann geltenden Sätzen. …"
Im Zeitraum von Juni 2006 bis April 2007 erbrachte die Schuldnerin einen Großteil der vertraglichen Leistungen, bevor sie am 3. April 2007 einen Insolvenzantrag stellte. Der Beklagte kündigte daraufhin am 11. April 2007 den Vertrag mit sofortiger Wirkung. Am 1. Juni 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Parteien erstellten nach einer Begehung am 3. Mai 2007 eine als "Bautenstandbericht" überschriebene Liste, hinsichtlich derer streitig ist, ob diese lediglich den Bautenstand dokumentieren sollte oder eine Mängelliste darstellte. Der Kläger legte am 21. Juni 2007 eine Schlussrechnung und am 17. August 2010 eine korrigierte Schlussrechnung über die von der Schuldnerin erbrachten Leistungen vor, aus der er nach Abzügen für näher bezeichnete Mängel und der vom Beklagten bereits geleisteten Zahlungen noch einen Betrag in Höhe von 213.781,24 € geltend macht.
Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung eines Teils der geltend gemachten Zinsen zur Zahlung in Höhe von 213.781,24 € verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Schlussrechnungsforderung der Schuldnerin sei inhaltlich schlüssig dargetan, ohne dass die in der Schlussrechnung enthaltenen Aufmaße vom Beklagten bestritten worden wären. Der Beklagte habe klargestellt, dass allein Streit im Hinblick auf die seiner Meinung nach völlig überhöhten Einheitspreise bestehe, die nach seiner Überzeugung der damaligen Vertragskalkulation der Schuldnerin nicht zugrunde gelegen haben könnten. Der Beklagte wende sich damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger zur Abrechnungsgrundlage gemachten Kalkulation, wobei er zur Begründung seiner Auffassung diverse Angebote verschiedener Firmen zu unterschiedlichen - jedoch nicht allen - Gewerken vorlege. Dieser Vortrag allein reiche nicht aus, um die sachliche Richtigkeit der klägerischen Kalkulation in Frage zu stellen. Zum einen verbiete sich, auf eine Addition preisgünstigerer Einzelunternehmer der jeweiligen Gewerke abzustellen. Zum anderen müsse der Beklagte dann aber auch sämtliche und nicht nur einzelne Gewerke gegenrechnen. Weiterer konkreter Vortrag des Beklagten dazu, weshalb die klägerische Kalkulationsgrundlage nicht zutreffe bzw. nicht angemessen sei, läge nicht vor, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst gewesen sei.
Über die vom Kläger anerkannten und berücksichtigten Ersatzvornahmekosten für die Beseitigung von Mängeln in Höhe von insgesamt 34.820,28 € netto hinaus komme ein weiterer Abzug von der Schlussrechnung durch Minderung gemäß § 13 Nr. 6 VOB/B bzw. im Wege der Aufrechnung mit Ansprüchen gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (Ersatzvornahme) nicht in Betracht. Aufrechenbare Schadensersatzansprüche des Beklagten aus dem streitgegenständlichen Bauvorhaben seien nicht hinreichend substantiiert dargetan. Zwar könne der Beklagte vom Kläger nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung der infolge der Kündigung nicht ausgeführten Leistungen verlangen, das heißt insbesondere die Fertigstellungsmehrkosten. Sein Sachvortrag hierzu sei jedoch nicht hinreichend substantiiert, denn er differenziere nicht zwischen Fertigstellungsarbeiten einerseits und Mängelbeseitigungsarbeiten andererseits.
Der klägerischen Schlussrechnung sei entgegen der Auffassung des Beklagten insgesamt ein Umsatzsteuersatz von 19 % zugrunde zu legen und nicht nur ein solcher von 16 %. Unstreitig sei die Baumaßnahme noch nicht einmal zum Zeitpunkt der am 11. April 2007 ausgesprochenen Kündigung vertragsgemäß hergestellt gewesen und damit nicht vor dem Stichtag des 1. Januar 2007, der für die Höhe des in Ansatz zu bringenden Umsatzsteuersatzes maßgeblich sei. Die Schuldnerin habe vor diesem Stichtag auch keine Teilleistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ausgeführt.
II.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zuerkannt werden.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte im Hinblick auf den von der Schuldnerin gestellten Insolvenzantrag gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B (2002) zur Kündigung des Generalunternehmervertrags berechtigt gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016 - VII ZR 56/15, BauR 2016, 1306 = NZBau 2016, 422 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Urteil vom 16. Juni 2016 - VII ZR 29/13, WM 2016, 1338 Rn. 25) und der Schuldnerin lediglich ein Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nach § 631 Abs. 1 BGB zusteht.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Schlussrechnungsforderung sei inhaltlich schlüssig dargetan, wird von der Revision nicht angegriffen. Dies begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
c) Rechtlich verfehlt ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Richtigkeit der vom Kläger zur Abrechnungsgrundlage gemachten Kalkulation nicht hinreichend bestritten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Gericht, wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben (st. Rspr.; vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juli 2006 - VII ZR 68/05, BauR 2006, 1753, 1754, juris Rn. 9 = NZBau 2006, 637; Urteil vom 25. November 2004 - VII ZR 394/02, BauR 2005, 385, 386, juris Rn. 22 = NZBau 2005, 147). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für ein solches Bestreiten dagegen nicht zu verlangen, dass der Auftraggeber eine vollständige Gegenrechnung vornimmt.
Danach hat der Beklagte die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger erstellten Schlussrechnung hinreichend bestritten. Er hat unter Vorlage verschiedener Angebote einzelner Handwerksunternehmer geltend gemacht, dass die für die erbrachten Leistungen angesetzten Einheitspreise überhöht seien. Hiermit hat der Beklagte den an ein substantiiertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen genügt. Das Berufungsgericht war daher gehalten, über die vom Kläger geltend gemachte Forderung Beweis zu erheben.
2. Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
1. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Kosten für die Restfertigstellung und für die Mängelbeseitigung zurückgewiesen hat, ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht tragfähig. Die vom Berufungsgericht geforderte Darlegung des Umfangs der Mängelbeseitigungskosten einerseits und der Fertigstellungsmehrkosten andererseits ist nur geboten, wenn lediglich die Voraussetzungen für einen Anspruch des Beklagten auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B (2002), nicht jedoch für einen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (2002) vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 45/87, BauR 1988, 82, 83 f., juris Rn. 12 ff.). Dies hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt.
2. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten ferner zu Unrecht einen Anspruch auf Abrechnung der bis zum 31. Dezember 2006 erbrachten Teilleistungen im Hinblick auf die Änderung des Umsatzsteuersatzes zum 1. Januar 2007 versagt. Unabhängig davon, ob eine Teilleistungsvereinbarung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 UStG vorliegt, kann sich ein solcher Anspruch des Beklagten aus der vertraglichen Vereinbarung mit der Schuldnerin selbst ergeben, wonach die bis zu einer Umsatzsteuererhöhung erbrachten Leistungen gesondert abzurechnen und lediglich die nach dem Stichtag erbrachten Leistungen dem geänderten Umsatzsteuersatz zu unterwerfen sind. Ob dem Beklagten ein solcher vertraglicher Anspruch zusteht, hat das Berufungsgericht bislang nicht geprüft.

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