Samstag, 6. August 2016

Werkvertrag: Kostenvorschussbegehren zur Mängelbeseitigung führ zum Abrechnungsverhältnis und erfordert keine Abnahme


Der Beklagte hatte Arbeiten für ein Wärmeverbundsystem durchgeführt, in deren Verlauf es bereits zu Streit zwischen den Vertragspartnern kam . Der Auftraggeber (Kläger) holte ein Gutachten ein, welches bestätigte, dass die bisher vom Kläger erbrachten Leistungen mangelhaft seien. Die Arbeiten wurden durch den Beklagten dann abgebrochen.

Der Kläger verlangte nunmehr vom Beklagten Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung und Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht des Beklagten.

Das OLG führte aus, eine Abnahme nach § 640 BGB ließe sich nicht feststellen. Dies würde aber dem Kostenvorschussbegehren des Klägers nach § 637 BGB nicht entgegenstehen. Die Abnahme sei deshalb nicht entscheidungserheblich, da sich das Vertragsverhältnis im Abrechnungsstadium befände. Dies würde von der Rechtsprechung für solche Fälle anerkannt, in denen der Besteller nur noch auf Geld gerichtete Gegenansprüche (Schadensersatz und/oder Minderung) erhebt; in diesme Fall würde der Werklohn trotz auch berechtigter Abnahmeverweigerung fällig (BGH vom 10.10.2002 – VII ZR 315/01 -).

Auch wenn hier der Kläger nicht Schadensersatz oder Minderung begehrt sondern Kostenvorschuss, wären diese Grundsätze anzuwenden. Denn der Kläger würde mit dem Kostenvorschuss zur Selbstvornahme einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch verfolgen (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.06.2012 – 12 U 234/11 -). Hinzu käme vorliegend, dass eine weitere Erfüllung ohnehin ausscheide, da der Werkvertrag vor endgültiger Fertigstellung abgebrochen worden sei und der Beklagte seine erbrachten Leistungen mit dem Hinweis abgerechnet hat, die Arbeiten seien im Oktober ordnungsgemäß gemäß Angebot abgeschlossen worden.

Der Vorschussanspruch sei auch in der Sache begründet, da der Kläger zuvor den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe. Der Klage könnte allenfalls der vom Beklagten geltend gemachte Werklohnanspruch entgegenstehen, mit dem der beklagte Aufrechnung erklärte. Die Aufrechnung würde nur dann nicht durchgreifen, wenn der Kläger einen darüberhinausgehenden Anspruch haben könnte und sich in Bezug auf den Werklohnanspruch erfolgreich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen könnte. Um festzustellen, ob hier weitergehende Ansprüche des Klägers bestehen könnten, die von dem Vorschuss nicht gedeckt sind, sah sich das OLG zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht veranlasst.


OLG Celle, Urteil vom 03.03.2016 – 16 U 129/15 -

Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Juli 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover - Einzelrichterin der 9. Zivilkammer - einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Berufung: 55.000 €.

Gründe

I.
Der Beklagte führte für den Kläger Arbeiten für ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) an dessen Hotel in Hannover durch. Bereits während der Arbeiten kam es zu Auseinandersetzungen hinsichtlich der Qualität der Arbeiten des Beklagten, woraufhin der Kläger ein Gutachten des SVH einholte, der die bisher ausgeführten Arbeiten in Teilen als mangelhaft bezeichnete. Die Arbeiten des Beklagten wurden etwa im Oktober 2012 abgebrochen.
Gestützt auf dieses Gutachten begehrt der Kläger nunmehr nach Fristsetzung einen Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigung in Höhe von 50.000 € nebst Feststellung weiterer Ersatzpflicht.
Die vom Beklagten mit Rechnung vom 05.10.2012 abgerechneten Arbeiten sind unstrittig bis auf einen Betrag von 12.099,15 € gezahlt.
Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmung die Klage abgewiesen. Es hat dahinstehen lassen, ob nach der Beweisaufnahme eine sukzessive Abnahme erfolgt sei. Jedenfalls könne der Kläger keinen Anspruch auf Vorschuss geltend machen, der über den bisher auf den restlichen Werklohn von 12.099,15 € hinausgehe. In dieser Höhe gehe das vom Kläger ausgeübte Zurückbehaltungsrecht einem Vorschussanspruch vor. Dass zur Beseitigung von Mängeln am WDVS ein kompletter Abriss und eine Neuherstellung erforderlich sei, sei nicht bewiesen. Der Zeuge T. habe bestätigt, dass an der Nordseite die vom Gutachter bemängelten Flächen teilweise abgebaut und neu hergestellt worden seien. In welcher Höhe die übrigen behaupteten Mängel einen weiteren Vorschuss rechtfertigen könnten, sei dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 ZPO verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt.
Er vertritt die Auffassung, dass es aufgrund der Aussage des Zeugen T. an einer Abnahme im Sinne des § 640 BGB fehle. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft nicht aufgeklärt, ob die Leistungen des Beklagten mangelfrei waren. Ebenso sei nicht aufgeklärt, ob für die Mangelbeseitigung ein Betrag von mehr als 12.099,15 € erforderlich sei. Der Kläger habe einen Beseitigungsaufwand von 50.000 € unter Sachverständigenbeweis gestellt. Es sei dem Urteil nicht zu entnehmen, warum dies nicht aufzuklären sei. Ebenso fehle es an dem Nachweis der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für das WDVS. Schließlich sei nicht geklärt, weshalb dem Beklagten noch ein Betrag von 12.099,16 € zustehen solle.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 50.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 992 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2012 zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche über 50.000 € hinausgehende Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch die Sanierung des Wärmedämm-Verbundsystems am Gebäude ... in ... Hannover entstehen;
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die von dem Kläger verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung durch den Kläger bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenentscheidung zu zahlen;
sowie hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Landgericht Hannover zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil als richtig.
II.
Die Berufung des Klägers hat insoweit vorläufigen Erfolg, als das Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
1. Zwar ist eine Abnahme der Leistungen des Beklagten nach § 640 BGB nicht feststellbar. Die Vernehmung des Zeugen T. hat nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass durch die von ihm geschilderte sukzessive Abnahme von Teilleistungen eine Abnahme im Sinne des § 640 BGB anzunehmen wäre. Der Zeuge hat im Übrigen auch bekundet, dass "etwas Schriftliches zur Abnahme zu diesem Zeitpunkt" nicht erfolgt sei. Das sollte dann geschehen, wenn der komplette Bau fertig war. Auch danach fehlt es offensichtlich an einer Abnahme.
Dessen ungeachtet steht dies aber einem Anspruch auf Kostenvorschuss des Klägers nach § 637 BGB nicht entgegen.
Auf eine Abnahme der Werkleistung kommt es vorliegend nicht (mehr) entscheidend an, denn der Vertrag befindet sich im Abrechnungsstadium. Dies hat die Rechtsprechung für solche Fälle anerkannt, in denen der Besteller nur noch auf Geld gerichtete Gegenansprüche erhebt, etwa Schadensersatz oder Minderung. Dann wird der Werklohn trotz berechtigter Abnahmeverweigerung fällig (BGH VII ZR 315/01).
Zwar verlangt der Kläger hier nicht Schadensersatz oder Minderung, sondern einen Kostenvorschuss für die für erforderlich gehaltene Mangelbeseitigung an dem WDVS. Dennoch sind die vorgenannten Grundsätze auch auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen, denn der Kläger verfolgt allein einen Kostenvorschuss zur Selbstvornahme nach § 637 BGB und damit gerade einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 07. Juni 2012 - 12 U 234/11). Es kommt hinzu, dass eine weitere Erfüllung des Vertrages ohnehin ausscheidet. Der Werkvertrag ist offenbar vor endgültiger Fertigstellung abgebrochen worden. Der Beklagte hat seine erbrachten Leistungen abgerechnet und behauptet, die Arbeiten seien im Oktober ordnungsgemäß so fertig gestellt, wie dies angeboten sei (Bl. 22), so dass es allein noch darauf ankommt, ob und in welcher Höhe dem Kläger in dieser Lage ein Anspruch auf Vorschuss zur Mängelbeseitigung zustehen kann.
Dies hat offenbar auch das Landgericht im Ergebnis so gesehen.
2. Die Voraussetzungen eines Vorschussanspruchs liegen vor, denn der Kläger hat den Beklagten nach seiner Behauptung erfolglos unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung aufgefordert.
Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass allerdings ein Vorschussanspruch insoweit ausscheidet, als sich der Besteller durch Aufrechnung mit dem Vorschussanspruch befriedigen kann (dazu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 2116 m. w. N.).
Insoweit geht die Rüge der Berufung fehl, dass ein restlicher Werklohnanspruch des Beklagten in Höhe von 12.099,15 € nicht festgestellt sei. Der Kläger ist diesem Anspruch in erster Instanz vielmehr nicht entgegen getreten, so dass das Landgericht auch mit Recht davon ausgehen konnte, dass jedenfalls insoweit - der Kläger hatte sich demgegenüber allein auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen - der Kläger mit einem Vorschussanspruch in erster Linie aufrechnen könne.
Deshalb ist auch in der Berufung davon auszugehen, dass es mithin entscheidend darauf ankommt, ob dem Kläger auch darüber hinaus noch ein Anspruch zustehen kann.
3. Diese Frage hat allerdings das Landgericht verfahrensfehlerhaft nicht aufgeklärt, so dass im Ergebnis eine weitere und umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich erscheint, die die Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1, 4 ZPO rechtfertigt.
Der Kläger hatte unter Hinweis auf das von ihm eingeholte Gutachten des Sachverständigen H. substantiiert dargetan, dass die Arbeiten an der Fassade des Hotels in mehrfacher Hinsicht mangelhaft seien. Auf das Gutachten H. kann insoweit wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
Zwar hat der Beklagte behauptet, die Arbeiten an der Ost- und Nordfassade seien nach dem ersten Ortstermin des Sachverständigen H. von seinen Mitarbeitern nachgearbeitet worden (Bl. 88). Dies hat wohl auch der Zeuge T. in seiner Vernehmung beim Landgericht bestätigt, in dem er aussagte, an der Nordseite habe es Probleme gegeben und nach dem Gutachten sei dann teilweise die Dämmung abgebaut und wieder angebracht worden (Bl. 120).
Indessen ist damit nicht geklärt, dass damit etwa die vom Kläger gerügten Mängel tatsächlich auch behoben worden sind. Dies betrifft vor allem nicht nur die Nordseite, sondern auch die übrigen Fassaden, die der Privatgutachter besichtigt hatte und bei denen er auch beim zweiten Ortstermin im November noch erhebliche Mängel festgestellt haben will.
Es ist damit völlig offen, welche Mängel der Arbeiten des Beklagten tatsächlich noch vorliegen und in welcher Höhe diese Mängel einen Vorschussanspruch rechtfertigen können. Wenn das Landgericht in seiner Entscheidung darauf abstellt, der Kläger habe nicht dargetan, ob und in welcher Höhe ein Anspruch über die restliche Werklohnforderung von 12.099,15 € hinaus bestehe, liegt darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, denn auf diesen Punkt hatte das Landgericht zuvor nicht hingewiesen. Der Kläger hatte darüber hinaus unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass die Beseitigungskosten 50.000 € betragen. Dem hätte das Landgericht nachgehen müssen. Zudem ist aufzuklären, ob bereits deshalb ein Mangel vorliegt, weil die vom Kläger beanstandete Erklärung über die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nicht vorliegt.
Die Erklärung des Beklagten, der Kläger habe selbst Arbeiten an der Fassade durch Dritte ausführen lassen, kann den Beklagten insoweit nicht entlasten, als es seine eigenen Arbeiten angeht. Der Kläger hat im Übrigen behauptet, er habe allein im EG auf den Putzträgerplatten Natursteinplatten und fehlende Dämmplatten zur Straßenseite im Eingangsbereich aufbringen lassen. Der Beklagte wäre somit nicht gehindert, die geforderte Erklärung abzugeben, soweit sie seine eigenen Leistungen betrifft.
Die Sache bedarf damit umfangreicher weiterer Aufklärung durch ein Gutachten eines Sachverständigen, der zunächst die tatsächlich noch vorliegenden Mängel am WDVS und deren Kosten zur Mangelbeseitigung zu klären hätte. Ggf. ist dazu zusätzlich die Vernehmung des Privatgutachters H. angezeigt, falls im Einzelnen nicht zu klären wäre, welche Arbeiten denn der Beklagte tatsächlich vorgenommen hat und welche etwa von Dritten erledigt worden sind. Dazu wäre ggf. den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Die bisherigen Erklärungen dazu scheinen derzeit nicht wirklich aufschlussreich.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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