Freitag, 27. Mai 2016

Verjährung des Regresses des Unfallversicherungsträgers nach §§ 110, 111 SGB VII

In seinem Urteil vom 08.12.2015 – VI ZR 37/15 – hat der BGH seine herausgebildete Rechtsprechung zur Frage der Verjährung von Ansprüchen des Sozialversicherungsträgers, bei der es stets darum geht, ab wann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

§ 113 SGB VII bestimmt, dass für die Verjährung die Vorschriften der §§ 195, 199 Abs. 1 u. 2 und 199 BGB entsprechend mit der Maßgabe gelten, dass die Frist erst ab dem Tag gerechnet wird, zu dem der Sozialversicherungsträger seine Leistungspflicht bindend festgestellt habe. Vorliegend hatte der Unfallversicherungsträger geltend gemacht, dass er keinen diesbezüglichen Verwaltungsakt erlassen habe, also keine Bindungswirkung eingetreten sei. Dem Folgten der BGH wie auch die Vorinstanzen nicht. Der BGH führte aus, es wäre zunächst ausreichend, dass der Sozialversicherungsträger seine Leistungspflicht dem Grunde nach feststellt. Beiden Versicherten hatte der Kläger (Unfallversicherungsträger) beiden Versicherten schriftlich mitteilte, dass ein Arbeitsunfall vorläge und er daher Leistungen zu erbringen habe. Diese Schreiben würden sich als Verwaltungsakt darstellen, da ein verständiger Versicherter sie in Ermangelung anderer Umstände nur als verbindliche Regelung und nicht als bloße Information auffassen könnte.

Ob hier maßgeblich die Leistungspflicht oder die Rechtskraft eines Urteils gem. § 113 SGB ist oder zusätzlich  die weiteren Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB vorliegen müssten, ließ der BGH offen. Darauf kam es vorliegend nicht an, da auch bereits im September 2005 der Kläger Bescheide zur Zahlung von Verletztengeld und Übernahme von Behandlungskosten erließ; da diese Bescheide die Versicherten nicht beschwerten, erwuchsen sie sofort in Rechtskraft, weshalb der Anspruch nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstand.

Der Kläger machte weiterhin geltend, dass sie nicht bereits am 18.01.2006 von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erfahren zu haben, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Auch damit konnte er nicht durchdringen.

Die für eine Klage erforderliche Kenntnis wird im allgemeinen angenommen, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, eventuell auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend (wenn auch nicht unbedingt risikolos) möglich ist. Er müsse also nicht alle Umstände im Einzelnen wissen, noch hinreichend sichere Beweismittel zur Hand haben (Bestätigung von BGH, Urteil vom 27.05.2008 – XI ZR 132/07 – und vom 09.11.2007 – B ZR 25/07 -).  Hier war die Rechtsabteilung (Regressabteilung) des Klägers über diese Umstände informiert gewesen, auf deren Kenntnis (nicht auf die Kenntnis des Leistungssachbearbeiters) der BGH abstellt. Ihr lag der Unfallbericht vor. Behauptete Säumnisse des Beklagten wurden unter Überschrift „Organisatorische Ursachen“ aufgeführt. Damit hätte der Mitarbeiter der Rechtsabteilung davon ausgehen müssen, dass die im Verfahren behaupteten Versäumnisse aus dem Verantwortungsbereich des Beklagten den Arbeitsunfall jedenfalls mitverursacht haben. Aus dem Bericht ergäbe sich auch nicht, dass der Bericht wegen nicht abgeschlossener technischer Ursachenforschung nur vorläufigen Charakter habe.

Da damit die notwendigen Kenntnisse iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits in 2006 ebenso vor wie  auch zu diesem Zeitpunkt bindend die Leistungspflicht feststand. Die Verjährung begann mithin Ende 2006 zu laufen und trat Ende 2009 ein.

Auch aus dem Umstand, dass auf ein Schreiben des Klägers vom 19.01.2007, mit dem sie gegenüber dem Beklagten die Prüfung von Schadensersatzansprüchen mitteilte ergäbe sich auch im Hinblick auf ein am folgenden Tag mit dem Beklagten geführten Telefonat, in dem der Beklagte lediglich erklärte, er wolle derzeit noch nicht seinen Haftpflichtversicherer benennen, keine Hemmung der Verjährung. Die Hemmung setzt eine Verhandlung über den Anspruch oder anspruchsbegründende Umstände voraus, § 203 BGB. Das Schreiben und das darauf geführte Telefonat stellen sich nicht als Verhandlungen dar, zumal auch der Kläger nur von einer Prüfung von Ansprüchen sprach.

Der weitere Umstand, dass der Haftpflichtversicherer gegenüber der Deutschen Rentenversicherung auf die Einrede der Verjährung verzichtete, führt auch nicht weiter. Selbst wenn es sich bei dem Kläger und der Deutschen Rentenversicherung um Gesamtgläubiger handeln sollte, würde der Verjährungsverzicht gegenüber einem von beiden nicht mangels anderweitiger Anhaltspunkte tangieren.


BGH, Urteil vom 08.12.2015 – VI ZR 37/15 -

Prozessrecht: Die unterlassene Entscheidung über die Kosten der Streithilfe und der zulässige Rechtsbehelf

Skulptur: Gerechtigkeit
Immer dann, wenn in einem Urteil festgestellte Tatsachen auch gegenüber einem Dritten gelten sollen, ist eine Streitverkündung angezeigt. Ebenso kann ein Dritter, wie z.B. der private Haftpflichtversicherer, sich selbst an einem Verfahren als Streithelfer beteiligen.  Obwohl das Rechtsinstitut der Streithilfe alt ist, tun sich sowohl Anwälte als auch Gerichte häufig schwer mit ihm.  Einer der häufigsten Fehler bei Gericht ist darin zu finden, dass im Rahmen der Kostenentscheidung in einem Urteil oder Beschluss (z.B. nach § 91a ZPO) kein Wort zu den Kosten der Nebenintervention und mithin zu den Kosten des Streithelfers gesagt wird.

Hier war der BGH selbst betroffen. In einem Beschluss nach § 522 ZPO, mit dem er über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hatte, vergaß er die Streithelferin, die dem Rechtsstreit Auf  Seiten des obsiegenden Beklagten beigetreten war. Einer gesonderten Entscheidung zu den Kosten der Streithilfe bedarf es im Tenor gem. § 101 Abs. 1 ZPO (was häufig von Gerichten verkannt wird).  Der Beschluss wurde dem anwaltlichen Bevollmächtigten der Streithelferin am 27.01.2016 zugestellt; noch am gleichen Tag beantragt der anwaltliche Bevollmächtigte, den Beschluss gemäß § 321 ZPO zu ergänzen oder, soweit möglich, nach § 319 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen habe.

Der BGH negierte in seinem darauf ergangenen Beschluss die Möglichkeit der Berichtigung nach § 319 ZPO. Eine Berichtigung auch bei einer versehentlich unterlassenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe käme nur dann in Betracht, wenn eine versehentliche Abweichung von dem vom Gericht gewollten vorläge und zudem dies auch offenkundig sei BGH, Beschluss vom 16.03.2013 – II ZR 185/10 -).  Offenkundigkeit verlange, dass sich dies für einen Dritten aus der Entscheidung selbst ergäbe oder zumindest bei dem Erlass oder der Verkündung der Entscheidung deutlich nach außen zum Tragen käme. Diese Voraussetzungen negierte hier der BGH für den vorliegenden Fall. Zwar habe er der Klägerin die Kosten der Streithilfe nach § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen wollen; das versehentliche Vergessen wäre aber nicht offenbar geworden, da weder der Beschluss selbst einen Hinweis in den Gründen enthalte, auch nicht jede Entscheidung über Kosten fehle und auch nach außen sonst nichts erkennbar dokumentiert worden wäre. Alleine der Umstand der Benennung der Streithelferin Im Rubrum der Entscheidung genügt nicht (BGH, Beschluss vom 16.04.2013 – II ZR 297/11 -).

Allerdings wurde auch förmlich ein Antrag auf Ergänzung des Beschlusses im Kostenausspruch gestellt. Dieser Antrag ging innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist ein. § 321 Abs. 1 ZPO, wonach ein Urteil auf Antrag zu ergänzen ist,  ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 26.08.2013 – IX ZR 26/13 -).  Diesem Antrag war stattzugeben.

Anmerkung: Als Vertreter eines Streithelfers hat man stets die Kostenentscheidung des Gerichts genau zu lesen. Fehlt eine Entscheidung über die Kosten der Streithilfe, ist  - wenn sie der Gegenseite aufzuerlegen wäre, was regelmäßig der Fall ist, wird dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei beigetreten -  innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (2 Wochen) schriftsätzlich (bei Anwaltsprozessen zwingend durch einen zugelassenen Anwalt) die Ergänzung zu beantragen. Wir die Frist versäumt, fehlt es an einer Kostengrundentscheidung zugunsten des Streithelfers, vermöge dessen er seine Kosten gegen die unterlegene Partei festsetzen lassen und so bei dieser beitreiben könnte. Er bliebe auf seinen Kosten „sitzen“. Es wäre ein Anwaltsversäumnis, was auch zum Verlust des eigenen Gebührenanspruchs gegen den Mandanten führen kann.  Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des BGH zu § 319 ZPO bedeutsam, da der Berichtigungsantrag nicht an eine Frist gebunden wäre.


BGH, Beschluss vom 01.03.2016 – VIII ZR 287/15 -

Donnerstag, 26. Mai 2016

Gleichzeitige Tätigkeit für und gegen Mandanten ohne vorherigen Hinweis rechtfertigt die Kündigung des Anwaltsvertrages und kann zum Verlust des Honoraranspruchs führen

Die klagende Anwaltssozietät war für die Beklagte in familienrechtlichen Angelegenheiten tätig gewesen. Auf Grund eines Verkehrsunfalls beauftragte die Beklagte einen anderen Anwalt, sie zu vertreten, der eine Schmerzensgeldklage erhob. In diesem weiteren Verfahren trat die Anwaltssozietät auf der Gegenseite auf. Daraufhin kündigte die Beklagte das Mandat zur Anwaltssozietät wegen eines von ihr angenommenen Interessenkonflikts derselben fristlos. Die Anwaltssozietät machte aus den familienrechtlichen Verfahren heraus ihre weiteren Gebühren geltend, die die Beklagte nicht zahlte. Das Landgericht hatte der Klage der Anwaltssozietät stattgegeben; auf die Berufung wurde die Klage abgewiesen.


Da es sich bei der von einem Anwalt zu erbringenden Leistung um Dienste höherer Art handelt, ist eine jederzeitige Kündigung  möglich, § 627 Abs. 1 BGB. Auf Grund einer solchen Kündigung verliert der Anwalt noch nicht seine Honoraransprüche, soweit diese bereits entstanden sind.

Nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem Anwalt aber dann kein Vergütungsanspruch zu, wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlasst hat und die bisher erbrachten Leistungen für den Mandanten infolge der Kündigung kein Interesse mehr haben. Einen solchen Fall nahm hier das OLG an.

Das vertragswidrige Verhalten der Anwaltssozietät sieht das OLG in der gleichzeitigen Wahrnehmung von Interessen für als auch gegen die Beklagte. Der BGH hatte bereits in seiner Entscheidung vom 07.06.1984 – III ZR 87/83 – ausgeführt, dass der Anwalt zwar in verschiedenen Sachen (zeitgleich) für und gegen den eigenen Anwalt ohne Verstoß gegen § 356 StGB oder das Standesrecht tätig werden dürfe; allerdings vertraue der Mandant regelmäßig darauf, dass sein Anwalt nicht zeitgleich die Interessen Dritter gegen ihn wahrnehmen werden, weshalb er auch über die Mandatsaufnahme gegen ihn unterrichtet werden müsse. Auf diese Entscheidung des BGH verweist das OLG und führt aus, die Beklagte habe auch erst aus der Klageerwiderung in dem Schmerzensgeldprozess von der gegen sie erfolgte Mandatsaufnahme durch die Anwaltssozietät erfahren. Damit habe die Anwaltssozietät schuldhaft gegen die ihr obliegende Hinweispflicht verstoßen und gleichzeitig das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zerstört.

Die Beklagte habe auch nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 628 Abs. 2 BGB für die Kündigung zu beachten gehabt. Dies unabhängig davon, dass diese Frist nur dann zum Tragen komme, wenn gem. § 628 BGB der durch die Kündigung entstandene Schaden geltend gemacht werden soll. Dies wäre hier nicht der Fall. Hier ginge es um den Vergütungsanspruch der Anwaltssozietät.

Aufgrund der berechtigten Kündigung des Anwaltsvertrages durch die Beklagte hätten die von der Anwaltssozietät erbrachten Leistungen für die Beklagte auch kein Interesse mehr. Das Interesse würde entfallen, wenn sie die Leistungen wirtschaftlich nicht mehr verwerten könne, sie also nutzlos sind. Unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 08.10.1981 – III ZR 190/79 – sieht dies das OLG vorliegend als gegeben an, da die Beklagte in den abgerechneten, aber noch laufenden Verfahren einen anderen Prozessbevollmächtigten mandatieren müsse, bei dem neuerlich die hier geltend gemachten Gebühren anfallen.


OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.06.2015  15 U 90/14 -

Dienstag, 24. Mai 2016

Zum Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess bei unterlassener Belehrung des Minderjährigen im Ordnungswidrigkeitsverfahren

Streitig war, ob der zum Unfallzeitpunkt 15-jährige Beklagte bei Rot über eine Fußgängerampel ging. Das Amtsgericht hat der Klage des PKW-Fahrers nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dabei stützte es sich maßgeblich auf die Zeugenaussagen der der den Verkehrsunfall aufnehmenden Polizeibeamten zu den Angaben des Beklagten ihnen gegenüber. Allerdings hatten diese den Beklagten nicht gemäß § 67 JGG belehrt. Auf die Berufung des Beklagten wurde das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.


Das Landgericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Missachtung des § 67 JGG der Polizisten bei der Unfallaufnahme zu einem Beweisverwertungsverbot auch für das Zivilverfahren führe, auch insoweit, als die Polizisten wiedergeben sollten, was der Beklagte ihnen gegenüber erklärt habe. Nach §§ 46 OWIG, 136 StPO war der Beklagte als Beschuldigter eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens zu belehren gewesen. Da er minderjährig war, wäre eine Belehrung nach § 67 JGG erforderlich gewesen, wonach er berechtigt sei, vor einer Aussage seine Eltern zu kontaktieren. Die gesetzliche Regelung beruhe auf der kriminologischen Erkenntnis, dass jugendliche Beschuldigte gegenüber Erwachsenen eine deutlich höhere „Geständnisfreudigkeit“ aufweisen würden, mithin in geringerem Umfang auch bei ansonsten korrekter Belehrung über ein Schweigerecht von ihrer Aussagefreiheit im Sinne eines Verzichts auf eine Aussage Gebrauch machen würden.

Zwar habe der BGH entschieden, dass die strafprozessuale Belehrung nicht darauf gerichtet sei den Beschuldigten vor einer zivilrechtlichen Verfolgung zu schützen. Er solle nur davor bewahrt werden, sich an seiner strafrechtlichen Verfolgung zu beteiligen. Auch wenn damit ein strafrechtliches Verwertungsverbot nicht ohne Weiteres auf den Zivilprozess übertragen werden könne, sei aber stets eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall vorzunehmen (BGHZ 153, 165).

Vorliegend träfe dem Kläger kein Verschulden an der fehlenden Belehrung. Allerdings sprächen hier die Umstände gleichwohl für ein Beweisverwertungsverbot. Entscheidend dabei sei die Minderjährigkeit des Beklagten. Nach § 455 ZPO dürfe die Parteivernehmung von Minderjährigen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr nur durch Vernehmung der gesetzlichen Vertreter erfolgen. Dies bedeute, dass eine verantwortliche Aussage eines Minderjährigen überhaupt erst ab dem 16. Lebensjahr in Betracht käme. Berücksichtigt werden müsse ferner, dass der Beklagte nach dem Unfall unter Schock stand, da er unmittelbar vor seinen Angaben angefahren wurde; jedenfalls ergäbe sich aus den Bekundungen der Polizeibeamten nicht über die psychische Verfassung des Beklagten, weshalb dies nicht auszuschließen sei, zumal die Polizeibeamten nicht sachkundig für psychische Einflüsse wären.


LG Köln, Urteil vom 13.01.2016 – 13 S 129/15 -

Montag, 23. Mai 2016

Steuern: Verluste aus Fremdwährungsdarlehen sind keine Werbungskosten im Rahmen der Vermietung und Verpachtung

Es gab Zeiten (und wird sie vielleicht einmal wieder geben), da haben Käufer von Immobilien Fremdwährungsdarlehen aufgenommen, da sie zinsgünstiger waren. Dies geschah regelmäßig in der Annahme (Hoffnung), dass sich das Valutenverhältnis nicht zu ihren ungunsten dreht. Nicht nur private oder institutionelle Anleger waren hier betroffen, auch Kommunen und Länder. Das führte dazu, dass die Verluste aus den Kursschwankungen steuerlich im Rahmen der Anlage VuV (Vermietung und Verpachtung) als Werbungskosten geltend gemacht wurden. Nun hat der BFH (neuerlich) bestätigt, dass dies nicht möglich ist, der Darlehensnehmer also die zusätzlichen Aufwendungen nicht steuerlich geltend machen kann.

Die einfache Begründung des BFH: Mehraufwendungen in Folge von Kursverlusten bei Fremdwährungsdarlehen stellen keine Schuldzinsen dar und sind deshalb bei den Werbungskosten aus VuV nicht beachtlich (so bereits BFH vom 09.11.1993 – IX R 81/90 -).

Vorliegend kam hinzu, dass sich lediglich die Tilgungsleistung durch die Währungsänderung verändert habe, und dadurch eine geringere Tilgungswirkung erfolge. Die Darlehensvaluta aber ist ohnehin steuerlich nicht absetzbar. Allenfalls im Verkaufsfall (der nicht vorlag) könne dies Auswirkungen haben, soweit das Darlehen nicht aus dem Verkaufserlös zurückgeführt werden kann.


BFH, Beschluss vom 04.03.2016 – IX R 85/16 -

GmbH: Angabe der effektiven Gründungskosten im Gesellschaftsvertrag

In dem Gesellschaftsvertrag wurde zu den Gründungskosten einer 25.000-Euro GmbH aufgenommen: „Die Kosten der Gründung der Gesellschaft bis zu einem Betrag von 3000 Euro trägt die Gesellschaft“.  Das Registergericht hat dies beanstandet. Zu Recht, wie das OLG Celle in seinem Beschluss ausführt.


Das OLG Celle verkennt nicht, dass häufig entsprechende Formulierungen verwandt werden, wobei sich in der Regel ein Betrag von bis zu 10% des einzutragenden Kapitals ergibt (der hier auch überschritten wurde). Es verweist darauf, dass die Anforderungen bei einer GmbH strenger sein sollten als bei einer Unternehmensgesellschaft, bei der der Rechtsverkehr und damit insbesondere ein Gläubiger in Ansehung eines ohnehin nicht nennenswerten Stammkapitals ohnehin kein Vertrauen setzen könne. Die Benennung eines Betrages wie hier, der zu einer grundsätzlich zulässigen Vorbelastung der Gesellschaft führe, müsse so erfolgen, dass nicht Missbräuche möglich sind. Das erfordere die konkrete Benennung der Kosten.

Anmerkung: Zu berücksichtigen ist, dass grundsätzlich bei der Gründung einer GmbH die Kosten der notariellen Beurkundung nebst Unterschriftbeglaubigungen und der Eintragung im Handelsregister bekannt sind, da sie sich aus den Gebühren- bzw. Kostenordnungen ergeben. Was ist allerdings wenn, wenn es  - wie hier -  zu Zwischenverfügungen kommt und dagegen Rechtsmittel eingelegt werden ? Wenn diese Rechtsmittel erfolgreich sind, fallen zwar keine Gerichtskosten an; der Rechtsmittelführer hat allerdings die eigenen Kosten zu tragen. Diese sind im Voraus nicht absehbar. Sie verbleiben nach dieser Entscheidung bei den Gesellschaftern. Diese werden sich also überlegen müssen, ob sie Beanstandungen ohne weiteres beheben, um eventuell nach Eintragung auf Kosten der Gesellschaft anderes durchzusetzen. Damit wäre das Vorbelastungsverbot, welches hier als tragendes Argument vom OLG Celle benannt wird, letztlich umgangen. 


OLG Celle, Beschluss vom 11.02.2016 – 9 W 10/16 -

Sonntag, 8. Mai 2016

Bauträgervertrag: Kauf der Eigentumswohnung nach Abnahme des Gemeinschaftseigentums

Der Fall kommt, insbesondere bei größeren Eigentumswohnanlagen, nicht selten vor. Der Bauträger verkauft eine große Anzahl von Wohnungen und stellt auch das Gemeinschaftseigentum zu einem Zeitpunkt fertig, zu dem noch nicht alle Wohnungen verkauft sind. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt. In diesen Fällen finden sich in nachfolgenden Kaufverträgen regelmäßig Klauseln, die in etwa dem Inhalt entsprechen, wie er jetzt dem BGH zur Entscheidung vorlag:


„Das Bauwerk ist durch die Vertragsparteien oder mit schriftlicher Vollmacht ausgestattete Vertreter formlich abzunehmen. Der Abnahmetermin wird vom Veräußerer bestimmt.
..
Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums ist bereits erfolgt. Der Verkauf gilt nach Maßgabe dieser Abnahme als erfolgt.“

In Übereinstimmung mit der Vorinstanz geht der BGH davon aus, dass diese Klausel dahingehend zu verstehen ist, dass der Erwerber die durch die übrigen Eigentümer erklärte Abnahme des Gemeinschaftseigentums (einschließlich der damit zu laufen beginnenden Verjährung möglicher Gewährleistungsansprüche) gegen sich geltend lassen muss. Diese Klausel verstoße gegen § 309 Nr. 8 b) ff) und sei daher unwirksam.

Danach wäre das Bauwerk insgesamt von den Vertragsparteien förmlich abzunehmen gewesen. Eine konkludente Abnahme durch den Erwerber könne in Ansehung der vertraglichen Regelung auch nicht angenommen werden. Insoweit verweist der BGH darauf, dass sich der Bauträger als Verwender der Klausel nicht auf deren Ungültigkeit berufen könne; die Inhaltskontrolle diene lediglich dem Schutz des Vertragspartners. Mangels förmlicher oder konkludenter Abnahme durch den Erwerber konnten dessen Ansprüche nicht verjähren.

Vorliegend hatte der Käufer, bei dem diese Klausel verwandt wurde, seine  danach noch Gewährleistungsansprüche an die Wohnungseigentümergemeinschaft abgetreten, die diese erfolgreich gegen den Bauträger durchgesetzt hat.


BGH, Urteil vom 25.02.2016 – VII ZR 49/15 -

Tierhalterhaftpflicht: Kein Versicherungsschutz bei Verletzung des mitversicherten „Tierhüters“

Eine Haftpflichtversicherung, auch eine Tierhalterhaftpflichtversicherung, deckt nicht alle Schäden. Ist in der Tierhalterhaftpflichtversicherung der Tierhüter (wie meist) mitversichert, so scheidet besteht keine Deckung in der Tierhalterhaftpflichtversicherung, wenn sich der Tierhüter selbst beim Umgang mit dem versicherten Tier verletzt. Unabhängig davon, ob der Tierhüter im Einzelfall einen materiellrechtlichen Anspruch gegen den Tierhalter nach § 833 S. 1 BGB haben kann (hier wären §§ 833 S. 1 BGB und 834 BGB gegeneinander abzuwägen auch unter Beachtung des § 840 Abs. 3 BGB), scheidet eine Inanspruchnahme des Versicherers durch den Tierhalter aus. Dabei wird der Begriff des Tierhüters weiter gefasst als jener des § 834 BGB.


Zugrunde lag ein Vorfall, bei dem sich die damals vierjährige Tochter des Klägers verletzte. Sie ritt das Pferd des Klägers bei einem Springturnier. Das Pferd stürzte. Der beklagte Versicherer stellte sich auf dem Standpunkt, die Tochter wäre damals Tierhüter gewesen und als mitversicherte Angehörige gemäß den Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Wie schon das Landgericht negierte auch das OLG den Versicherungsschutz; nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss des OLG gem. § 522 ZPO hat es die Berufung mit Beshcluss vom 23.11.2015 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Das OLG verwies darauf, dass nach den Bedingungen die gesetzliche Haftpflicht des Hüters mitversichert sei. In diesem Sinne wäre die Tochter als Reiterin Tierhüterin gewesen. Nach dem Verständnis der Klausel für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer würde (anders als bei § 834 BGB, der die vertragliche Aufsichtsübernahme vorsieht, nur auf das tatsächliche Hüten des Tieres ankommen.  Eine tatsächliche Abrede mit dem Tierhalter sei nicht erforderlich. Dies entspräche auch dem Interesse der Vertragsparteien, mögliche Schadensersatzansprüche gegen den tatsächlichen Tieraufseher umfassend mit in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Damit aber greife die Ausschlussklausel, nach der Ansprüche von mitversicherten geschädigten Angehörigen.


OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 07.10.2015 – 20 U 157/15 -

Sonntag, 1. Mai 2016

Werkvertrag: Sonderkündigungsrecht wegen Unzuverlässigkeit des Unternehmers

Dem Besteller steht ein Sonderkündigungsrecht des Bauvertrages bei Unzuverlässigkeit des Unternehmers zu. Dies kann bereits dann der Fall sein, wenn der Unternehmer eine (weitere) Abschlagszahlung anfordert, die ihm nicht zusteht.

Der Kläger macht nach einer vom Beklagten ausgesprochenen Kündigung des Bauvertrages restliche Vergütungsansprüche geltend. Die Kündigung erfolgte im März 2014. U.a. bezog sich der Beklagte dabei darauf, dass für ihn die Fortführung des Vertrages auf Grund des Verhaltens des Klägers im Februar und März 2014 nicht zumutbar wäre. Das Landgericht wies die Zahlungsklage ab. Das OLG hat mit seinem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO dargelegt, weshalb die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg habe und beabsichtigt wäre, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hatte im September 2013 eine Abschlagsrechnung über € 80.000,00 erstellt. Zwar hat der Beklagte die fehlende Prüffähigkeit gem. den vereinbarten VOB/B nicht gerügt; dies ändere aber nichts daran, dass die Voraussetzungen für eine Geltendmachung nach § 16 Abs. 1 VOB/B nicht vorlagen. Der Kläger hatte  im November daraufhin angekündigt, die Arbeiten daraufhin einzustellen.

Nach der Aufforderung des Beklagten vom 30.12.2013 hätte der Kläger mit der Bauausführung zügig beginnen bzw. fortfahren müssen, Dies erfolgte nicht. Nach einem Telefonat vom 22.1.2014 musste der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger außer den bereits Ende Juli 2013 abgerechneten und vergüteten Arbeiten keinerlei Arbeiten vorgenommen hat bzw. allenfalls unzureichende Vorarbeiten durchgeführt hat. Soweit sich der Kläger dann Ende Februar 2014 auf eine Grippe berief, die ihn verhindert hätte und er nunmehr tätig werden wolle, sei dies ungenügend; der Kläger hätte den Beklagten zuvor über die behauptete Grippe in Kenntnis gesetzt und außer einer bloßen Ankündigung wären konkrete Aussagen nicht gemacht worden.

In dieser Situation habe dann der Kläger im März 2014 gegenüber dem beklagten ein nicht beantwortetes Fax vom 28.2.2014 bemängelt und angekündigt, er werde, wenn nicht noch „heute“ eine Antwort erfolge, das Material (bezüglich dessen eine Forderungsabtretung vorliege) abholen. Daher musste der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger auf absehbare Zeit nicht durchführen würde.

Die Kündigung stelle sich auch nicht als Umgehung von §§ 8 Abs. 3 iVm. 5 Abs. 4 VOB/B dar. Der wichtige Grund ergäbe sich hier aus der Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses durch das wiederholte unberechtigte verlangen einer Abschlagszahlung, des (vom Beklagten abgelehnten) Sicherungsvertrages und dem Unvermögen des Klägers, Materiallieferungen zu bezahlen.


OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 09.02.2016 – 10 U 143/15 -

Verzugsschaden: Nicht jeder Verzug begründet einen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten

Der Beklagte schuldete dem Kläger die Rückzahlung eines Darlehens bis zum 31.12.2012 (einem Montag). An dem 31.12.2012 erteilte der Beklagte seiner Bank einen Online-Überweisungsauftrag (am einem 31.12. wird in Banken ebensowenig wie an einem 24.12. gearbeitet; sogen. „Bankfeiertage“). Am 2.1.2013 beauftragte der Kläger seinen Anwalt, der mit Mail vom gleichen tag den Beklagten zur Zahlung bis zum 3.1.2013 aufforderte. Der Beklagte überließ in Kopie seinen Überweisungsauftrag. Die Gutschrift bei dem Kläger erfolgte am 4.1.2013 mit Wertstellung zum 2.1.2013.


Das Landgericht hat die auf Erstattung die Anwaltsgebühren gerichtete Klage abgewiesen, das OLG Karlsruhe hat ihr stattgegeben. Auf die zugelassene Revision erfolgte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

Der BGH geht in der Sache von einem Schuldnerverzug des Beklagten aus. Offen bleibe könne (weiterhin), ob mit der Zahlungsbewirkung oder erst mit dem Zahlungseingang ein Verzug ausgeschlossen wird, da jedenfalls auch der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 angenommen werden könne. Da der 31.12 ein „Bankenfeiertag“ sei und am 1.1. eines Jahres ein allgemeiner Feiertrag sei, wäre der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 anzunehmen, weshalb jedenfalls Verzug vorläge.

Allerdings hänge der Schadensersatzanspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren gem. § 286 Abs. 1 BGB von weiteren Voraussetzungen ab als z.B. die Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 BGB. Hier wäre erforderlich, dass aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Person in dieser Situation die Einschaltung eines Anwalts zur Wahrung und Durchsetzung der eigenen Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGHZ 127, 348, 350f).  Diese Voraussetzung war nach Ansicht des BGH im Streitfall nicht erfüllt.

Selbst wenn am 2.1.2013 die Gutschrift auf dem Konto des Klägers noch nicht erfolgt war, hätte er auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls von einer Mandatierung Abstand nehmen müssen.  Eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Person hätte hier die Möglichkeit gesehen, dass der Beklagte die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hat. So habe der Beklagte noch am 27.12.2012 unter Angabe des Kontos mitgeteilt, dass die Zahlung erfolgen würde. Da der 29.12. ein Samstag, der 30.12. ein Sonntag, der 31.12. ein bankenfreier Tag und der 1.1. wieder ein Feiertag gewesen sind, in Ansehung der Höhe der Überweisung mit € 50.000,00 auch mit einer manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, hätte der Kläger mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte seiner eigenen Ankündigung nicht folgen würde.


BGH, Urteil vom 25.11.2015 – IV ZR 169/14 -