Samstag, 30. April 2016

Tierhalterhaftung: Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz

Die Parteien nahmen an einem Turnier teil. Die Klägerin ritt mit ihrem Pferd zum Aufwärmen und damit zur Vorbereitung der für sie anstehenden Springprüfung auf dem Abreiteplatz. Sie ritt im Galopp auf dem dritten Hufschlag. Als die Klägerin an dem Pferd des Beklagten vorbeireiten wollte, erschrak dieses und trat aus. Dabei wurde die Klägerin erheblich verletzt, in dessen Folge sie auch operiert wurde.


Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz nach § 833 S. 1 BGB. Das OLG stellt fest, dass sich durch den Tritt des Pferdes des Beklagten dessen ihm zuzurechnende Tiergefahr verwirklicht habe. Es führt dann weiter aus, dass das Ausschlagen nach den feststehenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts durch die schnelle Annäherung der Klägerin im Galopp verursacht wurde. Entsprechend § 254 BGB müsse sich der Tierhalter eine mitverursachende Tiergefahr seines eigenen Tieres anrechnen lassen. Die Tiergefahr würde sich durch den Galopp verwirklicht haben.

Die Verursachungsanteile bewertet das OLG gleichwertig, weshalb es dem Anspruch der Klägerin zu 50% stattgab.


OLG Koblenz, Urteil vom 07.01.2016 – 1 U 422/15 -

Freitag, 29. April 2016

Steuerrecht: Sofort abziehbare Werbungskosten bei Aufwendungen für nachträglich entstandene Schäden an einem erworbenen Gebäude

Die Kläger warben eine vermietete Eigentumswohnung. Am 01.04.2007 gingen Nutzen und Lasten auf sie über. Im September 2008 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos. Die Mieter hinterließen in der Wohnung Schäden (beschädigte Fliesen, eingeschlagene Scheiben an Türen, Schimmel an Wänden). Darüber hinaus Schäden auf Grund eines seit Monaten nicht gemeldeten Rohrbruchs im Badezimmer.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2008 machten die Kläger im Hinblick auf die vorgenannten Schäden sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen mit € 19.913,36 geltend. Nachdem das beklagte Finanzamt zunächst (unter Vorbehalt) so beschied, hat es im Änderungsbescheid einen anschaffungsnahen Aufwand angenommen, da die 15%-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. a EStG überschritten sei.

Der Einspruch wurde vom Finanzamt zurückgewiesen. Die Klage war vor dem Finanzgericht erfolgreich.

Nach Ansicht des Finanzgerichts spräche in systematischer Hinsicht die Möglichkeit einer außerordentlichen Absetzung für Abnutzungen nach § 9 iVm. § 7 Abs. 4 EStG dagegen, Instandhaltungsaufwendungen für nachträgliche Schäden als nachträgliche Herstellungskosten zu erfassen. Der Aufwand einer außerordentlichen Abnutzung begründe noch keine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG und eine Absetzung für außerordentliche technische Abnutzung komme auch im Rahmen einer Vermietung in Betracht, wenn die Mietsache wie hier in ihrer Substanz geschädigt wäre (BFH, Urteil vom 11.07.2000 – IX R 48/96 -). Diese Absetzung soll aber neben der Geltendmachung von Reparaturkosten nur möglich sein, wenn die Reparatur den Schaden nur teilweise behebt. Eine solche technische Absetzung wäre im Streitfall für die Kläger in Betracht gekommen. Die außerordentliche Absetzung für Abnutzung habe letztlich die gleiche Zielsetzung wie die Reparatur, weshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung hier der sofortige Abzug zuzulassen sei.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sei nach dem Wortlaut zwing wörtlich auszulegen. Danach könne man dann, wenn der Schadenseintritt vor oder nach Erwerb streitig sei, § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG anwenden, wenn Ermittlungen zu aufwendig wären. Da hier aber sogar unstreitig die Schäden erst nach Erwerb eintraten, verbietet sich hier bei der typisierenden Betrachtung die Annahme als anschaffungsnaher Aufwand.

Die Revision wurde zugelassen und ist bei dem BFH zum Az. IX R 6/16 anhängig.


FG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2016 – 11 K 4274/13 -

Miet-AGB über Übernahme einer Grundsteuererhöhung – Unklarheitenfalle zu Lasten des Vermieters

Die Vermieterin nutzte Miet-AGB. Nach denen war nicht die anfallende Grundsteuer als solche umlagefähig. Vielmehr lautete die Regelung in den AGB:


Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen gegenüber der bei der Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mieter.

Zunächst erließ die Kommune einen Grundsteuerbescheid auf der Grundlage eines Grundsteuermessbescheides für unbebaute Grundstücke, sodann einen für ein Geschäftsgrundstück. Die Klägerin verlangte von der Beklagten aus dem Unterschied zwischen beiden Grundsteuerbescheiden die Nebenkosten auf der Grundlage der vorgenannten mietvertraglichen Regelung. Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG Stuttgart gab der Klage statt. Der BGH hat mit der von ihm zugelassenen Revision das Urteil des OLG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

Entgegen der Annahme des OLG hält der BGH die fragliche Klausel nicht für eindeutig, was zu Lasten der Klägerin als Verwenderin geht, § 305c Abs. 2 BGB. Dies kommt verdeutlicht sich vorliegend an der Bemessungsgrundlage. Während der erste Grundsteuerbescheid noch auf der Basis eines nach Mietvertragsabschluss ergangenen Grundsteuermessbescheides über ein unbebautes Grundstück erging, erging der zweite Bescheid auf der Basis eines Grundsteuermessbescheides über ein Geschäftsgrundstück. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass durch den Begriff „Objekt“ das bebaute Grundstück gemein sein könne mit der Folge, dass auch nur ein eine mögliche Grundsteuer für bebaute Grundstücke (also das Objekt im mietvertragliche vereinbarten Zustand)  bei der Bemessung auszugehen wäre. Zum anderen sei es auch nicht nachvollziehbar, weshalb der zeitliche Ablauf und das Vorgehen der Steuerbehörde hier dafür entscheidend sein sollte, ob die Neufestsetzung der Steuer noch vor Übergabe des Objekts oder erst danach erfolgt.


BGH, Urteil vom 17.02.2016 – XII ZR 183/13 -

Donnerstag, 28. April 2016

WEG: Sondereigentum an nicht überdachtem Innenhof ?

Das OLG Hamm musste sich in einem Beschwerdeverfahren damit auseinandersetzen, ob auch ein nicht überdachter Innenhof sondereigentumsfähig ist. Es bejahte dies.

Im Rahmen der Teilung nach § 8 WEG haben die Beteiligten auf einen Aufteilungsplan Bezug genommen, der einen offenen Innenhof, der vollständig von Räumen des Sondereigentums Nr. 1 umschlossen ist und  als Bestandteil dieses im Erdgeschoss belegenen Sondereigentums bezeichnet wird. Das Grundbuchamt hat die fehlende Abgeschlossenheit des Innenhofes beanstandet, die auch in der amtlichen Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht als solche bescheinigt wurde.

Gegen die Zwischenverfügung haben die beteiligten Beschwerde eingelegt.

Sondereigentum kann grundsätzlich lediglich an Wohnungen oder nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes gem. § 3 Abs. 1 WEG eingeräumt werden, nicht dagegen an Grundstücksflächen. § 3 Abs. 2 WEG sieht vor, dass die Wohnungen oder sonstigen Räume „in sich abgeschlossen“ sein sollen; dass es sich hier um eine Sollvorschrift handelt bezweckt lediglich, dass ein Verstoß nicht zur Nichtigkeit der Regelungen führt.

Eine Abgeschlossenheit, so der Senat, ist anzunehmen, wenn ein zutritt nicht ohne weiteres möglich ist. Das Erfordernis des Raumabschlusses nach § 3 Abs. 2 WEG fände seinen Grund darin, dass zum Sondereigentum die alleinige Sachteil- und Raumherrschaft gehören würde. Damit bedürfe es hier nicht einer näheren Betrachtung der Abgeschlossenheit, sondern der Raumherrschaft.

Der Innenhof kann hier nur durch das Gebäude betreten werden; irgendwelche sonstigen Zugänge gibt es nicht. Zwar sei der Innenhof nach oben offen. Doch gäbe es zum 1. OG (in dem das Sondereigentum Nr. 2 liegt,. Kleinen bestimmungsgemäßen Zugang (wie Treppe oder Lift). Damit wäre der Bereich abgeschlossen und bilde eine Raumeinheit.


OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 – 15 W 398/15 -

Dienstag, 26. April 2016

WEG: Der werdende Wohnungseigentümer und Beginn der Zahlungspflichten gegenüber der Gemeinschaft

Im Ausgangsfall teilte der Beklagte einen Altbau in fünf Eigentumswohnungen auf, von denen er 3 Wohnungen verkaufte und übergab, zwei Wohnungen nicht; deren Erwerber haben Klage auf Auflassung erhoben. In einer Eigentümerversammlung wurde eine Sonderumlage und Wohngeld beschlossen; für die zwei nicht übergebenen Wohnungen (in denen die Erwerber bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Einrichtungsgegenstände untergebracht hatten) klage die Wohnungseigentümergemeinschaft die nach Miteigentumsanteilen auf diese entfallenden Forderungen aus den Beschlüssen gegen den beklagten ein. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen; die Berufung war erfolgreich und die gegen das klagestattgebende Urteil erhobene Revision des Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.


Zunächst bestätigt der BGH die Aktivlegitimation der Klägerin als werdende Wohnungseigentümergemeinschaft. Voraussetzung einer solchen wäre, dass der Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition  durch einen auf Übereignung gerichteten Erwerbsvertrag, Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch und Besitz an dem Sonder-/Teileigentum hat. Mit Erlangen dieses rechtlichen und tatsächlichen Umstandes kann der werdende Wohnungseigentümer die Mitgliedschaftsrechte ausüben und ist aber auch alleine (unter Ausschluss einer gesamtschuldnerischen Haft des teilenden Eigentümers) nach § 16 Abs. 2 WEG zur Tragung der Kosten und Lasten verpflichtet.

Während danach für drei Wohnungen werdende Wohnungseigentümer im dargestellten Sinne vorhanden waren, waren zwei Wohnungen noch nicht übergeben worden. Damit verblieben bezüglich dieser Wohnungen die Rechte und Pflichten bei dem Beklagten als teilenden Eigentümer. Alleine der Umstand, dass die Erwerber dieser Wohnungen bereits Gegenstände in die Wohnung geräumt hätten, würde daran nichts ändern können. Um die Verpflichtung der Übergabe durch den Verkäufer zu erfüllen, muss dieser dem Erwerber den unmittelbaren Besitz verschaffen; der Verkäufer (Bauträger) kann seine mitgliedschaftsrechtliche Stellung  nicht ohne oder gegen seinen Willen verlieren und auf diese Weise aus der Gemeinschaft gedrängt werden. Die Lagerung von Gegenständen in der Wohnung durch die Erwerber stellt sich nach Auffassung des BGH als verbotene Eigenmacht dar, gegen die der Verkäufer Besitzstörungsansprüche insoweit geltend machen könnte.


Alleine der Umstand, dass hier diese Einlagerung erfolgte, entbindet damit den Verkäufer nicht von seinen Zahlungsverpflichtungen. Er müsste, was hier nicht geschehen ist, darlegen und beweisen,. Dass ein Besitzübergang auf die Erwerber und eigenem Verlust der mitgliedschaftsrechtlichen Stellung erfolgte.

BGH, Urteil vom 11.12.2015 - V ZR 80/15 -

Sonntag, 24. April 2016

Bauwerkvertrag: Feststellung der rügelosen Abnahme durch Indizien und Verlust von Ansprüchen mit Ausnahme des Mangelfolgeschadens

Die Kläger erwarben von der Beklagten eine im Bau befindliche Doppelhaushälfte. Im Bauprospekt war angegeben: „ Alle Fenster werden mit einem Rollladensystem ausgestattet werden.“  Am 09.07.2011 erfolgte die Übernahme durch die Kläger. Dabei wurde das Fehlen der Rollläden im Obergeschoss nicht beanstandet.


Nach Übernahme wurde das Fehlen von den Klägern gerügt und haben die Kläger schließlich Zahlungsklage wegen der zu erwartenden Kosten des nachträglichen Einbaus gefordert sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch weitere Schäden zu tragen habe. Von der Beklagten wurde eingewandt, die Kläger hätten mit einem Elektriker die Lage der Schalter für die Rollläden geplant und auch bei Abnahme die Rollläden im Erdgeschoss ausprobiert; das Fehlen der Rollläden im Obergeschoss sei deutlich ersichtlich gewesen.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Dabei ging das Landgericht von einer fehlenden Kenntnis der Kläger über das Fehlen der Rollläden im Obergeschoss aus. Das OLG folgte dem nicht.

Mängelrechte nach § 634 Nr. 1 – 3 BGB stehen dem Erwerber nur zu, wenn er sich diese bei Abnahme vorbehält, § 640 Abs. 2 BGB. Damit entfällt bei Kenntnis vom Fehlen der Rollläden der hier u.a. geltend gemachte Kostenvorschussanspruch (wie auch ein Mangelbeseitigungsanspruch). Hier hätte das Landgericht nach Auffassung des OLG die von der beklagten benannten Indizien berücksichtigen müssen. So den (in der Beweisaufnahme beim OLG bestätigten) Umstand, dass die Kläger mit einem Elektriker vor der Abnahme sich die Doppelhaushälfte angesehen hätten und mit diesem die Stellen für die Schalter zur elektrischen Bedienung der Rollläden im Erdgeschoss vereinbart hätten, wobei der Kläger zu 2. gegenüber dem Elektriker geäußert habe, es sei schade, dass im Obergeschoss keine Rollläden wären. Nach Auffassung des OLG ist auch davon auszugehen, dass der Kläger zu 2. dies seiner damaligen Lebensgefährtin, der Klägerin zu 2., mit der er bereits zusammen lebte und gemeinsam diese Investition getätigt habe, mitgeteilt hab, da anderes lebensfremd sei. Damit ist nach Auffassung des Senats von einer Kenntnis der Kläger zum Abnahmezeitpunkt auszugehen.

Damit aber sei auch  - entgegen der Rechtslage vor der Schuldrechtsreform 2002 -  ein Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten nach §§ 634 Nr. 4 BGB (iVm. §§ 289, 281 BGB), also Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten, ausgeschlossen.  Zwar verblieben nach § 640 Abs. 2 BGB dem Besteller nach dem Wortlaut zwar der Anspruch auf Mangel- und Mangelfolgeschäden. Allerdings würde § 640 Abs. 2 BGB nicht Ansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB tangieren. Es würde sich ansonsten als widersprüchlich darstellen, wenn zum einen das Werk bei Kenntnis des Mangels ohne Rüge bei Abnahme als vertragsgerecht angesehen würde, zum anderen aber später ein Anspruch auf Erstattung der Mittel zur Mängelbeseitigung bestünde. Anders würde es sich nur verhalten, wenn in der Abnahme in Kenntnis des Mangels ein (hier nicht vorliegender) Grund liegen könnte, um nach §§ 281 Abs. 2, 636 BGB Schadensersatz ohne Fristsetzung fordern zu können.

Nicht betroffen sei ein möglicher Mangelfolgeschaden, den die Kläger (z.B. wenn es zu einer Mietminderung kommt) geltend machen könnten.


OLG Schleswig, Urteil vom 18.12.2015 – 1 U 125/14 -

Mittwoch, 13. April 2016

Mieterhöhung auf Gutachtenbasis, § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB

Der Vermieter hat verschiedene Möglichkeiten, eine beabsichtigte Mieterhöhung zu begründen. Eine davon ist die Berufung auf ein Sachverständigengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, welches er in Auftrag gibt und dem Mieter überlässt, § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB (Hinweis: Die Kostend es Gutachtens trägt alleine der Vermieter).  Doch was muss dieses Gutachten beinhalten ?

Grundlegend ist der Zweck des Gutachtens zu beachten. Der Mieter muss an Hand des Gutachtens die Berechtigung des Mieterhöhungsbegehrens jedenfalls ansatzweise selbst überprüfen können. Damit müsse, so der BGH, im Gutachten vom Sachverständigen eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete gemacht werden, wobei die betroffene Wohnung in das örtliche Preisgefüge einzuordnen ist. Das Gutachten muss allerdings keine Darstellung der Entwicklung des Mietzinses enthalten; deutlich würde dies durch die Regelung des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB, wonach die Benennung von drei Vergleichswohnungen ausreicht. Ausdrücklich führt der BGH aus, die Begründung des Mieterhöhungsverlangens diene nicht dazu, dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen  sondern lediglich dazu, dass e der Berechtigung nachgehen und dieses ansatzweise nachvollziehen kann.

Nach Auffassung des BGH soll der sachverständige in dem Gutachten auch nicht offenbaren müssen, welche Musterwohnung gleichen Typs er besichtigt hat noch müsse er die herangezogenen Vergleichswohnungen identifizierbar angeben. Es reicht mithin die abstrakte Berechnung und Einordnung.

Anmerkung: Die Entscheidung erging zu einem vom Vermieter beauftragten Gutachten, mit dem der Vermieter eine Mieterhöhung durchsetzen will. Holt das Gericht dann ein Gutachten zur Feststellung der ortsüblichen Miete ein, ist allerdings nach einem Beschluss des BVerfG vom 11.10.1994 – 1 BvR 1398/93 – die exakte Angabe der einbezogenen Wohnungen mit Namen der einzelnen Wohnungen, deren Anschriften, Ausstattung/Beschaffenheit  und Mietzins erforderlich.


BGH, Urteil vom 03.02.2016 – VIII ZR 69/15 -

Bestell-Button : „Jetzt gratis testen – danach kostenpflichtig“ unzulässig

Der Wettbewerbsverband mahnte die Beklagte ab, die einen Onlineshop betrieb. Zuletzt hatte die Beklagte ihre Seite dergestalt umgearbeitet, dass ein Button mit der Aufschrift erschien: „Jetzt gratis testen – danach kostenpflichtig“. Der Wettbewerbsverband sah darin einen Verstoß gegen § 312j BGB. Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.

Das OLG hielt die Klage nach §§ 3, 3a UWG iVm. § 312j BGB für begründet. Es läge ein verstoß gegen eine Vorschrift vor, die im Interesse der Marktteilnehmer deren Marktverhalten regeln soll und bei der der verstoß geeignet ist, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

§ 312j Abs. 2 BGB bestimmt, dass der5 Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr , der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat, dem Verbraucher die Informationen gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nummern 1, 4, 5, 11 und 12 EGBGB in hervorgehobener Weise klar und deutlich zur Kenntnis bringen muss, und zwar unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt.  Die Bestellsituation muss so gestaltet sein, dass der Verbraucher mit der Bestellung ausdrücklich seine Zahlungspflicht bestätigt. Das OLG weist darauf hin, dass diese Pflicht des Unternehmers bei einer Schaltfläche nur erfüllt ist, wenn die Schaltfläche gut lesbar und mit nichts anderen als den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder entsprechender anderer eindeutiger Formulierung versehen ist.  Dies leitet das OLG aus Art. 8 Abs. 2 VerbrRRL ab. Erfolge dies nicht, ist der Verbraucher an die Bestellung bzw. den Vertrag nicht gebunden.

Als fehlerhaft sieht das OLG zum Einen den Umstand an, dass bei zusätzlicher Bestellung eines DVD-Verleihs der gesamtpreis nicht angegeben würde.  Auch wenn dies (nach Angaben der Beklagten)  technisch nicht machbar sei, würde ein Verstoß vorliegen und die Beklagte müsste sich eine andere Gestaltung überlegen.

Zum Anderen stelle sich die Angabe auf dem Button „Jetzt gratis bestellen – danach kostenpflichtig eindeutig als Verstoß gegen § 312j BGB dar, da anderweitiges als nur die Zahlungspflichtigkeit vermerkt werde.  

Die gewählte Formulierung sei zudem irreführend. Der Verbraucher könne annehmen, lediglich eine kostenfreie Probezeit zu buchen, obwohl nach Ablauf dieser „Probezeit“ automatisch Kosten anfallen.  Dass nach dem Wortlaut des Gesetzes auf dem Button nicht die zusätzliche Gratiszeit vermerkt werden kann, ist, so das OLG, auch nicht schädlich. Die Beklagte könne außerhalb der Schaltfläche darauf verweisen.



OLG Köln, Urteil vom 03.02.2016 – 6 U 39/15 -

Dienstag, 12. April 2016

Wohnungseigentum: Eigenmächtige Instandsetzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum und Bereicherungsanspruch

einen Anspruch aus bereicherungsrechtlichen Ausgleich hat, wenn er eigenmächtig Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt oder durchführen lässt und wer auf Zahlung zu verklagen ist, ferner, wer Schuldner eines Ausgleichsanspruchs ist. 

Bei Begründung der WEG bestand dringender sanierungsbedarf. Die Eigentümer beschlossen auch einen Sanierungsplan, schlossen dabei aber die Kellersohle aus; hier sollte zunächst (im Hinblick u.a. auf die hohen Kosten) zugewartet werden, ob die Durchfeuchtung der kellerwände auch ohne die Sanierung der Kellersohle möglich ist.

Nach dem Erwerb des Sondereigentums an einer Souterrainwohnung ließ die Klägerin die Kellersohle derselben zu einem Kostenaufwand von über € 14.000,00 sanieren und sodann zu Kosten von knapp € 4.000,00 die Eingangs- und Innentüren der Wohnung, die infolge der Sanierung durch die Gemeinschaft nicht mehr passten, ersetzen.  Im Revisionsverfahren hatte die Klägerin bezüglich der Kosten für die Eingangs- und Innentüren obsiegt; im übrigen wurde ihre Revision und Klage abgewiesen.

Der BGH prüfte die einzelnen Anspruchsgrundlagen und stellte nachfolgende Erwägungen an:

1. Kosten Sanierung Kellersohle

1.1. Ein Anspruch aus Notgeschäftsführung scheide aus. Ein solcher Anspruch ist nur gerechtfertigt, wenn ein sofortiges Handeln geboten ist und ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht (mehr) eingeholt werden kann. Selbst wenn diese Voraussetzung vorliegt, muss zunächst der Verwalter zum Handeln aufgefordert werden (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG); kommt dieser seiner Verpflichtung nicht nach, kann der Eigentümer selbst die Maßnahme vornehmen.

Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Die Wohnungseigentümer hatten sich mit der Kellersohle befasst und e drohte kein unmittelbarer Schaden für das Gemeinschaftseigentum. Die Sanierung durch die Klägerin stellte danach keine Maßnahme der Notgeschäftsführung dar.

1.2. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB bestand auch nicht. Denn hier hatten die Wohnungseigentümer bereits beschlossen, die Sanierung vorerst zurückzutellen. Damit lag die Maßnahme nicht in deren Interesse, was notwendig gewesen wäre.

1.3. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bestand ebenfalls nicht. Zwar wird ein solcher nicht durch Fehlen der Notgeschäftsführung oder Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen. Allerdings käme ein solcher Anspruch nur in Betracht, wenn die Maßnahme hätte ausgeführt werden müssen..

Wer den Ausgleichsanspruch schuldet richtet sich nach Auffassung des BGH danach, ob die Maßnahme zum Zeitpunkt der Vornahme erst noch beschlossen werden muss dann die Wohnungseigentümer) oder ob sie (wegen eines Beschlusses der Wohnungseigentümer oder wegen Dringlichkeit) durchgeführt werden muss (dann die Gemeinschaft). Dies ergäbe sich auch aus der Parallele zur Haftung: Für Schäden einer verzögerten Beschlussfassung sind die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner ersatzpflichtig, die entweder schuldhaft untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben (BGHZ 202, 375 Rn. 21). Für Defizite eines gefassten Beschlusses haftet demgegenüber der Verband BGH NJW 2012, 2955 Rn. 17ff). Entsprechendes gilt, wenn der Verband ohne Beschluss handeln kann, §§ 21 Abs. 2, 27 Abs. 1 Nr. 3, 21 Abs. 4 WEG.

Danach scheidet hier ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch aus, da die Eigentümer die Sanierung zurückgestellt hatten und die Klägerin keinen neuen Antrag gestellt hatte. Mithin konnte hier insoweit nicht der Verband verklagt werden (wie geschehen). Eine möglicherweise notwendige Änderung des Beschlusses zur Sanierung der Kellersohle sei im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

1.4. Ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG scheide hier auch aus. Dieser besteht, wenn die Aufwendungen zur Erfüllung zur Erfüllung einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht erforderlich waren. Der Anspruch begründet aber keine Haftung der Wohnungseigentümer im Außenverhältnis (dann Verband), sondern nur im Innenverhältnis (dann Wohnungseigentümer) untereinander. Zudem hätte hier die Gemeinschaft dann die Kosten zu trage, die sie nach dem Beschluss zur Zurückstellung der Sanierung gerade nicht tragen wollte.

            2. Kosten Erneuerung Eingangs- und Innentüren

  2.1.  Der BGH bejahte hingegen einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Eingangs- und Innentüren. Insoweit kommen sowohl ein Anspruch aus Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag als auch ein Bereicherungsanspruch nach §§ 684 S. 1, 912 BGB in Betracht. Nahc der Angabe der Klägerin (insoweit wurde der Rechtstreit zur neuen Prüfung zurückverwiesen) hätten die Türen wegen der von der Gemeinschaft durchgeführten Sanierung infolge der dicker gewordenen Wände nicht mehr gepasst. Danach wäre der verklagte Verband verpflichtet gewesen, nach Durchführung der beschlossenen Sanierung als deren Begleitmaßnahme auch die Türen auszutauschen. Denn ebenso wie die Beseitigung von Schäden am Sondereigentum (hier: Innentüren) umfasste dies dann auch die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftseigentums (Eingangstür). Dies entspräche auch dem mutmaßlichen Interesse der Gemeinschaft, die sich hier die entsprechenden Aufwendungen erspart hatte.  
 2.2. Die Aufwendungen sind nicht im Rahmen der Geltendmachung des Anspruchs zu kürzen; eine Umlegung erfolgt erst mit der Jahresabrechnung.


BGH, Urteil vom 25.09.2015 – V ZR 246/14 -

Sonntag, 10. April 2016

Einkommensteuer: Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung

Die Klägerin war in einer Wohnung einer Seniorenresidenz im Rahmen des „Betreuten Wohnens“. U.a. zahlte sie eine monatliche Betreuungspauschale, die auch ein 24-stündiges Notrufsystem beinhaltete. Das beklagte Finanzamt lehnte die Anerkennung der Kosten von € 1357,00 für das Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ab. Die Klage dagegen hatte Erfolg; die Revision des Finanzamtes wurde vom BFH zurückgewiesen.

Der BFH verweist darauf, dass haushaltsnahe Leistungen solche sind, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. mit ihr im Zusammenhang stehen. Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte verrichtet werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. In diesem Sinne wäre das mit der betreuungspauschale abgegoltene Notrufsystem  eine haushaltsnahe Dienstleistung.


Im Streitfall stelle das Notrufsystem für den Fall, dass sich der Bewohner in seiner Wohnung aufhält, sicher, dass eine Rufbereitschaft vorhanden ist. Damit würde die Leistung „in“ einem Haushalt erbracht.

BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 18/14 -

Handelsregister: Zur Zulässigkeit einer c/o-Angabe bei der Gesellschaftsanschrift

Die Gesellschaft hatte zu Zeitpunkt der Anmeldung (noch) keine eigenen Geschäftsräume und gab als Gesellschaftsanschrift diejenige ihres Geschäftsführers mit einem entsprechenden c/o-Zusatz an. Das Handelsregister lehnte die Eintragung ab und führte u.a. aus, es könne am Briefkasten ein entsprechender zusätzlicher Vermerk zur Gesellschaft angebracht werden. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Das OLG vertrat die Auffassung, ein c/--Zusatz sei dann statthaft, wenn er nicht zur Verschleierung der Zustellmöglichkeit diene. Damit sei die Eintragung hier zulässig, da in der Person des Geschäftsführers, dessen Anschrift gewählt wurde, ersichtlich ein zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Gesellschaft benannt wurde. Auch könne nicht auf eine zusätzliche Angabe am Briefkasten verwiesen werden, da die Eintragung einer (neuen) inländischen Anschrift in jedem Fall erforderlich wäre.


OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2016 – 27 W 2/16 -

Samstag, 9. April 2016

Anspruch auf Tariflohnerhöhung durch frühere Zahlungen auch gegen den nicht mehr tarifgebundenen Arbeitgeber ?

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Ist der Arbeitgeber Tarifvertragspartei und gehört der Arbeitnehmer auch einer Tarifvertragspartei an, ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers automatisch aus dem Tarifvertrag, § 3 TVG. Was aber, wenn der Arbeitgeber keiner Tarifvertragspartei angehört. Für ihn gilt der Tarifvertrag nicht. Allerdings werden die Tariferhöhungen des Tarifvertrages häufig von dem nicht (mehr) tarifgebundenen Arbeitgeber auch an alle Arbeitnehmer weitergegeben. Das BAG musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob der Arbeitnehmer in einem solchen Fall, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit den Tarifvertrag bei der Entlohnung auch bei Erhöhungen des Tarifvertrages auf die Arbeitnehmer angewandt hat, einen Rechtsanspruch auf Erhöhung des Tariflohnes bei dessen Erhöhung hat.

Das BAG führt aus, dass grundsätzlich die regelmäßige Erhöhung des Entgelts entsprechend der Tarifentwicklung dem Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Weiterzahlung des erhöhten Tariflohnes gewährt, nicht aber eine Verpflichtung des Arbeitgebers begründe, auch künftige Anpassungen des Tariflohnes weiterzugeben.  Der tarifgebundene Arbeitgeber, der die Tariferhöhungen an alle Arbeitnehmer (unabhängig von seiner Mitgliedschaft bei einer Tarifvertragspartei) weitergibt, wolle sich erkennbar im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit der Kündigung des Tarifvertrages oder seines Verbandsaustritts binden.

Etwas anderes könnte sich nur dann angenommen werden, wenn es dafür konkrete Anhaltspunkte gäbe. Vorliegend war im Arbeitsvertrag zwischen dem bei Vertragsschluss noch tarifgebundenen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer statisch auf den am 31.03.1999 geltenden BAT. Die Bezugnahmeklausel führe nicht zur weiteren Anwendung des BAT nach dem Verbandsaustritt. Ein Vertrauensschutz könne nur gegeben sein, wenn die Bezugnahmeklausel nach dem Verbandsaustritt (und nach der Schulrechtsreform zum 01.01.2002 erneuert worden wäre, was im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall war. Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass die geübte Praxis der Erhöhungen entsprechend dem Tarifvertrag in den Jahren nach dem Verbandsautritt des Arbeitgebers selbst keinen Willen des Arbeitgebers darstellen würde, eine unbedingte dynamische Bezugnahme vertraglich zu vereinbaren.


BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 4 AZR 990/13

Mittwoch, 6. April 2016

Mietrecht: Was ist in Bezug auf Betriebskosten im Mietvertrag mitzuteilen ?

Der vom BGH entschiedene Ausgangsfall ist einfach gelagert. In dem Formularmietvertrag über Wohnraum, abgeschlossen am 27.04.2007, war geregelt worden, dass der Mieter „Vorauszahlungen auf die übrigen Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung“ zu zahlen habe. Das Landgericht hielt die Regelung nicht für hinreichend bestimmt. Das sah der BGH anders.

Der BGH verdeutlicht, dass es für die Umlagefähigkeit von Betriebskosten nicht darauf ankommt, dass diese in einem (Formular-) Vertrag enumerativ aufgezählt werden. Ausreichend sei die (auch formularmäßige) Vereinbarung, dass der Mieter die Betriebskosten zu tragen habe. Der Vertrag sei nach seinem objektiven Inhalt so auszulegen, wie es ein verständiger und redlicher Vertragspartner versteht.  Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Betriebskosten seit Jahrzenten durch Rechtsverordnung (und später auch Gesetz) definiert würden. Dies ergäbe sich aus der am 01.11.1957 in Kraft getretenen Zweiten Berechnungsverordnung und seit dem 01.01.2007 aus § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst, der auf die Aufstellung der Betriebskostenverordnung  vom 25.11.2003 verweist (die die Anlage 3 zu § 37 Zweite Berechnungsverordnung ablöste). Damit sei ohne weiteres bei der Vereinbarung von Betriebskosten zu verstehen, dass es sich hier um die Kosten handelt, die jetzt in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB und in dem auf Grund der darin enthaltenen Ermächtigungen erlassenen Betriebskostenkatalog der Betriebskostenverordnung enthalten sind.

Dies verstößt nach Auffassung des BGH auch nicht gegen das Transparenzgebot. Anderes könnte sich im (hier nicht vorliegenden) Einzelfall nur dann ergeben, wenn aus dem weiteren Inhalt des Mietvertrages unklar würde, ob nur einzelne der umlegbaren Betriebskosten gemeint sind oder alle. Jedenfalls wäre der Vermieter nicht verpflichtet, den Mieter im Einzelnen aufzuklären, was unter die umlegbaren Betriebskosten fällt.

Der Umstand, dass hier im Mietvertrag auf die Zweite Berechnungsverordnung verwiesen wurde, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht mehr galt, sei unschädlich. Es ergäbe sich daraus nicht, dass etwas anders gemeint sein könnte als die Abwälzung sämtlicher umlegbarer Betriebskosten, zumal vorliegend auf die „jeweils geltende Fassung“ verwiesen wurde. Es handele sich hier bei der Angabe der Zweiten Berechnungsverordnung anstelle der Betriebskostenverordnung resp. § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine unschädliche Falschbezeichnung.


BGH, Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 137/15 -

Dienstag, 5. April 2016

Automatisch Generierte E-Mail mit Werbung ist unzulässig

Bild: pixabay
Es ist zwar schön zu wissen, dass seine Mail beim Empfänger angekommen ist, worauf häufig durch automatisch geneierte E-Mails des Empfängers hingewiesen wird. Doch der Empfänger nutzt diese Gelegenheit auch gerne um für sich zu werben oder ein Produkt zu werben. Diese Werbeplattform darf allerdings nach dem Urteil des BGH grundsätzlich nicht genutzt werden.

Die beklagte Versicherung hatte mit ihrer automatisch generierten Antwortmail u.a. bestimmte Apps beworben. Der Kläger verlangte die Verurteilung der Beklagten auf Unterlassung, mit ihm zum Zwecke der Werbung ohne sein Einverständnis E-Mail-Kontakt wie mit der automatisch generierten Mail mit Werbeanhang geschehen, aufzunehmen. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben; auf die Berufung hin änderte das Landgericht das Urteil ab und wies die Klage ab. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Ziel weiter; die Berufung führte zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Der BGH erkennt einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB an. Es sieht in den mit Werbung versehenen Mails der beklagten Versicherung einen rechtswidrigen Eingriff in das  allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dieses gäbe dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (BGHZ 131, 332, 337). Damit könne er seine Privatsphäre von unerwünschten Einflussnahmen anderer freihalten und darüber entscheiden mit wem er in welchem Umfang Kontakt aufnehmen will. Eine bloße, nicht ehrverletzende Kontaktaufnahme durch einen Dritten würde aber nur dann das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, wenn dies gegen den eindeutigen Willen des Betroffenen erfolge, da ansonsten die kommunikative Freiheit beeinträchtigt wäre (BGH VersR 2011,544).

Eine solche Entscheidung des Betroffenen ergäbe sich bei Werbeeinwürfen in den Hausbriefkasten durch einen dies untersagenden Aufkleber. Nach Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie gehöre das elektronische Postfach mit zur Privatsphäre. Danach ist die die Nutzung des Postfachs nur bei vorheriger Einwilligung des Inhabers für eine Direktwerbung zulässig.

Werbung in diesem Sinne wären alle produktfördernden Maßnahmen. Mit den Hinweisen auf kostenlose Apps bewerbe die Beklagte ihre Produkte. Zwar sei die Eingangsbestätigung selbst keine Werbemaßnahme, was aber nicht zur Folge habe, dass die dort enthaltene Werbung keine (Direkt-) Werbung darstellen könne. Durch die zulässige Nutzung des elektronischen Postfachs des Klägers für die Bestätigungsmail würde die Nutzung nicht insgesamt zulässig.

Der Verstoß der Beklagten sei auch rechtswidrig. Eine Interessensabwägung ergäbe, dass das Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG, 8 Abs. 1 EMRK höher wiege als das Interesse der Beklagten ihren Mails werbende Zusätze hinzuzufügen.


BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15 -

Freitag, 1. April 2016

Anwaltsrecht: Übernahme der Verantwortung für Schriftsätze – Welche Unterzeichnung ist erforderlich ?

Gerne wird aus formalen Gründen ein Schriftsatz (hier eine Revisionsbegründung in einer Strafsache) als unzulässig angesehen.  Entscheidend ist, dass der Unterzeichner des Schriftsatzes sich den Inhalt zu eigen macht und für diesen nach eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt.

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In dem dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegten Fall hatte ein Anwalt, der mit dem Sachbearbeiter in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeitete, dessen Revisionsbegründung mit den Zusätzen „i.V.“ (in Vertretung) und „ „für den nach Diktat verreisten Rechtsanwalt …“ unterzeichnet. Die Revision wurde verworfen. Mit den Zusätzen habe der Unterzeichner deutlich gemacht, dass er die Revisionsschrift nicht geprüft und nicht die Verantwortung übernommen habe.

Das sah das BVerfG anders. Alleine der Umstand, der der Unterzeichner vorher nicht tätig wurde, rechtfertige nicht die Annahme, dass er sich nicht mit der Angelegenheit auseinandergesetzt habe. Die Verantwortungsübernahme hänge nicht damit zusammen, wer den Schriftsatz entworfen hat. Mit der Unterzeichnung sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Unterzeichner den Inhalt zu eigen gemacht habe und damit auch die Verantwortung für dessen Inhalt übernehme. Anderes könne nur gelten, wenn in dem Schriftsatz selbst Distanzierungen  enthalten wären.

Der Zusatz „i.V.“ stünde dem nicht im Wege, wie dies eventuell der Zusatz „im Auftrag“ nahelegen könne. Ebenso sei der Zusatz, dass der Sachbearbeiter „nach Diktat verreist“ ist, nicht der Eigenübernahme entgegen.  Dies würde letztlich nur dafür sprechen, dass der Verfasser bei Unterzeichnung nicht anwesend war, nicht aber, dass der Unterzeichner nicht selbst geprüft und den Inhalt als eigenen übernommen hat.


BVerfG, Beschluss vom 07.12.2015 – 2 BvR 767/15 -

Keine Amtshaftung bei Verzögerung der Kostenfestsetzung durch das Gericht ?

Die Klägerin (Beklagte des Ursprungsverfahrens) machte vor dem LG Frankenthal Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG geltend. Streitgegenständlich waren von ihr zu zahlende Zinsen im Zusammenhang mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen aus dem Ursprungsverfahren, da sich das für dieses Verfahren zuständige AG Speyer mit der Festsetzung zwei Jahre Zeit ließ. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung nicht zugelassen.
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In dem Ursprungsverfahren vor dem AG Speyer hatte die dort obsiegende Partei mit Eingang am 24.04.2013 bei dem Amtsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Hierüber wurde die Klägerin des Amtshaftungsprozesses als unterlegene Partei des Ursprungsverfahrens erst zusammen mit der Überlassung des erst am 30.04.2015 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses informiert. Entsprechendes gilt für den weiteren Kostenfestsetzungsantrag der obsiegenden Partei, der am 26.11.2013 bei dem Amtsgericht einging und erst zusammen mit dem am 02.09.2015 verkündeten Kostenfestsetzungsbeschluss durch das Amtsgericht entschieden wurde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da nach seiner Auffassung eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin als unterlegener Partei des Ursprungsverfahrens nicht vorläge. Der zuständige Beamte habe zwar die Amtspflicht zu einer zügigen Bearbeitung; dies ergäbe sich aus dem Justizgewährungsanspruch des  Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG. Allerdings bestehe dies Amtspflicht lediglich gegenüber dem Antragssteller und nicht dem Antragsgegner (hier die Klägerin des Amtshaftungsprozesses) als Kostenschuldner. Außerdem, so das Landgericht, habe auch die Klägerin in dem Ursprungsverfahren keine Anstrengungen unternommen um sich nach einem etwaigen Bearbeitungsstand eines zu erwartenden Kostenfestsetzungsverfahrens zu erkundigen.

Anmerkung:   Die dogmatische Begründung des Landgerichts lässt eher auf einen Versuch einer krampfhaften Verhinderung von Amtspflichtansprüchen im Zusammenhang mit zeitlich begründeten Umständen schließen, als auf einer rechtlich verantwortlichen Aufbereitung.

Dies fängt bereits an mit der Frage, wem gegenüber die Amtspflicht zur gebotenen Beschleunigung (die auch vom Landgericht erkannt wurde) obliegt. Hier negiert das Landgericht eine Amtspflicht gegenüber dem Kostenschuldner. Begründet wird vom Landgericht lediglich damit, dass Sinn der Verfahrensgestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens die zügige Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels für den Kostengläubiger, die die Verkürzung einer Zinszahlungspflicht für den Kostenschuldner wäre. Diese Auffassung des Landgerichts erschließt sich allerdings nicht aus den rechtlichen Grundlagen, auch nicht jenen, auf die sich das Landgericht selbst bezieht.  Im Gegenteil. Das Landgericht hat im Hinblick auf die allgemeine Amtspflicht zur Verfahrensbeschleunigung Bezug genommen auf einen Aufsatz von Remus (in NJW 2012, 1403ff). In diesem Aufsatz hat sich Remus mit der Amtshaftung des Richters bei verzögerter Amtstätigkeit vor und nach Einführung der §§ 198ff GVG auseinandergesetzt, ohne allerdings die entsprechende Differenzierung zwischen Kläger/Antragsteller und Beklagter/Antragsgegner vorzunehmen. Grundlage ist, worauf auch Remus (aaO.) verweist, Art 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK:

„Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

„Jede Person“ bedeutet, eine Differenzierung zwischen dem Interesse eines Klägers(Antragstellers und dem Beklagten/Antragsgegner hat zu unterbleiben. Damit ist auch die Amtspflicht nach § 839 BGB iS. der Konvention auszulegen. Dies hat das Landgericht verkannt. Vergleicht man zudem auch die §§ 198ff GVG, die 2011 eingeführt wurden, verdeutlicht sich, dass auch nach der gesetzgeberischen Intention bei der Verzögerung für einen Schadensersatzanspruch in Übereinstimmung mit Art. 6 EMRK nicht auf die Parteistellung abgestellt wird.

Offenbar hatte das Landgericht bei seiner Entscheidung in Bezug auf den Begünstigten einer Amtspflicht selbst Bedenken und hat dann  - mit einem kurzen Nachsatz -  ein Eigenverschulden der Klägerin darin gesehen, dass diese es unterließ, auf den Stand eines „zu erwartenden“ Kostenfestsetzungsantrag zu erkundigen. Damit gibt das Landgericht den Parteien eines Rechtstreites weiterhin eine Überprüfung von Aktenständen qua Anfragen bei Gericht auf.

Schon nicht ersichtlich ist allerdings, weshalb eine Partei sich im Falle ihres Unterliegens nach einem möglichen Eingang eines Kostenfestsetzungsantrag erkundigen sollte, kann sie doch an sich davon ausgehen, dass die /Gerichts-) Verwaltung korrekt und gesetzesmäßig arbeitet, also über mögliche Anträge informiert. Und: In welchen Abständen soll dies widerholt  werden ? Die Kostenentscheidung in einem Urteil verjährt erst nach 30 Jahren; innerhalb dieser Frist kann mithin der Kostenfestsetzungsantrag gestellt werden. Sieht eine Partei  - aus welchen Gründen auch immer -  von einer Antragstellung ab, müsste nach dieser Entscheidung des Landgerichts die unterlegene Partei gleichwohl regelmäßig (monatlich ?) nachfragen. Dass dies zu einem erheblichen Mehraufwand, sowohl bei der betroffenen Partei (und deren Prozessbevollmächtigten) als auch bei Gericht führt (wobei die Anfragen in Ansehung von zu erwartenden Nichtbeantwortungen letztlich wohl gar noch durch Dienstaufsichtsbeschwerden unterlegt werden müssten) dürfte ohne weiteres auf der Hand liegen. Allerdings ist auch nicht einsichtig, dass bei Unkenntnis eine Anfrage zur Absicherung erfolgen müsste; etwas anders wäre nur der Fall, wenn ein Antrag bekannt ist und eine Verbescheidung ausbleibt; in diesem Fall wird man eine Anfrage (oder Rüge iSv. § 198 GVG) wohl erwarten dürfen.

Das Landgericht hatte (leider) ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, weshalb hier eine obergerichtliche Überprüfung nicht ermöglicht wurde. Die Konsequenz wird wohl sein, dass tatsächlich zeitnah (und wiederholend) Anfragen zu möglichen Kostenfestsetzungsanträgen gestellt werden müssen (zur Freude des Anwalts und der Rechtspfleger). 

LG Frankenthal, Urteil vom 24.02.2016 - 3 O 395/15 -