Mittwoch, 30. September 2015

Bewertungsplattformen: Wann haftet der Betreiber für unwahre Tatsachenbehauptungen ?

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Die Klägerin, die ein Hotel betreibt, klagt wegen (angeblich) falscher Tatsachenbehauptungen auf einem von einem Online-Reisebüro betriebenen Hotel-Bewertungsportal gegen den Betreiber desselben auf Unterlassung der im Einzelnen benannten Behauptungen. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Zwar geht der BGH davon aus, dass im konkreten Fall die Parteien Mitbewerber wären. Zwar würden nicht gleichartige Dienstleistungen angeboten, doch diene das Portal der Förderung des Wettbewerbs der Beklagten (Online-Reisebüro), wobei die negative Bewertung der Klägerin deren Wettbewerb beeinträchtige.

Jedoch habe die Beklagte auf dem Portal keine eigenen Behauptungen wiedergegeben. Sie hat lediglich ein Bewertungssystem zur Verfügung gestellt, welches eingehende Bewertungen zu einem Durchschnittswert und einer Weiterempfehlungsrate auswerte; die Bewertungen können anonym erfolgen.

Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wäre nur möglich, wenn die Beklagte eigene Behauptungen aufstellt, die wahrheitswidrig sind, § 4 Nr. 8 UWG. Der Betreiber einer Internetseite macht sich fremde Angaben zu eigen, wenn er nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung übernimmt. Ausreichend ist allerdings auch bereits, wenn er den Anschein erweckt, er indentifiziere sich mit diesen Angaben. Alleine der Disclaimer, sich veröffentlichte Inhalte nicht zu eigen zu machen, schließt dies allerdings nach ständiger Rechtsprechung des BGH, auf die in der Entscheidung hingewiesen wird, nicht aus.

Im Hinblick auf die Art des Portals könne auch alleine der Umstand, dass eine fremde Tatsachenbehauptung weitergegeben wird und damit Dritten die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschaffen wird, nicht ein sich-zu-eigen-machen begründen. Denn in diesem Fall müsste der Betreiber eine inhaltliche Überprüfung der Angaben vornehmen, wozu er nicht veranlasst ist. Diese Einschränkung des § 4 Nr. 8 UWG ist nach § § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG geboten und kommt im Falle eines Internet-Bewertungsportals nur in Betracht, wenn sich der Betreiber desselben darauf beschränkt, seinen Kunden neutral die technische und automatische Verarbeitung von diesen einegebenen Daten zur Verfügung zu stellen.

Diese neutrale Stellung wird nicht dadurch tangiert, dass eine statistische Auswertung erfolgt und ein automatischer Wortfilter eingesetzt wird, mittels dessen dann Mitarbeiter prüfen, ob gegen Nutzungsbedingungen verstoßen wird. Denn dadurch erfährt der Betreiber noch nicht, ob die Angaben wahr oder unwahr sind. Damit würde § 4 Nr. 8 UWG nur greifen, wenn der Betreiber positiv Kenntnis von der Unwahrheit hätte und gleichwohl die Einstellung zulässt.


BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 94/13 -

Dienstag, 29. September 2015

WEG: Wann kann das Kopfprinzip durch Anteils- oder Objektprinzip ersetzt werden ?

In bestimmten Normen des WEG ist die Abstimmung nach dem Kopfprinzip vorgesehen. D.h., egal wieviel Miteigentumsanteile und/oder Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten ein Wohnungseigentümer hat, es wird nur eine Stimme (ein Kopf) gezählt. Dass kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Mehrheitseigentümer nach Miteigentumsanteilen, beschränkt auf eine Stimme, in die Minderheit gerät und sich der „Kopfmehrheit“ beugen muss. 


Damit stellt sich die Frage, ob und wann das Kopfprinzip abgeändert und z.B. durch die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen ersetzt werden kann. § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG bestimmt, dass jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat. In § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG ist geregelt, dass die Eigentümer von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen treffen können, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Aus § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG wird abgeleitet, dass grundsätzlich vom Kopfprinzip abgewichen werden könne (was auch regelmäßig in den Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen erfolgt).

Im konkreten Fall war das Kopfprinzip in der Teilungserklärung abbedungen worden. Noch nicht höchstrichterlich wurde entschieden, ob dies im Falle des § 16 Abs. 3 WEG zulässig ist. Nach § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer in Abweichung von § 16 Abs. 2 WEG mit Stimmenmehrheit beschließen, dass die Umlegung von Betriebskosten nach jedem einer ordnungsgemäßen Verwaltung (noch) entsprechenden Maßstab umgelegt werden können. Ob in einem solchen Fall vom Kopfprinzip abgewichen werden kann, wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Vom BGH wird ausgeführt, dass in der Regelung des § 16 Abs. 3 lediglich von Stimmenmehrheit die Sprache ist, nicht aber von der Art der Feststellung derselben. Wollte der Gesetzgeber eine zwingende Vorgabe, so würde er dies auch benennen, wie die Regelungen in §§ 16 Abs. 4 und 22 Abs. 2 WEG belegen, in denen er das Kopfprinzips ausdrücklich (und damit nicht änderbar) normierte. 

Zum Gegenargument der Abdingbarkeit des Kopfprinzips, dass dadurch eine Majorisierung  möglich wäre, verwies der BGH zutreffend darauf, dass mit diesem Argument letztlich die Abdingbarkeit desselben überhaupt in Frage gestellt würde. Dies aber würde eine unangemessene Einengung des privatautonomen Entscheidungspielraums darstellen.

Festzuhalten bleibt damit, dass von dem Kopfprinzip auf der Grundlage einer Vereinbarung (Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung) stets abgewichen werden darf, wenn das Gesetz nicht dieses expressis verbis vorsieht.

BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 198/14 -

Montag, 28. September 2015

WEG: Kauf einer gebrauchten Wohnung begründet keine Rechte der Gemeinschaft gegen Verkäufer bei Mängeln des Gemeinschaftseigentums

Bei einem Kauf vom Bauträger sind  mögliche Mängel- und Gewährleistungsanspruch betreffend das Gemeinschaftseigentum von der Gemeinschaft geltend zu machen; jedenfalls wenn diese den Anspruch an sich zieht, steht dem einzelnen Erwerber kein eigener Anspruch mehr gegenüber dem Bauträger zu.  Dies ist allgemein anerkannt (vgl. BGH vom 23.02.2006 – VII ZR 84/05 -).

Wie aber ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn nicht vom Bauträger erworben wird, sondern eine „gebrauchte Wohnung“ von einem Dritten ? Der BGH hatte einen Rechtstreit zu entscheiden, bei dem das vorerkennende KG eine fehlende Passivlegitimation der Kläger (Erwerber) annahm. Zugrunde lag ein Kaufvertrag eines Wohnungseigentums in einem in den 50er Jahren errichteten Gebäudekomplex. Die Kläger warfen der Beklagten arglistige Täuschung zu Sanierung, Standfestigkeit und Durchfeuchtung, jeweils das Gemeinschaftseigentum betreffend, vor.

Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Vom BGH wurde auf den unterschiedlichen meinungsstand verwiesen und ausgeführt, dass jedenfalls bei Kauf einer „gebrauchten Eigentumswohnung“ unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel und fehlender Vereinbarung einer Beschaffenheitsgarantie der allein nach Kaufrecht zu beurteilende Anspruch auf Minderung oder „kleinen“ Schadensersatz nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG fällt. Nur dann, wenn der Anspruch unter dieser Norm zu subsumieren wäre, wäre die Geltendmachung des Anspruch dem einzelnen Wohnungseigentümer (hier Erwerber) versagt,

Zur Begründung verwies der BGH daraus, dass eine nach § 10 WEG notwendige Gemeinschaftsbezogenheit nur angenommen werden könne, wenn schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder der Schuldner an einer einheitlichen Rechtsverfolgung die individuellen Interessen des Rechtsinhabers deutlich überwiegen würden. So würden bereits, anders als bei einem Bauträgervertrag, keine gleichgerichteten Interessen mehrerer Erwerber gegen einen einzigen Veräußerer existieren. Auch gebiete hier nicht der Schuldnerschutz eine einheitliche Rechtsverfolgung, da typischerweise die Kaufverträge über „gebrauchte“ Wohnungen durch verschiedene Verkäufer geschlossen würden; der werkvertragliche Schadensersatzanspruch des Erwerbers unterscheidet sich von dem kaufvertraglichen dadurch, dass im Werkvertrag den Bauträger die Erfolgshaftung treffe, demgegenüber im Kaufrecht der individualisierte Marktwert (bei dem sich ein Mangel am Gemeinschaftseigentum im Verhältnis der Anteile an der WEG auf das erworbene Wohnungseigentum niederschlägt) entscheidend ist.


BGH, Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 167/14 -

Freitag, 25. September 2015

WEG: Konsequenz aus der „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“ bei Veräußerung

Wenn ein Bauträger ein Haus als Wohnungseigentumsanlage errichtet, bildet sich die Wohnungseigentümergemeinschaft erst sukzessive. Nicht schon der Abschluss eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung oder die Wahrung des Erwerbers mit einer Eigentumsverschaffungsvormerkung im Grundbuch begründet die (rechtlich selbständige) Rechtspersönlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern erst die Wahrung des ersten Erwerbers mit der Auflassung (also Eigentumsübertragung) im Grundbuch.

Aber was ist bis zu diesem Zeitpunkt ? Mit der Wahrung der Eigentumsverschaffungsvormerkung des ersten Erwerbers und der Überlassung des erworbenen Wohnungseigentums bildet sich die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Entstehungsphase der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, so die einhellige Rechtsprechung, im Innenverhältnis zwischen dem teilenden (und veräußernden) Eigentümer und den Ersterwerbern eine faktisch vorverlagerte Anwendung des WEG geboten, sobald die Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzen und auch infolge der vertraglich vereinbarten Übertragung von Nutzungen aber auch Lasten ein berechtigtes Interesse daran haben, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung vorzeitig auszuüben.  Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn ein wirksamer Erwerbsvertrag besteht, die Eigentumsverschaffungsvormerkung für den Erwerber eingetragen und ihm der Besitz an der Wohnung (dem Gewerberaum) überlassen wurde, auf welches sich der Übertragungsvertrag sachlich bezieht.

Damit kann dann der Erwerber die Mitwirkungsrechte tragen und hat sich entsprechend § 16 Abs. 2 WEG an den Kosten zu beteiligen (BGHZ 177, 53). Er und der teilende Wohnungseigentümer haften auch nicht gesamtschuldnerisch (BGHZ 193, 219).

Wird bei einer rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft ein Verkauf vorgenommen, kommt es hier allerdings nicht zu einer Vorverlagerung der Anwendung des WEG. Der Unterschied besteht darin, dass im ersten Fall noch nie eine Wohnungseigentümergemeinschaft bestand, diese erst durch die sukzessive Auflassung im Grundbuch an die einzelnen Erwerber  entsteht, mithin hier nur im Hinblick auf die gemeinschaftlichen Interessen der Erwerber etwas vorgezogen wird, besteht dafür nach Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft und einem Verkauf einer Wohnung durch einen der Wohnungs- und Teileigentümer keinerlei praktisches Bedürfnis mehr. Ging es vorher um Fragen der Gewährleistung gegen den Bauträger auch in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum pp., kommen bei der späteren Veräußerung nur die Verhältnisse zwischen den Kaufvertragsparteien zum Tragen.

Damit stellt sich die Frage, wie der Verkauf durch einen „werdenden Wohnungseigentümer“ einzustufen ist. Es handelt sich hier um den Fall, dass ein Erwerber, der vom Bauträger erwirbt, seine Rechte aus dem Vertrag einschl. auch der Eigentumsverschaffungsvormerkung auf einen Dritten qua Kaufvertrag überträgt, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft mangels Auflassung an einem Erwerber bestand. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (in BGHZ 44, 43, 45) vertritt der BGH nunmehr die Auffassung, dass der Dritterwerber nicht in die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft eintritt, vielmehr hier der Veräußerer verbleibt.  

Der BGH begründet sein (jetziges) Ergebnis damit, dass die Gründe der besonderen Behandlung des Erwerbs vom Bauträger nicht auf den Nachfolgeerwerb vom Erwerber zutreffen. So könnte auch Erwerber und Zweiterwerber qua Vertrag das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung (der werdenden Eigentümergemeinschaft) übertragen bzw. regeln, wie auch die Kosten und Lasten. Des weiteren würde, so der BGH, der Übergang des Mitgliedschaftsrechts praktische Probleme in Bezug auf die Rechtsicherheit darstellen, da sich der Übergang nicht ohne weiteres feststellen lassen könnte.

Die Änderung der Rechtsprechung durch den BGH hat erhebliche Konsequenzen: Verkauft der Ersterwerber vor Wahrung der Auflassung und Begründung des Wohnungseigentümergemeinschaft sein Recht auf den Zweiterwerber, bleibt er doch gegenüber der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft als auch im Außenverhältnis weiterhin berechtigt als auch verpflichtet.

BGH, Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 275/14 -


Montag, 21. September 2015

Einkommensteuer: AfA auf Pächterbauten/-einbauten

Die Absetzung für Abnutzungen (AfA) kann auch der Mieter für Gebäude und Einbauten dort nutzen, die er auf dem gemieteten  bzw. gepachteten Gelände errichtet bzw. einbaut. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass  - so der BFH - § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes abstellt, nicht auf eine davon eventuell abweichende kürze Miet-/Pachtzeit. Ein Mieter/Pächter kann eine die technische Nutzungsdauer unterschreitende wirtschaftliche Nutzungsdauer nur dann geltend machen, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ist der Vermieter/Verpächter verpflichtet, den Zeitwert von Mietereinbauten/-bauten zu vergüten, steht die Erzielung eines Erlöses einem wirtschaftlichen Verbrauch entgegen.

BFH, Urteil vom 19.06.2015 – III B 2/14 -

Grundstücksrecht: Anspruch auf ein selbst verschuldetes Notwegerecht ?

Nach § 917 BGB kann eine Notwegerecht beanspruchen, wenn dem Anspruchsteller-Grundstück eine notwendige Verbindung u einem öffentlichen Weg fehlt. Da Notwegerecht belastet das beanspruchte Grundstück. Das Recht kann nach § 918 BGB nicht geltend gemacht werden, wenn eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg durch eine „willkürliche Handlung“ des Eigentümers aufgehoben wird.

Weg, eingerahmt von Mauer und Büschen
Bild: pixbay
Der Beklagte beantragte eine Baugenehmigung für sein nicht an einer öffentlichen Straße belegenen Grundstücks,  für welches es aber eine rechtliche gesicherte (wenn auch noch nicht gebaute) Zufahrt gab. Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit eine Zufahrt über ein anderweitiges Grundstückes (des Klägers) genutzt. Der Kläger will allerdings die Nutzung seines Grundstücks zukünftig nicht mehr dulden und der Beklagte will die vorgesehene „offizielle“ Zufahrt wegen des damit verbundenen (finanziellen Aufwandes nicht ausbauen, sondern die bisherige Zuwegung über das Grundstück des Klägers „aus Gewohnheitsrecht“ weiternutzen bzw. ein Notwegerecht daran.

Der BGH hat, entgegen der Vorinstanz, ein Notwegerecht des Beklagten angenommen und daraus abgeleitet, dass der Kläger die Nutzung des Privatweges nach § 1004 BGB zu dulden hat.

Das Notwegerecht bestünde, so der BGH, da zu einer ordnungsgemäßen Nutzung eines Wohngrundstücks (wie hier) die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug gehöre, wobei ausreichend sei,, wenn mit dem Fahrzeug die Grundstücksgrenze erreicht würde. Dies wäre nur über den Weg auf dem Grundstück des Klägers möglich.

Vom Kläger wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte eine alternative Zufahrt im Rahmen seines Bauantrages benannt habe, die möglich wäre (und auch rechtlich gesichert sei). Da rauf kommt es aber nach Auffassung des BGH nur an, wenn zum einen die anderweitige Wegführung technisch möglich ist, zum anderen mit zumutbaren finanziellen Aufwand durchführ bar ist, was beides vom Beklagten bestritten wurde. Der Umstand alleine, dass diese anderweitige Erschließung der Baugenehmigung zugrunde lag, reicht nicht aus; dies führt nicht dazu, einen Fall des § 918 Abs. 1 BGB anzunehmen. Der BGH stellt hier darauf ab, dass nach § 918 BGB Voraussetzung die willkürliche Aufhebung einer bisherigen Verbindung wäre. Das Grundstück des Beklagten habe auch vor seiner Bebauung keine Anbindung an eine öffentliche Straße gehabt;  die Änderung der Nutzungsart selbst wäre im übrigen nicht als willkürlich anzusehen, wenn (wie hier) wenn die Nutzung selbst als ordnungsgemäße Nutzung nach § 917 BGB anzusehen ist. Mithin: Der Umstand, dass hier die Baugenehmigung, folgt man den Ausführungen des Beklagten, rechtswidrig deshalb erlangt wurde, da die Zuwegung zur öffentliche  Straße (technisch) nicht gesichert war,  führt nicht zur Versagung des Notwegerechts nach § 918 BGB.


BGH, Urteil vom 24.04.2015 – V ZR 138/14 -

Baukostenüberschreitung und Schadensersatz

Nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern auch im privaten Bereich kommt dies vor: Baukostenüberschreitung. Da lässt der Bauherr sein Objekt planen und im Hinblick auch auf seine finanziellen Möglichkeiten und/oder die Rentabilität die möglichen Kosten schätzen. Im vorliegenden Fall hatte der Bauherr zudem nach seinen Angaben mit dem mit der Planung und Überwachung gem. den Leistungsphasen 1 – 8 (§ 15 Abs. 2 HOAI) beauftragten Architekten eine Baukostenobergrenze vereinbart. Diese wäre um rund 20% überschritten worden, weshalb der Bauherr einen weiteren Kredit habe aufnehmen müssen, für den Finanzierungskosten von € 13.149,38 angefallen wären. Der Bauherr begehrt Schadensersatz wegen der Baumehrkosten.

Architektenpläne
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Das OLG Zweibrücken ging davon aus, dass die Parteien eine Baukostenobergrenze von € 530.000,00 vereinbart hatten und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Mehrkosten von € 47.667,70 einschl. anteiliger zusätzlicher Finanzierungskosten. Diese Entscheidung hielt der Prüfung durch den BGH nicht stand.

Der BGH verwies auf seine ständige Rechtsprechung (so BGH NJW-RR 2005, 318; BGH NJW 1994, 856; BGH BauR 1979, 74), wonach der Bauherr bei einem Überschreiten der Baukostenhöchstgrenze insoweit keinen Schaden erleide, insoweit der Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objekts führe. Damit aber ist die Vermögenslage des Bauherren mit und ohne Pflichtverletzung des Architekten zu vergleichen (so bereits BGH BauR 2013, 982), wobei für die Berechnung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen sei (BGH BauR 1997, 335).

Nur wenn diese Berechnung im Einzelfall zu einem Ergebnis kommt, das dem Zweck des Ersatzanspruchs zuwiderlaufen würde, also dem Geschädigten nicht mehr zumutbar wäre und den Schädiger unangemessen entlastet, wäre der Vorteilsausgleich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu begrenzen (so  bereits BGH BauR 1997, 335, 336).

Fehlerhaft sei nach Auffassung des BGH die Rechtsauffassung des OLG Zweibrücken als Vorinstanz gewesen, ein Vorteilsausgleich käme erst ab einem aktuellen Grundstückswert in Betracht. Damit aber, so der BGH, kann der Wert des Grundstücks ohne Pflichtverletzung nicht festgestellt werden, weil bereits der Grundstückswert mit Pflichtverletzung die Herstellungskosten nicht erreicht. Unzulässig würde dadurch dem beklagten Architekten das Risiko zugewiesen werden, dass die Herstellungskosten des Gebäudes den Verkehrswert des Grundstücks um zumindest diesen Betrag erhöhen.

Der BGH hat das Urteil des OLG Zweibrücken aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen. Dabei wies er darauf hin, dass der beklagte Architekt dazu vorzutragen habe, inwieweit aus technischer Sicht kosteneinsparende Gestaltungen möglich oder nicht möglich gewesen wären, und der klagende Bauherr darzulegen habe, welche Gewerke er kostengünstiger gestaltet oder gar nicht durchgeführt hätte.

Anmerkung: Alleine die Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze begründet noch keinen Anspruch des Bauherren gegen den verantwortlichen Architekten. Es wäre mithin hier ratsam, gezielt eine Vereinbarung zu treffen, mit der das Risiko abgewälzt wird  und mithin alleine die Überschreitung der Kosten den Haftungsanspruch auslöst und der Höhe nach begründet.


BGH, Urteil vom 21.05.2015 – VII ZR 190/14 -

Freitag, 18. September 2015

Handelsvertreterausgleichsanspruch vom übertragenden Rechtsträger bei nachfolgender Beendigung des Agenturverhältnisses

Gegenstand des Rechtsstreits waren Handelsvertreterausgleichsansprüche, die der Kläger  von der Beklagten begehrte. Mit dieser hatte er 1968 einen Generalagenturvertrag geschlossen.

Buchauszug
Bild: William Teutoburger (own works) auf: Wikimedia
Im Jahr 2007 hat die Beklagte mit der Streitverkündeten einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag geschlossen, mit dem die beklagte einen näher spezifizierten Teil ihres Vermögens mit allen Rechten und Pflichten auf die Streitverkündete übertrug; dazu gehörten auch die Versicherungsvertreterverhältnisse.

Der Beklagte lehnte einen nunmehr von der Streitverkündeten vorgelegten Vertrag ab, mit dem ein früherer Vertrag mit der beklagten aufgehoben werden sollte. Die Streitverkündete kündigte schließlich den Agenturvertrag im Juni 2009 zum 31.12.2009; im Oktober 2009 kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten fristlos. Sowohl die Streitverkündete als auch die Beklagte wurden in der Folge vom Kläger zur Zahlung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB aufgefordert. Die Beklagte verwies den Kläger auf die Streitverkündete.

Die vom Kläger erhobene Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Das OLG hat auf die Berufung den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach bestätigt, aber auch die Abweisung der Klage auf Zahlung von Schadensersatz bestätigt. Die (zugelassenen) Revisionen beider Parteien wurden zurückgewiesen (jene des Klägers als unzulässig).

Der BGH hat offen gelassen, ob der Übergang des Agenturverhältnisses auf die Streitverkündete einen wichtigen Grund für eine Kündigung durch den Kläger darstellen könne, da das Agenturverhältnis jedenfalls durch die Streitverkündete zum 31.12.2009 beendet worden sei. Der Ausgleichsanspruch wäre hier auch nicht nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB  erloschen, da die Streitverkündete vorliegend dem Kläger durch die ohne finanzielle Entschädigung erfolgte Freistellung begründeten Anlass zur fristlosen Kündigung gegeben hatte. Wird mithin die Kündigung des Handelsvertreters durch ein verhalten des Geschäftsherrn hervorgerufen, entfällt der Ausgleichsanspruch nicht.

Im übrigen folgte der BGH der Auffassung des OLG, dass es sich bei der Verbindlichkeit in Form des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB um eine solche iSd. § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG handelt, für die der übertragende Rechtsträger (die Beklagte) haftet. Ausreichend wäre für die Begründung einer Verbindlichkeit nach § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung der Forderung vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung gelegt wurde.


BGH, Urteil vom 13.08.2015 – VII ZR 90/14 -

Montag, 14. September 2015

Mietrecht: Kündigung, Vorenthaltung und Minderung

Häufig muss der Vermieter sein Räumungsverlangen nach Kündigung gerichtlich durchsetzen. Dies gilt sowohl bei fristlosen Kündigungen wie auch bei ordentlichen Kündigungen, im Wohnraumbereich als auch im Gewerberaumbereich. War die Kündigung berechtigt, so steht dem Vermieter ab dem Tag der Beendigung des Mietverhältnisses kein Mietzinsanspruch mehr zu. Allerdings kann nun der (ehemalige) Mieter die Räume nicht kostenfrei nutzen, sondern ist verpflichtet, dem Vermieter für die Zeit der Vorenthaltung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, § 546a BGB.

Was aber ist, wenn Mängel nach Beginn der Vorenthaltung auftreten ? Ist dann die Nutzungsentschädigung ungeschmälert zu zahlen oder tritt eine Kürzung entsprechend § 536 BGB (Mietminderung wegen Mängeln) ein ?

Der BGH tendiert dazu, dass die die Nutzungsentschädigung ungekürzt zu zahlen ist, stellt aber auf die Umstände des Einzelfalls ab. Anderes soll dann gelten, wenn im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses der Vermieter nach Treu und Glauben gehalten wäre, den Mangel zu beseitigen.

Der BGH verwies insoweit auf seine ältere Rechtsprechung:

Zahlt der (ehemalige) Mieter jeweils rechtzeitig die Nutzungsentschädigung und entsteht dem Vermieter (damit) kein Schaden, ist der Vermieter weiter zur Versorgung mit Strom, Wasser und Heizenergie verpflichtet. Darauf bezogen nimmt der BGH an, dass im Abwicklungsverhältnis Maßnahmen für eine Instandsetzung oder –haltung über die Erfüllung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten gegenüber Dritten hinausgehend erforderlich wäre, dass akute und schwerwiegende Gefahren für Leben, Gesundheit oder „hohe Eigentumswerte“ des Mieters bestünden. Allerdings wäre auch hier zu berücksichtigen , dass es der (ehemalige) Mieter selbst zu vertreten habe, dass er noch im Besitz der Mietsache ist und damit sich selbst dieser drohenden Gefahr aussetzt.

Es müsse mithin nach Auffassung des BGH eine Fallkonstellation vorliegen, in der die Vorenthaltung der Mietsache durch den (ehemaligen) Mieter in einem günstigeren Licht betrachtet werden könne, was dann der fall wäre, wenn die Vollstreckungsschutzvorschriften dem Mieter die Weiterbenutzung gestatten würden oder jedenfalls der Mieter im Rahmen des Streits um die Wirksamkeit der Kündigung nachvollziehbar hätte davon ausgehen können, weiterhin zum Besitz berechtigt zu sein.

Im konkreten Fall hat der BGH mit den Vorinstanzen das „Minderungsrecht“ auf die Nutzungsentschädigung aus den benannten Gründen negiert.


BGH, Urteil vom 27.05.2015 – XII ZR 66/13 -

Freitag, 11. September 2015

Arbeitsrecht: Aufhebungsvereinbarung und Klageverzicht

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Der Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer fristlos kündigen will, versucht häufig  - zur Vermeidung einer arbeitsgerichtlichen Klage -  einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitnehmer zuschließen. In diesem wird dann ausdrücklich aufgenommen, dass der Arbeitnehmer auf eine Klage verzichtet. Doch Vorsicht. Handelt es sich bei dem Aufhebungsvertrag um ein Formular, d.h. um einen Vertrag, der von seinem Inhalt her für eine Vielzahl von Fällen bestimmt ist. Ein solcher Vertrag unterfällt dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305ff BGB. Das BAG hat entschieden, dass der Klageverzicht dann nach § 307 Abs. 1 BGB (Inhaltskontrolle) unwirksam ist, wenn er den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Dies wäre bei dem Klageverzicht nur dann nicht der Fall, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war; durfte aber die außerordentliche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden, verbietet sich nach § 307 BGB die Aufnahme eines Klageverzichts. Dies wäre, klagt der Arbeitnehmer trotz des Vertrages unter Anfechtung desselben, vom Arbeitsgericht zu prüfen.



BAG, Urteil vom 12.03.2015 – 6 AZR 82/14 -

Mietrecht: Schadensersatz bei Vergleich nach (vorgetäuschter) Eigenbedarfskündigung

Die Eigenbedarfskündigung wird manchmal (wie in dem vom BGH zu beurteilenden Fall) eingesetzt, um sich von einem unliebsamen Mieter zu trennen. Kommt es im Rahmen der Räumungsklage nach erfolgter Eigenbedarfskündigung zu einem Vergleich, nach dem der Mieter letztlich räumt, ist damit noch nicht ein Schadensersatzanspruch des Mieters gem. § 280 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Zu prüfen ist, ob durch den Vergleich der Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung des Eigenbedarfs und dem vom Mieter später geltend gemachten Schaden unterbrochen wird. Nur dann wäre der Mieter mit seinem Schadensersatzanspruch ausgeschlossen.

Ergibt sich aus dem Vergleichstext selbst, dass mit dem Vergleich auch mögliche Schadensersatzansprüche ausgeschlossen werden sollen, wäre der Zurechnungszusammenhang unterbrochen. Dies wäre auch dann der Fall, wenn in dem Vergleich eine allgemeine Abgeltungsklausel aufgenommen würde.

Ist eine solche Regelung in dem Vergleich nicht enthalten, könnte sich gleichwohl ein stillschweigender Verzicht ergeben. Hierfür ist allerdings erforderlich, dass der Verzichtswille, unter Berücksichtigung aller Begleitumstände, unmissverständlich ist. Derartige Umstände können darin gesehen werden, dass der Vermieter im Rahmen des Räumungsvergleichs zu einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet wird (z.B. Zahlung einer namhaften Abfindungssumme oder Verzicht auf die Durchführung einer  - wohl tatsächlich geschuldeten -  Schönheitsreparatur durch den Mieter).  

Derartige zusätzliche Vereinbarungen sind insbesondere dann geeignet einen Verzicht auf Schadensersatzforderungen annehmen zu lassen, wenn die Regelungen in dem Vergleich in einer Situation erheblicher Unsicherheiten für beide Parteien erfolgt, so etwa schon bei einer ansonsten notwendigen umfangreichen Beweisaufnahme. Der Umstand alleine, dass der Vermieter als damaliger Kläger die Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergleichskosten übernahm, sei, so der BGH, nicht ausreichend.


BGH, Urteil vom 10.06.2015 – VIII ZR 99/14 -

Dienstag, 8. September 2015

Verkehrsunfall: Steinschlag bei Mäharbeiten am Strassenrand

Bild: „Unimog U 400 (2)“ von Joost J. Bakker from IJmuiden - Unimog U 400.
Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia 
Bei Mäharbeiten können Steine aufgewirbelt werden. Erfolgen die Mäharbeiten in der Nähe einer Straße (oder im Bereich des sogenannten Straßenbegleitgrüns) kann es durch aufgewirbelte Steine leicht zu Schäden an vorbeifahrenden Fahrzeugen (sei es Lackschäden, sei es die Beschädigung von Scheiben) kommen. Allerdings ist nicht gesichert, dass hier  - auf wenn im Falle der Mäharbeiten bedingt durch das genutzte Fahrzeug -  eine Haftung nach § 17 StVG entsteht. Liegt nämlich eine Unabwendbarkeit iSv. § 17 Abs. 3 StVG vor, ist eine Haftung ausgeschlossen.


Unter diesem Gesichtspunkt hat das OLG Hamm eine Klage abgewiesen. Die Mäharbeiten wurden an einer Straße von dem zuständigen Straßenbaulastträger ausgeführt. Bei dem zum Einsatz gebrachten Mähgerät handelte es sich um ein solches, welches selbst über Sicherheitsvorrichtungen verfügte, nach denen ein Schadenseintritt als unwahrscheinlich anzusehen war. Dann aber, so das OLG, wären zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nicht erforderlich, da auch von der zu mähende Fläche keine Besonderheiten ausgegangen wären.

Vor diesem Hintergrund könne es auch nicht zu einer Haftung aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht kommen, da  - wenn wie hier eine Exkulpation nach § 17 Abs. 3 StVG gegeben ist -  kein Raum mehr für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht als Anspruchsvoraussetzung nach § 823 BGB wäre. 

Die Klage wurde damit in beiden Instanzen abgewiesen.

OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2015 – 11 U 169/14 -

Montag, 7. September 2015

Maklerrecht: Internationale Zuständigkeit für die Maklerlohnklage

Zwischen den Parteien ist streitig, ob zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die niederländische Beklagte das Internetportal der Klägerin bereits Informationen auf Niederländisch enthielt. Unstreitig kam es zu einem provisionspflichtigen Maklervertrag, in dessen Rahmen die Beklagte auch einen (später rückabgewickelten) notariellen Grundstückskaufvertrag schloss.


Die Zahlungsklage der Maklerin hatte in 1. Instanz Erfolg, wurde aber vom OLG Düsseldorf abgewiesen; die hiergegen von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.
Die Zurückweisung der Klage erfolgte aus prozessualen Gründen. OLG Düsseldorf und ihm folgend haben die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts negiert. Nach ihrer Auffassung hätte die Beklagte durch die Klägerin in den Niederlanden an ihrem dortigen Wohnsitz verklagt werden müssen. Dabei hat sich der BGH von nachfolgenden Erwägungen leiten lassen:
  •          In Verbrauchersachen ist nach Art. 15 I c Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (sogen. Brüssel-I-VO) die ansonsten nach Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO gegebene Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben.
  •     Die Beklagte war Verbraucher, was unstreitig war. D.h., sie hat nicht im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt.
  •         Die Klägerin muss zudem in dem Mitgliedsstaat, in dem die Beklagte ihren Wohnsitz hatte (hier: Niederlande) ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben  oder zumindest ihre Tätigkeit auf diesen Staat ausrichten. Damit soll auch die direkt auf die für den Wohnsitzstaat ausgerichtete Werbung wie auch den elektronischen Vertragsschluss abgestellt werden.

Der letzte Punkt wird vom BGH mit der Begründung bejaht, durch die (klägerseits für das streitbefangene Jahr 2009 bestrittene) Internetinformation auf niederländisch wäre der notwendige Auslandsbezug der Tätigkeit gegeben. Das einfache Bestreiten der Klägerin wäre unbeachtlich, da sie nach der substantiierten Darlegung zu der Internetseite im einzelnen hätte ausführen müssen, wann wer diese Seite aufgenommen habe. Mangels dieser Substantiierung, auf dessen Erfordernis das LG gem. § 139 ZPO hingewiesen habe, wäre der Vortrag der Beklagten zum Vorhandensein der Seite im Jahre 2009 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als gegeben anzusehen und damit die fehlende internationale Zuständigkeit festzustellen.

Anmerkung: Die Entscheidung verdeutlicht die möglichen Risiken im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr. Schon in Ansehung der Kosten ist es ein Unterschied, ob eine Klage in Deutschland oder den Niederlanden zu erheben ist. Ist Deutschland zuständig, ergeben sich die Kostenfolgen aus §§ 91ff ZPO mit der Folge, dass im Falle des vollständigen Obsiegens der Gegner der obsiegenden Partei die gesetzlichen Gebühren umfassend zu erstatten hat. Anders in den Niederlanden, in denen die Gebühren ausgehandelt werden und gerade nicht (umfassend) im Falle eines Obsiegens erstattet werden.

Von daher mag die (auch) in einer Fremdsprache abgefasste Internetseite zwar ein Service für Besucher und damit potentielle Kunden der Seite sein. Doch dieser Service kann sich schnell 8wie hier) zuungunsten des Seitenbestreibers herausstellen, wenn dadurch die Zuständigkeit beeinflusst wird. 

BGH, Urteil vom 15.01.2015 - I ZR 88/14 -

Freitag, 4. September 2015

Steuererklärungen: Zwang zur elektronischen Übermittlung

Elster – nicht gemeint ist der Vogel, sondern die Bezeichnung des elektronischen Programms der Finanzverwaltung zur Übermittlung von Steuererklärungen (www.elster.de).  Immerhin: Im Sommer 2013 kam die Entscheidung, dass bei „Elster“ das sicherheitsanfällige Java nicht mehr zum Einsatz kommt. Aber ist es sicher ? Dies bezweifelte der als selbständiger Fotograf in Rheinland-Pfalz tätige Kläger, der sich weigerte seine Einkommensteuererklärung in elektronischer Form beim Finanzamt einzureichen.


Bild: pixabay
Das zuständige Finanzamt hatte ihn erstmals in 2011 darauf hingewiesen, dass er als selbständiger Fotograf verpflichtet wäre seine Steuererklärung elektronisch  bei dem Finanzamt einzureichen, da sein Gewinn aus selbständiger Arbeit über € 500,00/Jahr läge. Gestützt wurde dies auf § 25Abs. 4 EStG. Lediglich auf Antrag kann die Finanzverwaltung andernfalls aus Billigkeitsgründen auf die elektronische Übermittlung verzichten.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen und hält den Kläger zur Abgabe der Steuererklärung in elektronischer Form für verpflichtet. Es bestünde zwar ein nicht zu verleugnendes Risiko eines Hackerzugriffs auf die übermittelten Daten, doch wäre dies aus Gemeinwohlinteressen nicht zu beanstanden. Es wäre so möglich, die Steuererklärung gleich weiter zu verarbeiten, was neben einer Kostenersparnis und Verwaltungsvereinfachung auch gleichzeitig einer besseren Überprüfungsmöglichkeit diene.

Soweit das Finanzgericht dann darauf hinwies, dass der Kläger selbst zur Erstellung seiner Steuererklärung die Software WISO nutzen würde und er und seine Familie den PC auch im Internetbereich nutzen würden, erscheint dies eher der Versuch einer indirekten Rechtfertigung qua gleichförmigen Verhaltens als eine Begründung. Die Ausführungen lesen sich unter dem Aspekt, wenn Du auch im übrigen die Daten einem Hackerangriff preis gibst kannst Du dies auch für den Staat tun.


FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.07.2015 -  1 K 2204/13 -

Donnerstag, 3. September 2015

Grunderwerbsteuer: Keine Anwendung der Borrutau`schen Formel auf Kauf eines Erbbaugrundstücks durch Erbbauberechtigten

Der BFH hat seine Rechtsprechung zur Grunderwerbsteuer geändert.  Nach der jetzigen Rechtsprechung ist bei Kauf eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks  durch den Erbbauberechtigten lediglich der nach Abzug des Kapitalwerts des Erbbauzinsanspruchs vom Kaufpreis verbleibende Unterschiedsbetrag der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen.


Bisher wurde auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung der Kaufpreis nach der Borrutau`schen Formel aufgeteilt: Er wäre im Verhältnis des ohne Berücksichtigung des Anspruchs auf den Erbbauzins ermittelten gemeinen Werts des belasteten Grundstücks zum Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs aufzuteilen gewesen. Zwar wäre grundsätzlich nach wie vor nach der Borrutau`schen Formel aufzuteilen, wenn im Kaufpreis das Entgelt für das Grundstück als auch für sonstige, nicht der Grunderwerbsteuer unterworfene Gegenstände enthalten sei (z.B. Mitkauf von Mobiliar); allerdings müsse dann keine Verhältnisrechnung aufgestellt werden, wenn Gegenstand des Entgelts das Grundstück und eine Geldforderung ist. Hier kann die Kapitalforderung mit dem Nennwert angesetzt werden.

Ist der Kapitalwert des Erbbauzinses (wie in dem vom BFH entschiedenen Fall) höher als der vereinbarte Kaufpreis, verbleibt mithin kein Teil des Kaufpreises für das belastete Grundstück und ist die Grunderwerbsteuer auf Null Euro festzusetzen.


BFH, Urteil vom 06.05.2015 – II R 8/14 -