Mittwoch, 17. Dezember 2014

Handelsvertreter: Selbständig und doch abhängig - Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

Der Handelsvertreter ist seiner Natur nach selbständiger Kaufmann.  Allerdings sind die Grenzen zu einer Scheinselbständigkeit häufig verwaschen.  Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um einen sogenannten Einfirmenvertreter handelt, also einen Handelsvertreter, dem eine Tätigkeit für andere Unternehmen tätig zu werden, untersagt wird. Damit nähert sich seine Stellung der des Angestellten an. Dies gilt selbst dann, wenn seitens des Geschäftsherrn in dem Vertrag formuliert wird, dass der Handelsvertreter „hauptberuflich“ ausschließlich für ihn tätig werden müsse, da dies zwar eine „nebenberufliche“ Tätigkeit für Dritte (die nicht mit dem Geschäftsherrn konkurrieren) ermöglicht, aber doch den Handelsvertreter wie einen Angestellten zwingen, seine Arbeitskraft vollumfänglich de Geschäftsherrn zu widmen.

Vor diesem Hintergrund hat der BGH mit seinem Beschluss vom 16.10.2014 – VII ZB 16/14 -  auf die Rechtsbeschwerde entgegen der Vorinstanz in einem Vorabverfahren gem. § 17a GVG die Zuständigkeit des von der Klägerin (Geschäftsherrn) beschrittenen Rechtsweges zu den Gerichten der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit negiert und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte angenommen.  Dabei ist Grundlage § 92a Abs. 1 S. 1 1. Alt. HGB. Da es auf die Vertragswirklichkeit ankäme, so der BGH, ist hier nicht mehr von der Selbständigkeit auszugehen, sondern bei notwendig typisierender Betrachtung von einer Abhängigkeit zu Unternehmen (Geschäftsherrn). 

BGH, Beschluss vom 16.10.2014 - VII ZB 16/14 -


Mittwoch, 3. Dezember 2014

BFH: Fiskalische Interessen vor Rechtsstaatsgrundsätzen ?

Mehr als bedenklich ist der Beschluss des BFH vom 15.04.2014 – II B 71/13 -, mit dem dieser  eine Beschwerde gegen einen Beschluss  des Finanzgericht des Saarlandes im Hinblick auf einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 FGO zurückgewiesen hat.

Der Entscheidung lag u.a. ein Einheitswertbescheid zugrunde, der von dem Steuerpflichtigen mit dem Einspruch und  - in Ansehung eines darauf basierenden Grundsteuerbescheides – sodann verbunden mit  dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung angefochten wurde.  Die Rechtmäßigkeit des Einheitswertbescheides sieht der BFH als ernstlich zweifelhaft an, wobei er auch auf seine Entscheidung vom 30.06.2010 und die weitere Untätigkeit des Gesetzgebers verweist. Trotz dieser ernstlichen Zweifel gab es dem Aussetzungsantrag des Steuerpflichtigen mit der Begründung nicht statt,

a) ein besonderes Interesse des Steuerpflichtigen läge bei einer auf dem Einheitswertbescheid basierenden jährlichen Grundsteuer von € 155,75 nicht vor
b)  es läge auch kein Fall vor, „wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die einem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschriften (dem Interesse des Steuerpflichtigen) den Vorrang vor den öffentlichen Interessen“ einzuräumen, da die Rechtsfrage nach Art. 100 Abs. 1 GG noch nicht dem BVerfG vorgelegt worden sei.
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Anmerkung: § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO lautet:  „Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.“ Dies gilt auch im Falle der gerichtlichen Entscheidung nach § 69 Abs. 3 FGO. Die Norm verlangt, dass entweder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (Steuerbescheides) bestehen oder die Vollziehung eine unbillige, öffentliche Interessen überwiegende Härte darstellen würde. Damit reichten also für die Aussetzung die ausdrücklichen vom BFH geäußerten ernstlichen Zweifel für die Aussetzung aus und kam es nicht mehr darauf an, ob eine unbillige Härte vorlag. Die Verknüpfung durch den BFH ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar und auch verfassungsrechtlich unzulässig. § 69 FGO stellt sich als Norm zum Schutz des Steuerpflichtigen dar. Seine Ausweitung der Voraussetzungen für eine Einstellung einer Vollstreckungsmaßnahmen ist gleichbedeutend mit einer unzulässigen richterlichen Rechtsbestimmung, zumal diese vom BFH vorgenommene Ausdehnung auch keine Grundlage in den Gesetzesmaterialien findet. Die Entscheidung des BFH selbst ist damit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 103 GG verfassungswidrig. 

BFH, Beschluss vom 15.04.2014 - II B 71/13 -