Dienstag, 1. Oktober 2013

Mietrecht: Eigenbedarfskündigung auch bei einem erst kurz zuvor geschlossenen Mietvertrag möglich


Bei Abschluss eines Wohnraummietvertrages soll der Mieter Vorsicht obwalten lassen. Nach der Entscheidung des BGH vom 20.03.2013 – VIII ZR 233/12 -  hindert der erst erst kurz vorher erfolgte  Abschluss eines Mietvertrages nicht die Kündigung wegen Eigenbedarfs, wenn dieser zumindest bei Abschluss des Mietvertrages noch nicht absehbar war. Ob er absehbar war, ist eine vom Gericht zu prüfende Tatfrage. Will der Mieter sicher sein, sollte er eine Regelung im Mietvertrag aufnehmen, wonach eine Kündigung wegen Eigenbedarf, jedenfalls für eine gewisse Zeit, nicht möglich ist.
 BGH, Urteil vom 20.03.2013 - VIII ZR 233/12 -


Aus den Entscheidungsgründen:

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 3. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung des von ihnen gemieteten Einfamilienhauses wegen Eigenbedarfs in Anspruch.
Die Beklagten sind seit Februar 2008 Mieter des Einfamilienhauses der Klägerin in W.        . Mit Schreiben vom 29. März 2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 30. Juli 2011 mit der Begründung, das Haus werde für ihren Enkel S.   S.    und dessen Ehefrau und Tochter benötigt.
Die Klägerin behauptet, bei Abschluss des Mietvertrags sei nicht absehbar gewesen, dass ihr Enkel mit seiner Familie in dem Haus würde wohnen wollen. Er habe zu dem Zeitpunkt in H.      gearbeitet und es sei geplant gewesen, dass er nach S.    versetzt werden würde, weshalb das Haus in W.         für ihn nicht in Frage gekommen sei. Seine spätere Frau sei im April 2008 schwanger geworden. Erst nach der Geburt der gemeinsamen Tochter habe ein Umdenken über die zukünftige Lebensplanung stattgefunden und der Enkel habe sich entschieden, seine Karrierepläne zurückzustellen und mit seiner Familie in der Umgebung zu bleiben.
Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen und Härtegründe unter anderem wegen nicht abgewohnter Investitionen geltend gemacht.
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.
 
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung seien erfüllt. Es stehe fest, dass die Klägerin die Wohnung ihrem Enkel und dessen Ehefrau und Tochter überlassen wolle. Die Kündigung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, obwohl sie schon rund drei Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses erfolgt sei. Zwar käme eine Treuwidrigkeit in Betracht, wenn die Klägerin bei absehbarem Eigenbedarf die Möglichkeit des Abschlusses eines befristeten Mietvertrags nach § 575 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehabt und nicht wahrgenommen hätte. Der Eigenbedarf sei jedoch bei Abschluss des Mietvertrags noch nicht absehbar gewesen. Im Gegenteil habe es der Enkel der Klägerin auf entsprechende Nachfrage stets abgelehnt, in das Haus der Klägerin zu ziehen. Erst nachdem zwei Monate nach Abschluss des Mietvertrags seine spätere Ehefrau schwanger geworden, die gemeinsame Tochter geboren worden und der Enkel seine berufliche und private Lebensplanung auf seine neu gegründete Familie umgestellt und den der beruflichen Karriere wegen geplanten Umzug nach Süddeutschland aufgegeben habe, habe sich die Eigenbedarfssituation ergeben. Auch hätten die Beklagten keinen Anspruch auf Verlängerung des Mietverhältnisses nach §§ 574 f. BGB ("Sozialklausel"). Sämtliche geltend gemachten Härtegründe stellten letztlich nur die mit einem Umzug unvermeidlich verbundenen Unannehmlichkeiten dar. Dies gelte auch in Anbetracht der Aufwendungen zur Ausgestaltung der Wohnung.
 
II.
 
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Beklagten sind gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe des Einfamilienhauses verpflichtet. Die Eigenbedarfskündigung der Klägerin hat das Mietverhältnis beendet. Die Klägerin ist gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zur Kündigung berechtigt, weil nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts Eigenbedarf besteht und dessen Geltendmachung auch nicht rechtsmissbräuchlich ist. Die von den Beklagten vorgebrachten Härtegründe gebieten auch keine Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Eigenbedarfskündigung der Klägerin zum 30. Juli 2011 als wirksam angesehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Kündigung nicht der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin gemäß § 242 BGB entgegen. Zwar ist die Kündigung hier schon etwa drei Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses erfolgt - und dies, obgleich den Beklagten durch den Schwiegersohn der Klägerin vor Mietvertragsabschluss versichert worden war, ein Eigenbedarf für ein Familienmitglied komme nicht in Betracht; das einzige, was passieren könne, sei, dass das Haus verkauft werden könnte. Angesichts der Gesamtumstände begegnet die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Eigenbedarfskündigung der Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich ist, jedoch keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
a) Wie der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden hat (BVerfGE 79, 292, 308 f.; BVerfG, NJW-RR 1993, 1357; Senatsurteil vom 21. Januar 2009 - VIII ZR 62/08, NJW 2009, 1139; Senatsbeschlüsse vom 13. April 2010 - VIII ZR 180/09, WuM 2010, 575 [Hinweisbeschluss], und vom 6. Juli 2010 - VIII ZR 180/09, WuM 2010, 512 [Zurückweisungsbeschluss] jeweils mwN), setzt sich ein Vermieter zu seinem eigenen Verhalten dann in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt. Denn für den Mieter ist ein sich abzeichnender Eigenbedarf des Vermieters vor allem für die Entscheidung von Bedeutung, ob er eine Wohnung überhaupt anmieten und damit das Risiko eines Umzugs nach verhältnismäßig kurzer Mietzeit eingehen will (Senatsurteil vom 21. Januar 2009 - VIII ZR 62/08, aaO Rn. 17, 19; Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 180/09, aaO Rn. 2).
b) Diese Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags für keinen der Beteiligten absehbar, dass ein Eigenbedarf an dem Einfamilienhaus für den Enkel der Klägerin durch die Geburt seiner Tochter und die daraufhin geänderte Lebensplanung der Familie entstehen würde. Der Eigenbedarf ist vielmehr aufgrund einer erst nach der Vermietung eingetretenen Änderung der persönlichen Verhältnisse des Enkels der Klägerin entstanden.
Durch die Erklärung des Schwiegersohns der Klägerin anlässlich der Hausbesichtigung, ein Eigenbedarf komme nicht in Betracht, höchstens ein Hausverkauf, ist kein der Klägerin zuzurechnender besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der ihre Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe. Die Äußerung, die im Übrigen eine reine Wissenserklärung darstellt und der kein rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt zukommt, entsprach nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Tatsachen. Sie bezog sich auf den damaligen Stand, bei dem eine Änderung nicht absehbar war. Durch sie ist auch kein auf künftige Entwicklungen bezogener Vertrauenstatbestand erweckt worden, denn die persönlichen Verhältnisse eines Vermieters und seiner Familienangehörigen können sich ändern. Will ein Mieter für solche Fälle eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausschließen, bedarf es einer dahin gehenden Vereinbarung.
2. Soweit die Revision geltend macht, das Mietverhältnis sei jedenfalls gemäß §§ 574 f. BGB ("Sozialklausel") einstweilen fortzusetzen, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass sämtliche beklagtenseits geltend gemachten Härtegründe letztlich nur die mit einem Umzug unvermeidlich verbundenen Unannehmlichkeiten darstellen. Dass die Beklagten davon absahen, im Mietvertrag einen (beiderseitigen) befristeten Kündigungsausschluss mit der Klägerin zu vereinbaren, um ihrerseits aus beruflichen Gründen in örtlicher Hinsicht flexibel zu bleiben, kann nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden. Insbesondere beruht die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts - entgegen der Auffassung der Revision - nicht darauf, dass das Berufungsgericht den Vortrag, angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen sei nicht zu beschaffen, übergangen hätte. Abgesehen davon, dass das erstinstanzliche Urteil, auf dessen Gründe das Berufungsurteil Bezug nimmt, diesen Vortrag ausdrücklich gewürdigt hat, bedarf nicht jedes Vorbringen der Parteien der Erwähnung in den schriftlichen Entscheidungsgründen.
Eine Härte im Sinne von § 574 BGB ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus den finanziellen Aufwendungen der Beklagten, insbesondere für die speziell den räumlichen Gegebenheiten angepasste Einbauküche. Die Beklagten haben nach eigenem Vorbringen bewusst davon abgesehen, sich die Möglichkeit einer längerfristigen Nutzung des Mietobjekts durch Vereinbarung eines (beiderseitigen) befristeten Kündigungsausschlusses zu sichern, weil sie aus beruflichen Gründen örtlich flexibel bleiben wollten. Sie sind daher sehenden Auges das Risiko eingegangen, dass finanzielle Investitionen in die Wohnung sich im Falle einer nur kurzen Mietdauer nicht angemessen amortisieren werden. Die Inkaufnahme dieses Risikos muss bei der Interessenabwägung nach § 574 Abs. 1 BGB zum Nachteil der Beklagten ausschlagen.

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