Dienstag, 17. September 2013

Prozess- und Vollstreckungsrecht: Titulierung 8% statt 8 Prozentpunkte

Der BGH (hier im Beschluss vom 07.02.2013 - VII ZB 2/12 -) muss sich (leider) auch mit Ungenauigkeiten der Instanzgerichte befassen.  So wurde auf den Antrag eines Gläubigers die titulierte Summe mit 8% über dem Basiszinssatz als verzinslich ausgesprochen. Der Gerichtsvollzieher verweigerte den mit 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz berechneten Vollstreckungsauftrag, da er mit dem Titel nicht übereinstimmen würde. Während das titulierende Gericht eine Berichtigung des Titels ablehnte und dann im Rahmen der  Erinnerung im Vollstreckungsverfahren Amtsgericht und Landgericht auch den Vollstreckungsauftrag als fehlerhaft ansahen, führte die (zugelassene) Rechtsbeschwerde beim BGH zum Erfolg: Der Titel müsse ausgelegt werden. Maßstab der Auslegung ist das Gesetz, welches in § 288 Abs. 2 BGB die Verzinsung mit 8 Prozentpunkten über den Basiszins vorsieht.
Die (häufig in anwaltlichen Schriftsätzen) zu findende Ungenauigkeit, die gar noch von den Gerichten übernommen wird, findet eine Parallele auch im Basiszinssatz selbst. Dieser ist in § 247 BGB bestimmt. Häufig wird aber formuliert, dass die Verzinsung über dem Zinssatz oder Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank liegen soll. Für den Zinssatz der Europäischen Zentralbank fehlt aber eine Rechtsgrundlage. Der Basiszins gem. § 247 BGB knüpft zwar an den von der Zentralbank  festgestellten Zinssatz an, ist aber nicht mit diesem identisch. Nicht nur wird der Basiszinssatz nur jeweils zum 1.1. und 1.7. eines jeden Jahres gem. § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB neu festgestellt, unabhängig von zwischenzeitlichen Änderungen des Zinssatzes der Zentralbank, auch liegt er etwas niedriger (was damit zusammenhängt, dass bei Inkrafttreten der Norm der Zinssatz höher als der zur Zeit des Gesetzesbeschlusses in § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB benannte und diesem Datum entsprechende Ausgangszinssatz von 3,62% lag).
Der Anwalt sollte schon diese Grundlagen berücksichtigen, insbesondere wenn er den Schuldner vertritt. Und vom Gericht sollte man an sich die ausreichende Rechtskenntnis auch erwarten; nur darf man sich darauf nicht verlassen, wie die Entscheidung des BGH dokumentiert.

BGH, Beschluss vom 07.02.2014 - VII B 2/12 -




Aus den Entscheidungsgründen:

I.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 21. Dezember 2009, dessen Urteilsformel in Ziffer 1 und 2 wie folgt lautet:
"1. Die Beklagte [= Schuldnerin] wird verurteilt, an den Kläger [= Gläubiger] ab 01.12.2009 bis zu seinem Tod eine monatliche Altersrente von jeweils weiteren € 934,19, fällig zum 1. eines jeden Monats, nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 25.06.2009 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 43.906,93 nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 25.06.2009 zu bezahlen."
Der Gläubiger erteilte dem Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag, wobei er die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" als "Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz" verstanden wissen wollte. Der Gerichtsvollzieher lehnte es ab, diesen Vollstreckungsauftrag durchzuführen, da ihm die Bezeichnung der Höhe der Zinsen nicht richtig erschien.
Der Gläubiger stellte daraufhin beim Landgericht den Antrag, den Urteilstenor dahingehend zu berichtigen, dass in Ziffer 1 und 2 die Formulierung "nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" durch die Formulierung "nebst 8 % Punkten über dem Basiszinssatz" ersetzt wird. Diesen Antrag hat das Landgericht zurückgewiesen.
In der Folge erteilte der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher erneut den genannten Vollstreckungsauftrag.
Der Gerichtsvollzieher legte die Sache dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - vor. Dieses hat die Erinnerung des Gläubigers gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers, den Zwangsvollstreckungsauftrag mit der Maßgabe zu vollstrecken, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz eingestellt werden, als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein Begehren weiter. Die Schuldnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde des Gläubigers zurückzuweisen.
II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Anweisung an den Gerichtsvollzieher, die Durchführung des Vollstreckungsauftrages nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, das Urteil des Landgerichts sei dem Antrag des Klägers entsprechend klar und eindeutig abgefasst. Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO sei das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt sei. Dass § 288 Abs. 2 BGB dem Gläubiger bei Rechtsgeschäften, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, einen Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gebe, bedeute nicht automatisch, dass dieser Anspruch auch in seiner ganzen Höhe durch den Gläubiger geltend gemacht werde.
Die vom Gläubiger angeführte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 5. April 2005 - 21 U 149/04, NJW 2005, 2238) betreffe einen anders gelagerten Sachverhalt. Dort sei es um die Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs gegangen. Im Streitfall sei das Urteil im Rahmen eines kontradiktorischen Rechtsstreits ergangen. Hier bedürfe es aufgrund der unterschiedlichen Wertigkeiten der jeweiligen Anträge (Prozente oder Prozentpunkte) der Berücksichtigung des Grundsatzes, wonach jeder nur so viel zugesprochen bekommen dürfe, wie von diesem beantragt worden sei. Die Antragsfassung sei eindeutig und einer abweichenden Auslegung nicht zugänglich.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der im Urteil des Landgerichts vom 21. Dezember 2009 enthaltene Zinsausspruch ist vom Gerichtsvollzieher dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind.
a) Ein Vollstreckungstitel muss den im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnen (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440). Bei einem Zahlungstitel muss der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt sein oder sich zumindest ohne Weiteres aus dem Titel errechnen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 177/04, NJW 2008, 153 Rn. 22; Urteil vom 7. Dezember 2005 - XII ZR 94/03, BGHZ 165, 223, 228 m.w.N.). Ist der Inhalt des Titels zweifelhaft, hat das Vollstreckungsorgan diesen Inhalt gegebenenfalls durch Auslegung festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 177/04, NJW 2008, 153 Rn. 22; Urteil vom 7. Dezember 2005 - XII ZR 94/03, BGHZ 165, 223, 228; Urteil vom 6. November 1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., vor § 704 Rn. 26).
b) Entsprechend diesen Grundsätzen obliegt es dem Gerichtsvollzieher, den Titel hinsichtlich des Zinsausspruchs auszulegen. Die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" ist mehrdeutig. In Betracht kommt das Verständnis, dass (lediglich) Zinsen in Höhe von 108 % des - gemäß § 247 BGB variablen - Basiszinssatzes ausgeurteilt wurden (vgl. Hartmann, NJW 2004, 1358, 1359 Fn. 19; zur Gesetzesgeschichte variabler Zinssätze vgl. Coen, NJW 2012, 3329, 3331 f.). Die Formulierung kann aber auch so zu verstehen sein, dass - entsprechend der Zinsregelung in § 288 Abs. 2 BGB, die an den Basiszinssatz gemäß § 247 BGB als variable Bezugsgröße anknüpft - Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgeurteilt wurden. Die Auslegung des Titels ergibt, dass Letzteres zutrifft. Die Formulierung "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" wird in der prozessualen Praxis unbeschadet sprachlicher Ungenauigkeit ganz überwiegend gleichbedeutend mit der sich an der Zinsregelung in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB orientierenden Formulierung "Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz" verwandt und verstanden (vgl. OLG Hamm, NJW 2005, 2238, 2239; Weidlich, DNotZ 2004, 820, 823; Führ, JuS 2005, 1095, 1096; a.M. LAG Nürnberg, NZA-RR 2005, 492; offengelassen von BAG, NZA 2004, 852, 858). Für die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" gilt im Hinblick auf die Zinsregelung in § 288 Abs. 2 BGB Entsprechendes. So ist dementsprechend auch der Zinsausspruch des Landgerichts zu verstehen.
Der Beschluss des Landgerichts, mit dem der Berichtigungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen worden ist, ändert an der Auslegung des Zinsausspruchs dahingehend, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind, nichts. Das Landgericht hat in den Gründen dieses Beschlusses ausgeführt, dass es dem Klageantrag stattgeben wollte und das verkündet hat, was verkündet werden sollte. Auch der Klageantrag war nicht anders zu verstehen, als dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt werden.
III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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